Bahnhofsrestaurant im Weinbrennerstil: 1854 wurde das Dienst und Empfangsgebäude der königlich, württembergischen Staatseisenbahn errichtet in dessen Räumen sich das Restaurant von Ferdinand Keller befand.
Ferdinand Keller (1839 – 1906), früherer Wirt der Bruchsaler Bahnhofswirtschaft, hatte den alten Brauch des Sommertagszugs 1902 wieder zum Leben erweckt. Grund genug für Bruchsal, ihm 1912 mit dem Ferdinand-Keller-Brunnen im Stadtgarten beim Belvedere ein Denkmal zu setzen.
Geboren am 11. Februar 1836 in Bruchsal als Sohn einer Gastwirtsfamilie aus Gengenbach übernahm Ferdinand Keller nach seiner Heirat mit Mathilde geborene Schmuck die von den Eltern gegründete Bahnhofsgaststätte auf der württembergischen Seite der Bahnlinie (es gab auf der anderen Seite der Gleise damals noch einen zweiten Bahnhof !). Diese Gaststätte war Dreh und Angelpunkt des gesellschaftlichen Lebens, denn mit dem Zug reisen konnten nur die feinen Leute, die Armen mussten zu Fuß gehen. Aber nicht nur die fachliche Kompetenz zeichnete Ferdinand Keller aus, sondern mehr noch seine schlagfertige Zunge und der Ruf – trotz rauer Schale, – das Herz auf dem rechten Fleck zu haben.
Durch viele überlieferte Anekdoten wird er heute als Bruchsaler Original bezeichnet. Über seine witzigen, manchmal derben Sprüche und Streiche kann man sich auch noch weit über 100 Jahre nach seinem Tod amüsieren. Da es sich um Überlieferungen handelt, wird der eine oder andere die folgenden Geschichten vielleicht etwas anders kennen, Tatsache aber ist, dass bei seiner Beerdigung im Jahr 1906, Kinder mit Trauerflor am Sommertagsstecken seinen letzten Gang auf dem Friedhof begleitet haben.
„Ferdinand Keller wird in Bruchsal unvergessen bleiben“, hat ein Grabredner – wie so oft – großspurig gesagt, aber wer könnte sich heute noch an den kauzigen Gastronom erinnern, hätte er nicht den Sommertagsumzug und den Brunnen unterhalb des Belvedere als Hinterlassenschaft. Sein Grundsatz, dass nichts Unkünstlerisches und Fremdartiges in den Zug hinein kommen darf ist heute noch Marschrichtung für das Kinderfest im Mai.
Qualmende Sitzung Neben vielen anderen Engagements war Keller Vorsitzender der Ortskrankenkasse in Bruchsal. Wenn er zu den Sitzungen kam, hatte er immer die Taschen voller Zigarren. Jedes Vorstandsmitglied bekam erst einmal eine dieser riesigen Dinger verpasst und wenn dann das Sitzungszimmer total verqualmt war, wurde die Besprechung eröffnet. Sehr passend für eine Krankenkasse – aber darüber machte man sich damals noch keine Gedanken.
Forellenessen Seine bekannteste Tat war das Forellenessen für den russischen Zaren. Hier wird erzählt, dass der Zar während seiner Zugdurchfahrt in Bruchsal Halt machte und Forellenfilets speisen wollte. Da man so etwas hier in der Provinz nicht vorrätig hatte, wies Ferdinand Keller einen Kellner an mit dem ersatzweise gefüllten Teller zu stolpern und hinzufallen, natürlich war das Essen dann unbrauchbar. Als „Ersatz“ bot der untröstliche Wirt dem Zaren ein Schnitzel mit Kartoffelsalat an und der ungeschickte Kellner bekam öffentlich eine Ohrfeige vom Chef. Der Gastwirt konnte sein Gesicht wahren und der ungeschickte Kellner bekam als Schadenersatz ein Goldstück für die Schläge.
Schöne Grüße Der noble Amtmann M. ging jeden Mittag in die Bahnhofswirtschaft zum Kaffeetrinken. Eines Tages hörte er, wie Ferdinand Keller einen Gast besonders höflich verabschiedete. Als Keller am Tisch des Amtmannes vorbei ging, fragte dieser: „Nun Ferdinand, was haben sie gedacht, als sie diesen Herrn so freundlich verabschiedeten?“ Keller gab daraufhin die entwaffnend ehrliche Antwort: „Der kann mich auch am A….“ Als der Amtmann kurze Zeit später ging, begleitete Keller ihn ebenso höflich zur Tür, wie den Vorgänger. Der Amtmann blieb unter der Tür stehen und sagte zu dem Wirt: „Ferdinand, …du mich auch.“
Wasser satt Früher kamen zu den Bruchsaler Viehmärkten morgens in aller Frühe die jüdischen Viehhändler. Sie gingen in die Bahnhofswirtschaft und bestellten Kaffee, wozu immer ein Glas Wasser kostenlos gereicht wurde. Weil die jüdischen Kaufleute diese Geste zu sehr ausnutzten und immer mehrere Glas Wasser nachbestellten, ging Keller eines Tages in die Küche, holte eine gefüllte Gießkanne mit Wasser, stellte sie auf den Tisch und sagte: „So, jetzt könnt ihr Wasser saufen, soviel ihr wollt.“
Eine Kelle voll Senf Obwohl er als sehr großzügig bekannt war, ärgerte er sich besonders über Leute, die seine Gutmütigkeit ausnutzten. Davon erzählt eine weitere Geschichte, die überliefert ist.
Ein Bauer kam in die Bahnhofswirtschaft und bestellte sich ein Glas Bier und eine Wurst, der Senf dazu war gratis. Da es noch früh und die Senftöpfchen vom Vortag noch nicht aufgefüllt waren, suchte der schlaue Bauer auf den Nachbartischen die Reste zusammen. Dabei wurde er beobachtet und ein weiterer Gast zog Ferdinand Keller mit dem Spruch auf: „Koi Wunner verdiensch du nix, der Bauer frisst schu de vierte Hafe Senf zu oiner Worscht.“ Das wollte sich Keller nicht sagen lassen, ging in die Küche, holte den großen Senfkübel und haute dem Bauern eine Schöpfkelle voll Senf auf den Teller, dass es nur so spritzte. „Jetzt fress bis gnug hasch“, war sein zorniger Kommentar. Der Bauer verlangte von Keller einen neuen Anzug, weil Senfflecken nicht mehr zu reinigen seien. Großzügig bezahlte der Wirt den neuen Anzug und drohte dem Bauern zum Abschied:“ Awer bei mir fresse se koi Senft mehr.“
Text: Andrea Bacher-Schäfer, Bilder : WILLI-Leser, SCB-Archiv
Aus RegioMagazin WILLI 05/2023
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