09.03.2020 | Seit Anbeginn des Jahres legt sich ein dunkler Schatten über unsere heile Welt: COVID-19 sorgt für Panik und Ausreisestopps, für Hamsterkäufe und gestohlenes Desinfektionsmittel. Doch wie berührt er uns wirklich? Ein Kommentar.
Mittlerweile gehört es dazu wie die tägliche Tasse Kaffee am Morgen und begleitet uns auf dem Weg zur Arbeit oder ins Fitnessstudio: Ein ständiges Updaten der aktuellen Krankheitsfälle, Italien schließt alle Schulen und Universitäten für einen Monat, Corona-Virus hier, Corona-Virus da. Keine Nachrichten ohne Corona, das Virus ist Thema nahezu jeden Gesprächs. Doch warum eigentlich? Warum drehen wir alle mehr oder minder durch? Welcher Schalter wurde in den Köpfen der Deutschen umgelegt, der uns dazu veranlasst im ALDI dreißig Dosen Ravioli einzukaufen und sie daheim im Keller zu bunkern, wie einen geheimen Schatz.
Zugegeben, bei all der Möglichkeiten zur Informationsbeschaffung der heutigen Zeit ist es im Grunde genommen kein Wunder. Wie gefundenes Fressen schluckt der gemeine Facebook-Fromme alles was sich dort zum „neuartigen Corona-Virus“ findet und glaubt aufs Wort: Denn man findet es ja schließlich schwarz auf weiß, dann muss es ja schließlich stimmen. Logisch.
Diese extreme Informationsüberflutung kann doch eigentlich auf kurz oder lang überhaupt nicht gut für uns sein, denn woher sollen wir wissen, was richtig ist, und noch viel besser: Woher sollen wir wissen, was falsch ist? Wir sind hilflos bei der Suche nach dem richtigen Weg des Umgangs, aber ist man mal ehrlich, viel zwiespältiger könnten die Mitteilungen doch eigentlich nicht sein, an einem Tag heißt es „Deutschlands Gesundheitssystem sei gewappnet für eine Krankheit, die womöglich 70 % der Bevölkerung befällt“ , an einem anderen Tag sei es ratsam sich einen Nahrungsvorrat für etwa zehn Tage zu beschaffen. Wie soll man denn da noch wissen, wie man vorgehen soll?
Etliche Meinungen kursieren heutzutage auf Facebook, Instagram und Co. Das ist ja alles schön und gut, aber betrachtet man es rein objektiv, so fällt auf, dass es hier und da gehässige Kommentare, wenn nicht sogar regelrechte Hasskommentare gibt. Aber ist es für apokalyptisches Denken und Weltflucht nicht eigentlich noch viel zu früh? Bei all den Informationen, Updates, Zahlen und Fakten muss man sich selbst noch fragen, ob es nicht gerade jetzt wichtig ist einen kühlen Kopf zu bewahren. Viele sehen sich alleine gelassen, Beschwichtigungen und um den heißen Brei herumreden seitens des Robert-Koch-Instituts, sehen die Berechnungen von Virologen und Experten als Milchmädchenrechnung an.
Diese Auswirkungen von Autoritäts-Herabsetzung sind mehr als deutlich. Doch ich selbst sehe mich zugegeben auch manchmal in den Fäden der breiten Masse hängend: Bei Symptomen wie Schnupfen, Husten und Fieber schnell mal ins Krankenhaus gerannt, dort dann große Aufruhr, doch schließlich, wie nicht anders erwartet: Entwarnung. Man schickt mich zum Hausarzt, man kenne diese Prozedur, die mittlerweile fast minütlich passiert. Die Menschen haben Angst, sind beunruhigt, die Unwissenheit lässt uns mutieren zu Wankelmütigen. Leer gekaufte Brotbackmischungen, Tütensuppen und Konserven sind in vielen Supermärkten in Deutschland derweil Standard, auch hier in der Region: ALDI und Lidl sehen sich gezwungen Schilder an die Regale zu hängen mit der Aufschrift „Abgabe nur in handelsüblichen Mengen“, von Desinfektionsmittel ganz zu schweigen. Oder noch besser: Ein Supermarkt will morgens um sieben Uhr seine Türen öffnen. Vor dem Geschäft warten mehrere hundert Menschen dicht vor die Tür gedrängt, kaum schließt ein Mitarbeiter die Tür auf, beginnen alle wie verrückt in den Laden zu stürmen. Um jeden Preis wollen die Menschen hier rein, ein immenses Gedränge, ab und zu ein Aufschrei in der Menge. Aber auch in der Gegend kommt es sogar des Öfteren zum Eklat: Immer häufiger klauen Kunden an der Kasse das Desinfektionsmittel der Kassierer, das dort schon vor dem Ausbruch des Virus steht, rein präventiv. Was soll man dazu sagen?
Die John-Hopkins-University in Baltimore, Maryland hat eine interaktive Karte entwickelt, auf der alle registrierten Krankheits-, Todes- und auch Genesungsfälle verortet sind und man sieht ganz deutlich: Es gibt derzeit circa 95.000 Infizierte Menschen auf dieser Welt. Hört sich gewaltig an. Doch blickt man mal auf die Genesungszahlen hört es sich schon gar nicht mehr so schlimm an: Auf 95.000 Infizierte kommen 53.000 Gesundete. Ohne einen Kontakt mit Infizierten oder Aufenthalt in einem Risikogebiet bestehe laut Virologen kein bedenkliches Infektionsrisiko. Solche Angaben können doch nun eigentlich nicht die Ursache sein, für die Entwicklung einer immer größer werdenden Panik.
Vielleicht sollten wir deshalb reflektieren, bevor wir irgendwelche Posts auf Facebook und Co. veröffentlichen und uns nicht erst danach wundern, was mit den Menschen in Deutschland los ist. Kein Wunder bei Posts wie „Meine Frau ist selbst Oberärztin (sog. Milgram-Paradigma, bei dem man sich als „Laie“ einer Autorität, an dieser Stelle die Oberärztin ,unterordnet und bedingungslos seinen Anweisungen folgt) und hat mich letzte Woche losgeschickt, um mehrere Kilo Lebensmittel auf Vorrat zu kaufen. Nicht um einer Quarantäne zu entkommen, sondern um sich beim Einkaufen nicht anzustecken.“ – Da fragt man sich persönlich, was dann überhaupt noch gemacht werden darf. Die tägliche Fahrt zur Arbeit mit der Bahn soll dann weniger Gefahr bergen sich anzustecken, als der Wochenendeinkauf oder wie darf man sich das vorstellen?
Schlussendlich liegt es nicht in der Hand der Menschen das Armageddon der Moderne aufzuhalten, geschweige denn zu verhindern. Bei Ausnahmezuständen reagiert der Mensch immer gleich. Sei es in politisch unsicheren Zeiten oder eben wie hier: Es geht um einen Kontrollverlust. Diese Angst, die mit ihm einher geht, teilt uns in Gruppen, jeder geht anders damit um.
Wichtig ist nur, dass wir uns nicht von ihr spalten lassen.
Hannah Maria Müller