Es war Donnerstag, der 18. Juli 2013. Die Freilichtaufführung mit „Amadeus“ vor dem Bruchsaler Schloss ging zu Ende. Ein Dutzend Mal waren die Darsteller schon durch den Beifall wieder auf die Bühne gerufen worden. Frenetisch wurde er, wenn Hannes Höchsmann als Salieri an die Rampe eilte. „Bravo! Bravo! Bravo!“
Es war Sonntag, der 11. August 1963. Im Innenhof eines Hauses im siebenbürgischen Hermannstadt (Sibiu) hatten sich rund dreißig Anwohner der Straße mit Kind und Kegel versammelt und applaudierten begeistert. Im Hintergrund, zwischen zwei Bäumen, war eine Schnur gespannt, an der ein Vorhang hing. Mit Mühe kämpften sich die sieben Kinder hindurch, um sich vor den Zuschauern linkisch zu verneigen. Besonders laut wurde der Beifall, wenn der zehnjährige Hannes vortrat. Er hatte das Stück „Ferien in den Bergen“ geschrieben, hatte Regie geführt, die Lieder einstudiert und die Hauptrolle gespielt. Zwischen den beiden Beifallsstürmen liegen 50 Jahre mit viel, viel Theater – selbstgestaltetem Theaterleben. Was Theater ist, wusste der kleine Hannes schon im Alter von fünf Jahren. Regelmäßig ging er mit seinen Eltern zu den deutsch gespielten Vorstellungen des sehr renommierten Puppentheaters und zu den Aufführungen der deutschen Abteilung des Hermannstädter Staaatstheaters.
„Diese Welt, die sich hinter dem Vorhang auftat, barg viele Geheimnisse, die ich unbedingt ergründen wollte“, erinnert sich Hannes Höchsmann. Dass er selbst mal Teil dieser geheimnisvollen Welt werden sollte, ahnte er damals allerdings nicht. Denn zuerst hieß es brav zur Schule zu gehen, am „Brukenthal“-Gymnasium zu Hermannstadt das Abitur bestehen, dann Germanistik studieren und …. Studenten-Theater machen: Als Darsteller und als Regisseur. Besonders mit der „Glasmenagerie“ und dem „Haus in Montevideo“ machte er auf sich aufmerksam. Sein Debüt im Berufstheater war 1979 in einer leichten Komödie des ungarischen Autors Méhes an der deutsche Abteilung des Hermannstädter Staatstheaters.
Schon damals zeichnete sich ab, dass Höchsmann eine beachtenswerte Affinität zum komischen Fach hat. Und da er auch Klavier und Gesang studiert hatte, wurde er gerne in Lustspielen, Kabarettprogrammen und Musicals besetzt. „Natürlich hat mich das gefreut, natürlich macht es mir Spaß, an einem Abend abwechselnd in verschiedene Rollen zu schlüpfen – zum Beispiel beim diesjährigen Freilicht als emotionsloser Fulgenzio und leidenschaftliche Sabina in der „Trilogie der Sommerfrische“ aufzutreten – aber es hat mich immer gereizt, mich auch im ernsten Fach zu versuchen. Rollen wie Wagner/Faust (in „Goethe.Lenau.Faust“), Saladin („Nathan“), Neruda („Brennende Geduld“), Kurt („Totentanz“) oder eben der Salieri waren mir wichtig, um von der Fixierung auf Komiker wegzukommen.“
Empfehlung Krankenpfleger
Dass er vielseitig einsetzbar ist, hat Hannes Höchsmann in bisher 136 (!) Rollen – davon 120 an der Badischen Landesbühne – zur Genüge bewiesen. Dabei schien es anfangs gar nicht leicht, diesen Beweis anzutreten. Die deutschen Bühnen im kommunistischen Rumänien litten ab der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts an einem ständig zunehmenden Darstellerschwund und Zuschauerexodus. Die geistige Bevormundung durch das Regime trieb sie nach Deutschland. Auch Hannes Höchsmann entschied sich, Siebenbürgen zu verlassen – schweren Herzens. Denn die Perspektiven des Schauspielers, in Deutschland an einer Bühne engagiert zu werden, schienen recht gering: Dass jemand aus Rumänien kommend, im hiesigen deutschen Theater besteht, war damals für viele unvorstellbar.
Heute wundert sich niemand mehr, dass Andrea Nistor und Camil Morariu aus Rumänien stammen. 1984 war das anders und beim Arbeitsamt wurden Hannes Höchsmann wohlgemeinte Ratschläge erteilt umzuschulen – von EDV bis Krankenpfleger reichte die Palette. Er müsse sich entscheiden, hieß es; schließlich habe er eine Frau und drei kleine Kinder… Glück für ihn, dass er stur seinem Theatertraum verfolgte, Glück, dass er sich in Bruchsal bewarb, wo schon Karl-Heinz Maurer bewiesen hatte, dass die Schauspieler des Hermannstädter Theaters gut ausgebildet und bühnenerfahren sind. Und so debuttierte er im BLB-Kinderensemble am 14. September 1986 gleich in der Titelrolle des Märchenstückes „Des Kaisers neue Kleider“; zwei Jahre später wechselte er zum
Abendspielplan: „Die kollegiale Atmosphäre hier in Bruchsal war nicht anders als in Hermannstadt, den Berufsalltag mit den vielen, vielen Abstechervorstellungen kannte ich auch schon aus Hermannstadt und die sehr warmen Aufnahme durch die Zuschauer hat mich ermutigt, der Bruchsaler Bühne treu zu bleiben. So gilt mein Dank den vielen engagierten Kollegen, den treuen Zuschauern und nicht zuletzt den Intendanten, Regisseurinnen und Regisseuren, die meinen Fähigkeiten als Schauspieler vertrauten.“
Geheimnisvolle Welt
Nach dreißig Jahren an der BLB – das ist die Hälfte der Zeit, seit sie in Bruchsal besteht – ist Hannes Höchsmann ein Stück Theatergeschichte, einer sehr amüsanten Theatergeschichte mit Anekdoten und Dramen. Nach dreißg Jahren an der BLB blickt Hannes Höchsmann vor allem in die Zukunft: „Ich spiele gerne, ich freue mich neben den großen auch über kleinere Rollen, ich genieße den Beifall.“
Toi, toi, toi, , auf viele weitere Erfolge, lieber Hannes!
Text und Bilder: Franz Csiky