Bruchsaler Erstaufnahme für Asylbewerber: Am Weiherberg oder gar in der Südstadt?

Die Debatte um die Erstaufnahme für Asylbewerber in Bruchsal nimmt an Fahrt auf. Die geplante Unterbringung von bis zu 500 Asylbewerbern stößt auf Widerstand.

Von Hubert Hieke

Die Tatsache, dass das Land Baden-Württemberg bis zu 500 Asylbewerber auf dem Gelände der früheren Landesfeuerwehrschule am eher beschaulichen Weiherberg in einer Erstaufnahmeeinrichtung für Asylsuchende (EA) unterbringen möchte, sorgt seit Wochen für Wirbel und heftige Debatten in Bruchsal. Viele der Anwohner und Grundstückseigentümer sind „not amused“, um es gelinde auszudrücken.

Widerstand gegen Erstaufnahme auf dem Weiherberg

Dass der Kampf für eine gemeinsame Sache oder eben auch der Widerstand dagegen Bürger aktiv werden lässt, ist grundsätzlich ein gutes Zeichen. In Windeseile formierte sich in diesem Fall eine Interessengemeinschaft, die gegen die EA an diesem Standort aufbegehrt. Dabei gelingt es deren Vertretern im Gegensatz zu ähnlichen Initiativen in der Vergangenheit, jegliche politische Aussagen zu vermeiden und inzwischen hat man sich beachtliches Gehör verschafft. Ja, viele der am Weiherberg lebenden Menschen fühlen sich buchstäblich veräppelt und für dumm verkauft. Denn statt neuen Wohnungen, scheint man den Anwohnern nun für wenigstens fünf Jahre eine EA vor die Nase setzen zu wollen.

Besorgnisse der Anwohner: Lebensqualität und Immobilienwerte

Mit offenen Briefen und Schreiben an lokale Presseorgane, die Bruchsaler Verwaltung und den Gemeinderat verschafft man sich Luft und verweist auf ein Sammelsurium von realen und vermeintlichen Auswirkungen einer temporären Asylunterkunft am Weiherberg. Die Anwohner befürchten nicht nur, in ihrer geruhsamen Lebensweise beeinträchtigt zu werden (zu Recht?), sondern sehen sich über Jahre allein schon durch mögliche Umbaumaßnahmen Lärm und Schmutz ausgesetzt, sorgen sich (vermeintlich?) um ihr Naherholungsgebiet, sehen die (persönliche?) Sicherheit gefährdet und, nicht zu vergessen, bangen um den Wert ihrer Immobilien! Sogar ein Verweis auf die Belastung der öffentlichen Finanzen durch scheinbar exorbitante Umbaukosten wird als Ausschlusskriterium einer EA herangezogen. Man habe nichts gegen Flüchtlinge, so der Tenor, aber doch bitte nicht hier!

Politische Unterstützung und mögliche Alternativen

Allerdings schießen einige der Gegner der EA bisweilen gehörig übers Ziel hinaus. So erhebt etwa ein (ehemaliger) Oberbürgermeisterinnenversteher und Mit-Initiator des Widerstands am Weiherberg in seinem Blog den Vorwurf, die Bruchsaler Verwaltung und der versammelte Gemeinderat wären jahrelang untätig gewesen und hätten sich gar verzockt. Dabei ist nicht nur in unterrichteten Kreisen schon lang hinlänglich bekannt, dass das Land bei der Verwertung des Geländes der ehemaligen Landesfeuerwehrschule am längeren Hebel sitzt.

In dieser Gemengelage erscheint nun ein Prophet in Gestalt des Landtagsabgeordneten Christian Jung am Horizont und verheißt den Bewohnern am Weiherberg neue Hoffnung, wenn nicht gar die Erlösung von allen EA-Qualen! Denn Jung lehnt nicht nur die EA an diesem Standort kategorisch ab, nein, der umtriebige, in Bruchsal wohnhafte (nicht am Weiherberg) und über den Wahlkreis Bretten gewählte FDP-Abgeordnete wird am kommenden Samstag persönlich vor Ort vorstellig werden, um einerseits wohl nochmals seine Meinung zur angedachten EA kundzutun, andererseits wahrscheinlich für einen alternativen Standort nahe der Bereitschaftspolizei in der Südstadt (dort wohnt Jung auch nicht…) zu werben. Jung hatte schon im März eine Kleine Anfrage in Stuttgart zur EA gestellt und mögliche Kontakte zwischen Bruchsaler Verwaltung und Landesregierung erfragt; wobei unklar ist, ob Jung mit der Bruchsaler Verwaltung in Sachen EA jemals das direkte Gespräch suchte.

Am Weiherberg wird man Jung am kommenden Samstag jedenfalls sicherlich mit offenen Armen empfangen; in der Südstadt, wo er danach aufschlagen will und wo die Bevölkerung weit heterogener strukturiert ist und Widerstand gegen Projekte dadurch schwieriger zu organisieren ist, wird man ihn wohl dennoch nicht ehrfürchtig beknien.

Denn dort meinen einige Bürger (mit Recht?), Asylbewerber könne man ruhig auch einmal in beschaulicheren Gegenden vorübergehend unterbringen und wenn schon Asylunterkünfte benötigt würden, dann sollte es nicht immer, wie in der Vergangenheit, weniger mondäne Quartiere, wie die Südstadt treffen, sondern endlich auch einmal die gut und besser Situierten in ihren beschaulichen Anwesen, denn dies habe auch eine erzieherische Wirkung, wecke es deren Bewohner doch endlich aus dem Dornröschenschlaf. Derartige Auffassungen werden bei einigen der im Weiherberg Wohnhaften wiederum sicherlich den Puls in medizinisch nicht ratsame Höhen treiben und zu hochroten Köpfen und Schnappatmung führen. Weiteres möchte man sich gar nicht ausdenken.

Man darf gespannt sein, wie es in der EA-Angelegenheit weitergeht: Macht der vermeintliche Messias Jung in Bruchsal ein neues Fass auf, spielt Bürger verschiedener Bruchsaler Quartiere gegeneinander aus und verschlimmbessert die Situation am Ende gar?

Temporäre EA oder vielleicht sogar dauerhafte LEA?

Denn ein Szenario ist zumindest nicht völlig auszuschließen: Statt einer temporären EA im Weiherberg wird Bruchsal am Ende gar mit der Errichtung eines dauerhaften, großen Landeserstaufnahmezentrums für Asylbewerber (LEA) in der Bruchsaler Südstadt beglückt!

Infrage kommendes Gelände im Industriegebiet West neben dem Gelände der Bereitschaftspolizei

Was wird der Abgeordnete Jung am Samstag in Sachen EA aus dem Hut zaubern? Tatsächlich gibt es nahe der Bereitschaftspolizei landeseigene Flächen, wo ein Containerdorf oder gar feste Bauten für weit über 500 Asylbewerber Platz hätten. Bisher war diese Fläche dem Innenministerium in Stuttgart zugeschlagen und für eine mögliche Erweiterung der Bereitschaftspolizei reserviert (Stichwort Verlagerung der Reiterstaffel Mannheim). Wird daraus in Bruchsal am Ende eine dauerhafte LEA mit über 1000 Asylbewerberplätzen?

Viele Bürger, wie auch der Bruchsaler Gemeinderat und die Verwaltung würden dann wohl eher recht bedröppelt dreinblicken. Der Heilsbringer Jung aber wohl schon als Retter der Entrechteten anderswo in neuer Mission unterwegs!

Übrigens ist bisher nicht bekannt, ob Jung sein Netzwerk jemals genutzt hat, um auch in Berlin bei seiner eigenen Partei vorstellig zu werden und mit einem geharnischten Brief auf die unhaltbaren Asylzustände hinzuweisen. Denn dort in der Ampelkoalition steht seine Partei mit in der Wanne und räkelt sich im Wasser, das schlussendlich auf kommunaler Ebene auszubaden ist!

Erstveröffentlichung 18.4.2024

Hinweis der Redaktion: Der Text wurde wegen möglicher misszuverstehender Interpretation geringfügig geändert.

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