„Übertreib es nicht“, ruft mir Kurt Riffel noch hinterher, als ich sein Haus in Karlsdorf verlasse. Na prima. Es gibt kaum einen Kunstschaffenden in der Region, der sich über Jahrzehnte hinweg in so vielen verschiedenen Stilen und Techniken bewegt und dabei ein permanent hohes Niveau beweist.
Der Begriff „Multitalent“ oder „Universalgenie“ wäre durchaus berechtigt. Aber Kurt Riffel will das nicht. Kein fantasievoller Künstlername, keine abgedrehten Inszenierungen: der Mann ist authentisch und bodenständig bescheiden. Fragt man nach biographischen Eckdaten, verweist er eher ausweichend auf die ein oder andere Vita seiner Buchveröffentlichungen – anstatt sich mit vermeintlichen Nebensächlichkeiten um seine Person aufzuhalten lässt er lieber seine Werke sprechen. Beim Blick in sein Atelier wird die Bandbreite seines Schaffens deutlich: Ein Aquarell zeigt einen verträumten Clown, eine Kohlezeichnung gibt einen gesichtslosen Akt wieder, Hiob leidet auf einem Linoldruck, ein alter Mann raucht in einer Radierung Pfeife, Landschaften leuchten in Öl oder Acryl.
Fragt man ihn, ob die Holzskulpturen am Treppenaufgang auch von ihm sind, kommt ein beiläufiges „Jaja, das gehört auch dazu.“ Gehört zu was: zur Sammlung? Nein, zu seinem Wesen, seinem Leben. Geboren wurde Kurt Riffel 1932 in Karlsdorf. Bereits mit fünf Jahren griff er zum Stift, als er in der Schulfibel seiner Schwester Illustrationen entdeckte. Während seiner Gymnasialzeit am Bruchsaler JKG beschäftigte er sich mit Aquarellmalerei und hatte einen ersten Erfolg: Sein Bild der Karlsdorfer Pfarrkirche St. Jakobus wurde zur Versteigerung angenommen, um neue Kirchenglocken zu finanzieren. Später studierte er an der Pädagogischen Hochschule in Karlsruhe Bildende Kunst bei Professor Ludwig Rumpelhardt, war Gasthörer an der Staatlichen Kunstakademie und ließ sich von HAP Grießhaber die Technik des Holzschnitts beibringen. Diese Form sollte zu seiner besonderen Leidenschaft werden: klare Konturen, Beschränkung auf das Wesentliche – eine Botschaft schwarz auf weiß. Und dennoch erkennt man trotz der markanten Linienführung feinfühlige Emotionen in den Gesichtern, Licht und Schatten kämpfen um Raum.
Schätze der Vergangenheit
Jeder Arbeitsschritt besiegelt ein Stück Endgültigkeit – was herausgenommen wurde, kann nicht mehr eingefügt werden, Fehler lassen sich nicht wie bei einem Gemälde mit der nächsten Schicht Farbe kaschieren. Zudem muss er beim Holzschnitt wie auch bei der Radierung seitenverkehrt denken, da erst der Druck das richtige Bild entstehen lässt. Gute Vorbereitung ist so notwendig wie das richtige Werkzeug, wobei Riffel erstaunliche Prioritäten setzt: „Man braucht einen schönen Papierkorb. Wenn ein Entwurf nicht gleich überzeugt – weg damit!“ Oft greift er biblische Themen auf und nimmt die Kritiker nicht allzu ernst, die vom „Problemkreis Kunst im Sakralbereich“ sprechen. Wenn es auch sein Beruf war, an verschiedenen Schulen Deutsch, Biologie und Kunst zu unterrichten, so war die Kunst seine Berufung.
Als Gründungsmitglied und mittlerweile Ehrenmitglied des Kunstkreises Karlsdorf-Neuthard hat er zahlreiche Künstler ausgebildet, inspiriert und gefördert. „Sie haben mit ihrer Kunst permanente Spuren im Orstbild hinterlassen“ bestätigte Bürgermeister Sven Weigt bei der Verleihung des Ehrenzeichens der Gemeinde Karlsdorf-Neuthard. Damit spielte er auch auf die zahlreichen Wandgemälde an, die an vielen Außenfassaden im Ort zu sehen sind. Auch beim Bühnenbild zum Ortsjubiläum hat Kurt Riffel federführend mitgewirkt. So manches Wohnzimmer ziert eine gerahmte Zeichnung einer alten Dorfansicht, etwa der längst nicht mehr vorhandene Mühlenteich. Er hält somit auch die Vergangenheit lebendig – aber wenn man behauptet, er betreibt mit seiner Kunst eine Art Zeitmaschine, würde er sagen: „Jetzt übertreibst du aber wirklich!“
Text: & Bilder: Armin Herberger