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WILLI-Reportage | Altern, Pflege, Sterben – Kommt das Beste tatsächlich zum Schluss?

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Alt sein ist nichts für Feiglinge und spielt sich meist nicht wie in manchen Komödien dargestellt ab, wo Todkranke noch einmal ordentlich über die Stränge schlagen und auf den Putz hauen.

Sicherlich ist es eine gesellschaftliche Errungenschaft, dass viele von uns lange leben (werden) und sich dabei oft (noch) guter Gesundheit erfreuen. Aber eben nicht alle trifft der Tod danach aus heiterem Himmel. Nein, einigen Betagten stehen manchmal Jahre von schwer ertragbaren Mühen, Leid und Einsamkeit bevor.

Der Umgang mit manchen unserer Hochbetagten erinnert selbst führende Vertreter von Sozialverbänden bisweilen an folgenden Witz: Eine ältere, gebrechliche Dame bekommt Besuch vom Enkel, der ihr bei einigen Verrichtungen hilft, und die Dame fragt: „Kann ich mich irgendwie nützlich machen?“. Worauf der Enkel antwortet: „Oma, denk doch nicht immer gleich ans Sterben!“.

Dabei leisten viele Mitbürger ehrenamtlich Großartiges, um Menschen im Alter zur Seite zu stehen. Die „Senioren in Forst engagieren sich“ oder die „Nachbarschaftshilfe Obergrombach“, um nur zwei der vielfältigen Initiativen in unserem Landkreis zu nennen, erleichtern den Alltag älterer Menschen immens.

Neben dem oft jahrelangen Einsatz von Familienangehörigen wird für die Betagten auch von offizieller Seite viel getan; angefangen von den Pflegestützpunkten, der häuslichen und ambulanten Pflege, wo das Engagement unzähliger Mitarbeiter dafür sorgt, dass der wenig geliebte und teure stationäre Heimaufenthalt aufgeschoben oder bestenfalls gar gänzlich unnötig wird.

Dennoch ist aber ein weiterer, flächendeckender, dezentraler Ausbau der gesamten Pflegeinfrastruktur wohl unabdingbar. Nach Schätzungen des Landkreises Karlsruhe werden gemäß des Kreispflegeplans bis 2030 knapp 20.000 Personen pflegebedürftig sein und über 5.000 Plätze in Heimen benötigt werden. Auch das Betreute Wohnen und die Hospizplätze müssen erweitert werden. Die Aufgaben sind zu vielfältig, als dass sie hier alle aufgezählt werden könnten. Aber unzweifelhaft leistet jeder, der sich in diesen Bereichen engagiert, einen essentiellen Beitrag in Zeiten des schwierigen demographischen Wandels.

Landkreisweit 20.000 Pflegebedürftige im Jahr 2030

Dass hier aber auch Versäumnisse vorliegen, ist offensichtlich. Denn es ist schon heute ein Skandal, dass Menschen auf ewig langen Wartelisten flehentlich auf Unterkünfte im Betreuten Wohnen warten. Hier könnten wir als Gesellschaft Vorbild für die Welt sein, aber derartige Anliegen scheinen der großen Politik zu kleinteilig und wenig schlagzeilenträchtig. Wie wäre es, statt täglich die Welt zu retten, vor der eigenen Haustür erst einmal schlicht genügend altersgerechte Wohnungen zu schaffen?

Wirklich Bedürftige haben nun aber einmal fast keine Lobby! Zwar gilt das nicht nur für Alte, aber es ist eben schwer vorstellbar, dass sich diese Menschen schnell mal übers Internet vernetzen oder sich massenhaft zur Demo aufmachen, wo sie lautstark ihre Interessen vertreten!

In der größten Einrichtung für ältere Menschen in Bruchsal, dem Evangelischen Altenheim, wohnen knapp 300 Personen, rund 240 davon in der stationären Pflege, weitere 50 im Betreuten Wohnen. Durchschnittlich sind die Betreuten der stationären Pflege knapp 84 Jahre alt, ihre durchschnittliche Verweildauer im Haus beträgt rund 30 Monate. Fast einhundert Bewohner versterben alljährlich allein in dieser Einrichtung, was einem Viertel der Sterbefälle Bruchsaler Einwohner und über zehn Prozent aller Todesfälle in Bruchsal entspricht.

Wie schwierig die Lage ist, zeigt sich (nicht nur) im Bereich der stationären Pflege. Viele Heime sind personell unterbesetzt und die Vergütung ist teilweise verbesserungswürdig. Beides sorgt zwangsläufig für Frust bei Betreuern und Pflegebedürftigen. Oft bleibt allen Beteiligten nichts anderes übrig, als das Beste aus der Situation zu machen.

Beamte und Politiker sind zusätzlich abgesichert

Zwei Drittel der Pflegebedürftigen kommen übrigens für ihren Eigenanteil an den Kosten der stationären Pflege selbst auf! Diese Kosten steigen derzeit unablässig und erreichen in Bruchsaler Heimen teilweise an die € 3.500. Auch dies scheint die Politik kaum zu interessieren.

Und munter wird selbst in der Lokalpresse die Meinung vertreten, dass dies alles schon seine Richtigkeit hätte und selbst der vollständige Verlust alles Erspartem in diesem Falle völlig akzeptabel sei. Nun ja, man könnte sich natürlich fragen, weshalb dies gerade für das Lebensrisiko der Pflege gelten soll und warum es dann zusätzlicher Absicherungen für Politiker und Beamte bedarf, die diese Personen von finanziellem Unbill auf Kosten der Allgemeinheit in beträchtlichen Teilen absichert. Ebenso ist nicht klar, weshalb die, die keinerlei finanzielle Vorsorge betreiben oder rechtzeitig vererben, vollständig vom Steuerzahler aufgefangen werden.

Übrigens: Hat jemand schon einmal darüber nachgedacht, weshalb Pflegepersonal im Gegensatz zu Lehrern in Baden-Württemberg kein Beamtenstatus zusteht? Stichhaltige Begründungen lassen sich hierfür wohl kaum finden.

Wer aber gegen eine Abschaffung dieses Sonderstatus für Lehrkräfte ist, sollte sich fragen, ob die Beschulung von 18-jährigen Gymnasialschülern gesellschaftlich wert- und verantwortungsvoller ist als die aufopferungsvolle Fürsorge für demente Pflegebedürftige. Wer einmal das flehentliche „Bitte hilf mir doch“ oder „Wann darf ich heim?“ vernommen hat, weiß, mit welch schwierigen Aufgaben Mitarbeiter und Angehörige konfrontiert sind.

Text: Hubert Hieke

Aus RegioMagazin WILLI 10/2023

 

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