RAINwurf 05 | „Was muss alles noch passieren, bis Ihr es kapiert?“ (Archiv 2021)

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25.11.2021 | Der Gast-Kommentar beim Landfunker. Von Rainer Kaufmann.

„Was muss alles noch passieren, bis Ihr es kapiert?“ Das hat unser aller Noch-Bundesgesundheitsminister mit dramatischem Gestus erklärt und es dann noch mit der provokanten Prophezeiung fürs nächste Jahr garniert: „Geimpft. Genesen. Gestorben“. Ja, seit Tagen beherrscht das Thema Vierte Welle das politische Geschehen in Deutschland, in einigen Bundesländern wird gerade über einen Teil-Lockdown nachgedacht oder dieser bereits umgesetzt. 

Das grüne Bändel der Sorglosigkeit

In unserer Stadt scheint das allerdings noch niemanden besonders aufzuregen. Im Gegenteil, man ist geradezu stolz darauf, einen der wenigen Weihnachtsmärkte in der Region anzubieten und vertraut darauf, dass alle Buden-Betreiber ihre Kunden nach einem grünen Bändel der Sorglosigkeit absuchen oder diesen eben vergeben, sollte das noch nicht geschehen sein. Und dies nur nach vorheriger Prüfung des Impfstatus der Glühwein- und Bratwurst-Freunde an einem dementsprechenden Stand. Wie effektiv das wirklich geschehen soll, kann kaum jemand schlüssig erklären.

Hat denn niemand vorhergesehen, dass dies ohne eine Absperrung des Weihnachtsmarktes und eine öffentlich organisierte Eingangskontrolle kaum zu schaffen war? Die privat-wirtschaftlichen „Security“-Kontrollen, die da ihre Streifen abliefen, waren dazu nicht in der Lage. Und das Auseinanderzerren des Weihnachtsmarktes in eine Weihnachtsstadt war von Anfang an nicht viel mehr als Buden-Kosmetik, eine kaum durchdachte obendrein. Und das zu Lasten der Beschicker des Weihnachtsmarktes, denen man die Last der Kontrolle auferlegte. Die ersten wollten ihre Stände ja nach ein paar Tagen schon wieder abbauen. Brusl leuchtet, ein ebenso notwendiges Event in diesen Tagen, soll aber erst noch abgewickelt werden.

Wenig Interesse am Distanz-Smalltalk

Ein anderes Beispiel: Nach der Vorstellung des Buches über die Grabungen zur Michaelsberger Kultur in Bruchsal gab die Stadt Bruchsal als Gastgeberin einen Getränke-Empfang. Während der Buch-Präsentation galt für die knapp 80 anwesenden Geschichts-Interessenten aus Nah und Fern Maskenpflicht und Distanz-Gebot in den Stuhlreihen. Wie letzteres beim anschließenden Umtrunk allerdings umgesetzt werden konnte, ist mehr als fraglich. Viele der Corona-besorgten Gäste haben das Bürgerzentrum jedenfalls schleunigst verlassen und haben die Einladung der oberen Repräsentanten der Stadt zum Distanz-Small-Talk mit Mineralwasser schnöde ausgeschlagen. Ob es den Verantwortlichen aufgefallen ist?

Oder: Bei der Eröffnung der Bahn-Querung musste ein einstündiges Selbstbespiegelungs-Programm der versammelten öffentlichen und privaten Bauherren und –frauen mit Reden, Hip-Hop-Tanz und Live-Musik abgespult werden und dies in einer kaum belüfteten Unterführung, in der ebenfalls niemand eine angemessene Abstandsregelung hat überprüfen und durchsetzen wollen. Man/frau war ja unter sich …

Bestimmte Selbstdarstellungstermine sind online nicht darstellbar

Fragen muss man sich angesichts der Warnungen von Gesundheitsexperten allerorten auch, ob in dieser Situation „Jahrespresse-Gespräche“ im Präsenz-Format noch notwendig sind oder ob dies auch online ginge, auch wenn da die „emotionale Nähe“ nicht darstellbar sei. Damit wurde das Präsenz-Format dieser Pressekonferenz wirklich begründet.

Wer, bitte, braucht bei einer solchen Veranstaltung „emotionale Nähe“? „Brusl babbeld“ wird zwar schulterklopfend wieder aus der Versenkung geholt. Für ganz bestimmte Selbstdarstellungstermine gilt dies offenbar nicht.

Auch nicht für Gemeinderatssitzungen, in denen u.a. die „Neuausrichtung und Evaluierung des Stadtmarketings“ auf der Tagesordnung steht. Ein aktuell wirklich wichtiges Thema der Kommunalpolitik, das selbstredend keinen Aufschub verkraftet, droht doch durch Corona-Einschränkungen ein nahezu völliges Erliegen von Werbeveranstaltungen.

Am Limit angelangt

Haben sich die, die für diese öffentliche Veranstaltungen verantwortlich sind, eigentlich auf den Intensiv-Stationen der Kliniken in der Region umgesehen? Die sind am Limit angelangt, erste Intensiv-Patienten müssen bereits ausgeflogen werden. Wo bleibt da die Vorbild-Funktion und Verantwortung der öffentlichen Verwaltung? Wäre das nicht ein wichtiger Tagesordnungspunkt für die nächste Gemeinderatssitzung? Wegschauen oder demonstratives Fernbleiben reichen nicht mehr, meine Damen und Herren vom Gemeinderat.

Noch einmal O-Ton Jens Spahn: „Was muss eigentlich noch passieren, damit Ihr es kapiert?“

Rainer Kaufmann

 

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