OB Cornelia Petzold-Schick; Bürgermeister Andreas Glaser; Ricarda Lang, Bundesvorsitzende der Grünen (v.l.)

Grünen-Chefin Ricarda Lang besucht Flüchtlingsunterkünfte in Bruchsal

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9.11.23 | Dass in der Flüchtlingspolitik die Hütte lichterloh brennt und alle Parteien der sogenannten demokratischen Mitte, zu der sich auch die Grünen zählen, eine Höllenangst vor den Wählervoten bei der Europawahl und den Landtagswahlen im Osten Deutschlands im nächsten Jahr haben, ist im politischen Berlin keine Neuigkeit. Nicht nur vor der AfD besteht Fracksausen, nein auch vor Wagenknechts Neuformierung hat man gehörigen Respekt. Und besonders den Grünen weht der Wind zunehmend ins Gesicht.

Von Hubert Hieke, Bruchsal

Da kam es der Bundesvorsitzenden der Grünen Ricarda Lang vielleicht durchaus gelegen, mit der Neu-Grünen Bruchsaler Oberbürgermeisterin Bruchsals Cornelia Petzold-Schick auf eher freundlichem bis heimischem Territorium recht kurzfristig einen Besuch von Flüchtlingsheimen zu vereinbaren und sich letzten Samstag vor Ort über die Flüchtlingsunterbringung in Bruchsal zu informieren.

Innerhalb von zwei Stunden ließ sich Lang im Schnelldurchlauf vier Unterkünfte in Heidelsheim, Büchenau und der Kernstadt zeigen, um danach vor der fünften Station, der Containerunterkunft in den Stegwiesen eine Pressekonferenz abzuhalten. Und tatsächlich traf die Grünen-Chefin bei recht trübem, nasskaltem Wetter dort fast pünktlich ein. Nur wenige Sicherheitskräfte waren zugegen und allein die Oberbürgermeisterin und der Bürgermeister Andreas Glaser konnten mit getönten Brillen aufwarten.

Die Flüchtlingsunterkunft Bruchsal Stegwiesen/Zeiloch

Kapazitäten am Limit

Schon beim Eingangsstatement von Petzold-Schick standen dunkle Wolken am Himmel und eine lautstarke Motorsäge im Hintergrund untermalte die Ausführungen der Oberbürgermeisterin. Petzold-Schick unterstrich die vielfältigen, unterschiedlichen Herausforderungen, insbesondere bei der Betreuung von Flüchtlingen und betonte die dezentralen Integrationsleistungen seitens der Kommune. Bestimmt, aber in kollegialem Ton, zeigten Petzold-Schick und Glaser auf, dass die Situation vor Ort schwierig sei, die Kapazitäten am Limit und die Bemühungen der ehrenamtlichen Helfer nicht unendlich dehnbar. Dennoch schien man optimistisch, die gegenwärtige Situation zu meistern.

Lang zeigte sich für die Anliegen der Oberbürgermeisterin und des Bürgermeisters durchaus offen und versprach, einige dieser Aspekte nach Berlin zu den anstehenden Verhandlungen mitzunehmen. Sie bedankte sich herzlich für den umfassenden Überblick und betonte ihrerseits drei Punkte, die allerdings teilweise von nun stärker einsetzendem Wind, leichtem Regen und dem Lärm hinweggetragen und überlagert wurden.

Erstens, so Lang, solle der Bund die Kommunen entlasten, das Management vor Ort vereinfachen und für Bürokratieabbau und Digitalisierung in diesen Bereichen sorgen. Zweitens gilt es laut Lang, in die soziale Infrastruktur zu investieren, denn die Migrationsproblematik zeige wie in einem Brennglas die generellen Versäumnisse im sozialen Wohnungsbau oder der Personalausstattung in Kitas und Schulen auf. Manche gut integrierte Migranten hätten laut Lang einen Job, fänden aber keine Wohnung. Drittens müsse man aber darauf hinweisen, dass es keine einfachen Lösungen gäbe. Vielmehr sei ein differenzierter Blick auf die Herausforderungen nötig.

Erwartbar blieben ihre Antworten auf kritischere Fragen, etwa ob man von der Migrationspolitik der Niederlande, die abgelehnten Asylbewerbern ohne Bleiberecht die Sozialleistungen streichen, lernen könne oder ob es richtig sei, dass Asylbewerber wiederholt Anträge mit dem einzigen Ziel stellen könnten, Leistungen zu erhalten, eher nebulös. Nein, meinte Lang, man wolle die Sozialleistungen nicht reduzieren. Vereinbarungen mit Drittstaaten seien anzustreben und die Asylverfahren deutlich zu beschleunigen. Den Grünen gehe es um Humanität und Ordnung.

Dabei war es sicherlich auch dem einsetzenden Regen geschuldet, dass die Antworten nicht langatmig, sondern eher knapp ausfielen. Minuten später wäre die Veranstaltung vielleicht ins Wasser gefallen, denn an Wetterschutz oder stabile Schirme hatte man in der Eile dann doch nicht gedacht.

Was bleibt von derartigen Terminen bei den Verantwortlichen hängen, fragt sich der Beobachter?

Möglicherweise etwas mehr als auf den ersten Blick erwartet, sind diese lokalen Informationsveranstaltungen doch vielleicht tatsächlich sinnvoller als manches, mit viel Brimborium organisierte Medienspektakel. Zwar war die Oberbürgermeisterin verständlicherweise doch leicht angespannt, Lang war hingegen gelassen, nahbar und mit großer Ernsthaftigkeit.

Kein Gendern in Bruchsal

Und offensichtlich hatte sie angesichts fehlender nationaler Pressepräsenz manchen Schalter umgelegt und schien nicht jedes ihrer Worte auf die Goldwaage zu legen. So bedankte sie sich tatsächlich bei den Akteuren, Heimleitern, Mitarbeitern und Ehrenamtlichen! Nie würde eine Vorsitzende der Grünen wohl Derartiges in Berlin über die Lippen kommen. Dort wäre sie sicherlich in gendersensitive Wortklauberei verfallen. In Bruchsal trat Lang aber unbefangen auf und egal, wie man ihre Ausführungen in der Substanz bewertet, sie schien sich im lokalen Umfeld wohlzufühlen. In Berlin hätte sie hingegen wohl Schiffbruch erlitten.

Und allein einem anwesenden Fotografen war es zu verdanken, dass sich die Protagonisten noch für ein Fotoshooting positionierten und sich im Small-Talk versuchten.

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