Gasthaus zum Bären um 1930

„Zum Bären“: Eine Geschichte von Freiheit, Wandel und Warteschleifen

Lass das deine Freunde wissen!

Icon-Stadtmagazin WILLI

Das Gasthaus „Zum Bären“, eine traditionsreiche Gaststätte in Bruchsal, steht seit über zwei Jahren leer. Das Gebäude gehört zum Schlossensemble und fällt in die Zuständigkeit des Landesamts für Vermögen und Bau B-W. Trotz seiner historischen und kulturellen Bedeutung konnte bislang keine Entscheidung über eine Sanierung oder künftige Nutzung getroffen werden.

Eine Sanierung durch das Land selbst wurde nach Prüfung aufgrund von Kosten im mittleren einstelligen Millionenbereich ausgeschlossen. Die ungewisse Zukunft des Gebäudes sorgt in der Bevölkerung und bei Politikern für Unmut. Vorschläge reichen von einem Verkauf an Investoren bis hin zu einer Nutzung durch die Staatlichen Schlösser und Gärten für Tagungen und Veranstaltungen.

Die Gaststätte „Zum Bären“ hat eine wechselvolle Geschichte, die eng mit der Demokratiebewegung in Baden und der Revolution von 1849 verknüpft ist und für Bruchsal daher keineswegs unbedeutend ist.

Das traditionsreiche Gasthaus „Zum Bären“ befindet sich am Damianstor, unweit des ehemaligen Zuchthauses. Ursprünglich war im 18. Jahrhundert ein Gasthaus „Zum schwarzen Bären“ in der Kaiserstraße, damals Hauptmarktstraße, ansässig. Seit 1768 existierte es dort, bis es 1849 an Kaufmann Anton Bopp verkauft wurde.
1855 wurde der Name „Gasthaus zum Bären“ an Heinrich Hetterich übertragen.

Hetterich hatte bereits 1839 mit seinem Bruder ein Haus in der Schönbornstraße, vor dem Damianstor errichtet. 1841 erhielten sie die Wirtschaftserlaubnis.
Das Hetterich`sche Bierhaus war einer der Treffpunkte des Bruchsaler Volksvereins und Heinrich Hetterich war einer der Hauptinitiatoren des Aufruhrs in Bruchsal, der am 13. Mai 1849 zur Befreiung der politischen Gefangenen aus dem Bruchsaler Zuchthaus führte.

Gebäude erbaut 1840 von Gemeinderat Heinrich Hetterich und seinem Bruder Balthasar.

Nach der Niederlage der Revolution wurde er wegen Hochverrats angeklagt, zu einer 10-jährigen Freiheitsstrafe verurteilt und in das benachbarte Zuchthaus eingeliefert. Aus Angst vor weiteren Unruhen in Bruchsal ließ ihn der Zuchthausverwalter nach Freiburg verlegen. 1853 wurde er begnadigt.

Es ist wohl davon auszugehen, dass Hetterich zwei Jahre nach seiner Begnadigung den neuen Namen „Gasthaus zum Bären“ für sein Wirtshaus vor allem deshalb annahm, damit er in Zeiten der preußischen Reaktion die wahre Geschichte seines Bierhauses in der Schönbornstraße wenigstens etwas verheimlichen konnte.

Historische Dokumentationen zur Rolle des „Bären“ als demokratischer Treffpunkt sind unvollständig. Während der NS-Zeit und in der Nachkriegszeit wurde das Gebäude eher konservativ geprägt, was die revolutionäre Vergangenheit lange in den Hintergrund rückte.
Die Rolle des „Hetterich’schen Bierhauses“ als Zentrum der demokratischen Bewegung wird in der offiziellen Stadtgeschichte kaum gewürdigt. Stattdessen liegt der Fokus auf seiner späteren Funktion als Treffpunkt von Juristen in den 1950er Jahren.

1842 wurde eine Brauerei errichtet und ein Brauereiausschank, welcher bis 1855 unter dem Namen „Hetterich‘sches Brauhaus firmierte

Die Geschichte des Gasthauses steht exemplarisch für die politische Politisierung der Bevölkerung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Mit der Verankerung im Schlossensemble könnte das Gebäude als Symbol für die demokratische Tradition und die Badische Revolution hervorgehoben werden. Rainer Kaufmann, Stadtführer und Experte für Demokratiegeschichte schlägt vor, das Gasthaus als Ort der Demokratiegeschichte neu zu beleben, dies würde nicht nur den touristischen Wert Bruchsals erhöhen, sondern auch eine wichtige historische Lücke schließen.
„Ein Vorschlag für die zukünftige Nutzung des „Bären“ wäre, es als historisches Gasthaus neu zu beleben, das die demokratischen Entwicklungen in Bruchsal thematisiert. Ein „Hetterich’scher Bierkeller“ und ein dazugehöriger Biergarten könnten nicht nur an die revolutionäre Vergangenheit erinnern, sondern auch als Anlaufstelle auf der „Route der Demokratiegeschichte“ dienen“, so Kaufmann. Dieses Konzept würde das touristische Profil der Stadt erweitern und das Barockschloss um eine bedeutende historische Perspektive ergänzen.

Der Förderverein „Demokratiegeschichte Bruchsal“ wäre laut Kaufmann dazu bereit, dieses Projekt mitzugestalten, sowohl inhaltlich als auch organisatorisch. Es bleibt zu hoffen, dass Bruchsal verstärkt den Fokus auf demokratische Errungenschaften legt, sei es durch eine kritischere Auseinandersetzung mit der lokalen Geschichtsschreibung oder durch die Würdigung von Vorkämpfern der Demokratie in der Stadt.

Die Diskussion um die Zukunft des „Bären“ ist ein Balanceakt zwischen finanziellen Realitäten, historischen Verpflichtungen und den Erwartungen der Bruchsaler Bevölkerung.

Die Verbindung von Gastronomie mit einem historischen Konzept, das die demokratische Vergangenheit des Hauses würdigt, könnte eine nachhaltige und zukunftsweisende Lösung darstellen. Die nächsten Schritte hängen nun von den Verhandlungen mit Investoren und der politischen Willensbildung auf Landes- und Stadtebene ab.

Aus RegioMagazin WILLI 01/2025

Lass das deine Freunde wissen!

Was war? Was kommt?

Nicht täglich auf dem Landfunker? Verstehen wir 🙂
Abonniere den Wochenend-Newsletter, dann wirst du 1x pro Woche
informiert und erfährst alles Wichtige zum Wochenende!

Der Landfunker-Wochenend-Newsletter: Bei Nichtgefallen jederzeit mit einem Klick kündbar!

Siehe auch

Ein Gigant der Region tritt ab: Johann Soder

Bruchsal, Graben-Neudorf, 31.12.2024 | Kennen Sie Johann Soder? Wer ist das, werden Sie vielleicht denken? …

Consent Management Platform von Real Cookie Banner