Nicht nur bei Partei- oder Persönlichkeitswahlen ist Ihre Stimme wichtig – auch bei konkreten Sachfragen wie der Windkraft im Bruchsaler Stadtwald ist es ein Privileg, überhaupt mitentscheiden zu dürfen. Wenn Sie noch unschlüssig sind, hilft Ihnen vielleicht unsere Gegenüberstellung der wichtigsten Argumente.
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BRUCHSAL, 08.12.2025 | Am 14. Dezember entscheiden die Bruchsaler Bürgerinnen und Bürger, ob die Stadt ihre Waldflächen im „Großen Wald“ zwischen Obergrombach und Helmsheim für den Windpark „Bruchsal Süd“ weiter zur Verfügung stellen darf – oder ob sie aus dem Projekt aussteigen soll.
Worum geht es genau beim Bürgerentscheid?
Formal stimmen die Bruchsalerinnen und Bruchsaler über eine juristisch sperrige Frage ab: Ob die Stadt einen Pooling- und Gestattungsvertrag für Windkraftanlagen im kommunalen Waldteil des Potenzialgebiets „Bruchsal Süd“ abschließen darf. Vereinfacht heißt das: Ein „Nein“ befürwortet die Verpachtung städtischer Waldflächen im geplanten Windpark, ein „Nein“ richtet sich gegen.
Die Grundsatzfrage „Windkraft ja oder nein?“ steht damit nicht zur Abstimmung. Es geht darum, ob die Stadt Bruchsal selbst Flächen einbringt, mitreden und Pacht einnehmen kann – oder ob sie sich aus dem Projekt zurückzieht und eventuelle Anlagen ausschließlich auf Privatgrund entstehen.
Windräder werden kommen, es ist keine Frage des „Ob?“, sondern des „Wie?“
Betroffen ist nicht das gesamte Vorranggebiet „WE_13 Großer Wald“, sondern ein Teil südlich von Obergrombach und Helmsheim. Geplant sind insgesamt sieben Windräder, davon vier auf Stadtwald, drei auf privaten Flächen. Der Bürgerentscheid betrifft nur die kommunalen Grundstücke; auf private Verträge hat er keinen direkten Einfluss.
Windverhältnisse im Kraichgau-Höhenzug
Meteorologisch liegen Bruchsal-Süd, der Kraichtaler Oberwald und die Schwarzwald-Randhöhen bei Straubenhardt in einer vergleichbaren Westwindschneise. Messungen auf 140 Metern Höhe zeigen mittlere Jahresgeschwindigkeiten um 6 m/s – ausreichend für Anlagen der 6-MW-Klasse. Der Regionalverband Mittlerer Oberrhein hat deshalb alle drei Gebiete als Vorrangflächen ausgewiesen.
So argumentieren Befürworter und Gegner
Das Bündnis „Team Zukunft Bruchsal“, unterstützt von Gemeinderatsfraktionen von SPD, Freien Wählern, FDP, Grünen und einzelnen CDU-Räten, wirbt für ein „Nein“ auf dem Stimmzettel – also dafür, dass die Stadt ihre Flächen im Windpark „Bruchsal Süd“ weiter verpachten darf. Ihr Kernargument: Der Windpark sei ein Baustein der regionalen Energiewende, biete sauberen Strom und sichere Einnahmen für die ganze Stadtgesellschaft.
Die Stadt verweist auf den Windatlas Baden-Württemberg, der für Bruchsal in 160 Metern Höhe meist 250 bis 310 Watt pro Quadratmeter ausweist – Werte, die als ausreichend für wirtschaftlichen Betrieb gelten. Damit widerspricht sie der These, im Kraichgau wehe „zu wenig Wind“ für moderne Anlagen.
Für die Befürworter ist zudem entscheidend, dass das gesamte Gebiet bereits als Vorrangfläche für Windenergie ausgewiesen ist. Selbst wenn die Stadt aus dem Projekt aussteigen müsste, könnten auf privaten Flächen im gleichen Gebiet voraussichtlich drei bis sieben Anlagen entstehen – dann jedoch ohne Einfluss der Kommune auf genaue Standorte, Naturschutzauflagen oder Bürgerbeteiligung.
Mit einer Beteiligung der Stadt flössen jährliche Pachtzahlungen in den Haushalt, geschätzt im hohen sechsstelligen bis niedrigen siebenstelligen Bereich, je nach Ausgestaltung aller Bruchsaler Windparks. Dieses Geld könne in Schulen, Klimaschutz oder soziale Angebote investiert werden, statt in erster Linie privaten Grundeigentümerinnen und -eigentümern zugutezukommen.
Ökologisch argumentieren die Ja-Abstimmer mit der Klimabilanz: Nur ein sehr kleiner Teil des Bruchsaler Waldes – nach städtischen Angaben deutlich unter einem Prozent – wäre dauerhaft für Fundamente und Wege betroffen. Gleichzeitig könnten die Anlagen über ihre Laufzeit ein Vielfaches an CO₂ einsparen, verglichen mit der Menge, die der gerodete Wald gebunden hätte. Klimaschutz sei langfristig auch Waldschutz, weil Hitze und Trockenheit den Bestand stärker bedrohten als einzelne Windräder.
Die Bürgerinitiative „Kein Windrad im Wald“, unterstützt unter anderem von der Partei WerteUnion, wirbt für ein „Ja“ beim Bürgerentscheid – gemeint ist ein Nein zu Windrädern im Bruchsaler Stadtwald. Ihre zentrale Botschaft: Der Süden Bruchsals sei waldarm und ökologisch sensibel, zusätzliche Rodungen würden ein bereits belastetes Gebiet treffen.
Die Initiative verweist auf Gutachten, nach denen es sich um einen vitalen Mischwald mit alten Eichen und Buchen handeln soll. Diese Wälder speicherten viel CO₂, stabilisierten Böden und Wasserhaushalt und dienten als wichtiger Lebensraum für Tiere – Funktionen, die sich nach großflächigen Verdichtungen und Schneisen nur schwer wiederherstellen ließen. Bodenverdichtung durch Baustellen, dauerhaft offene Kabeltrassen und neue Wege seien kaum vollständig rückgängig zu machen.
Hinzu komme der Landschaftsaspekt: Die geplanten Anlagen mit knapp 250 bis 290 Metern Gesamthöhe würden das bisher geschlossene Waldbild am Rand der Rheinebene sichtbar verändern. Kritiker sprechen von einem „Industriegebiet im Wald“ und sorgen sich um Naherholung, Ruhe und Artenschutz – etwa für Fledermäuse und Vögel.
Auf der wirtschaftlichen Seite bezweifeln Gegner, dass sich Windräder im Kraichgau wirklich lohnen. Sie verweisen auf Analysen, wonach die Windhöffigkeit in Teilen des Raums nur mäßig sei und Prognosen zu optimistisch ausfallen könnten, sowie auf Beispiele von Anlagen mit geringerer Rendite als ursprünglich erwartet.
Politisch kritisieren die Nein-Sager die enge Kopplung von Energiewende, Stadthaushalt und Wald: Die Stadt argumentiere mit hohen Pachteinnahmen von bis zu rund einer Million Euro pro Jahr für alle Bruchsaler Windparks zusammen, Gegner sehen darin vor allem den Versuch, Haushaltslöcher mit Naturflächen zu stopfen. Zugleich warnen sie vor einer „Druckkulisse“, wenn mit drohenden Mittelausfällen für soziale Projekte geworben werde.
Blick nach Kraichtal: Die Kraichtaler entschieden sich für „Nein“
Knapp 10 Kilometer entfernt haben die Bürgerinnen und Bürger von Kraichtal im Juli 2025 über eine sehr ähnliche Frage abgestimmt: „Soll die Verpachtung von Flächen im Eigentum der Stadt Kraichtal an Windanlagenbetreiber/-investoren unterbleiben?“ Eine Mehrheit von rund 62 Prozent kreuzte „Nein“ an – damit darf die Stadt ihre Waldflächen für Windkraft verpachten und Einnahmen daraus erzielen.
Die Argumentationslinien glichen denen in Bruchsal: Gegner warnten vor Waldrodung, Landschaftsbild-Verlust und ungesicherter Wirtschaftlichkeit, Befürworter setzten auf Einnahmen, kommunale Steuerungsmöglichkeiten und einen Beitrag zur Energiewende. Das Ergebnis stärkte dort die Rolle der Stadt als aktive Partnerin von Projektierern – an privaten Flächen wären Vorhaben ohnehin möglich geblieben.

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