Foto: Landfunkerarchiv

Windraddiskussion (4) | Wieviel Strom soll in Bruchsal eigentlich produziert werden?

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Von Gastautor Hubert Hieke, Bruchsal

13.05.23 | In den recht hitzigen Diskussionen um Windräder im Raum Bruchsal machen neben hilfreichen Hinweisen auch verquere Behauptungen seitens der Befürworter und Gegner die Runde. Was allerdings dann doch überrascht: Die kommunal Verantwortlichen sind ebenfalls keineswegs immer frei von der Versuchung, selbst ab und an mit Nebelkerzen zu werfen.

Sicher scheint derzeit in Bruchsal, dass die Oberbürgermeisterin Cornelia Petzold-Schick gewillt ist, Windräder von einer Größenklasse, wie sie bisher kaum in Deutschland gebaut wurden, auf städtischem Gelände errichten zu wollen und dafür auch die Abholzung von Wäldern in Heidelsheim, Helmsheim und Obergrombach als Lösung in Kauf zu nehmen. Die Einnahmen in Millionenhöhe sollen wohl im Stadtsäckel verschwinden (böse Zungen behaupten gar, mit diesen Geldern sollen weiterhin Projekte, wie das hochdefizitäre Schlossfestival subventioniert werden).

Wie steht es um die potentielle Energiegewinnung durch Windkraft in Bruchsal und im Landkreis?

Was wird denn in Bruchsal in Zukunft an Energie verbraucht und erzeugt werden? Lange hat sich nicht nur die Bruchsaler Verwaltung wenig darum gekümmert und man muss die Stadt hier ausdrücklich einmal loben, dass sie nun endlich Zahlen auf den Tisch gelegt hat.

Bis 2040 ist für Bruchsal ein Gesamtenergieverbrauch von 840 Gigawattstunden (GWh) pro Jahr prognostiziert.

Dies geht aus den Zahlen der Planungsbehörde hervor. Strom wird davon rund die Hälfte ausmachen, also geschätzte 420 GWh. Um ein Gefühl für die Werte zu bekommen, mögen hier einige Zahlenvergleiche weiterhelfen, die meist in dieser Art nicht gemacht werden, weil sie weder Befürwortern noch Gegnern erneuerbarer Energien genehm sind, zeigen sie doch viele Grauzonen, die Menschen mit einem Drang zu endgültigen Wahrheiten oft unangenehm sind. Politiker eingeschlossen!

Moderne Windräder sind relativ leistungsfähig und die elf angedachten Bruchsaler Windradriesen könnten laut vergleichbarer Angaben aus EnBW-Publikationen bei guten Winderträgen und sehr großzügig gerechnet, jährlich rund 150 GWh Strom erzeugen.

Hypothetisch gerechnet wäre also mit rund 30 Windradgiganten auf Bruchsaler Gemarkung der Stromhunger der Stadt im Jahre 2040 tatsächlich durch lokale Erzeugung gestillt und Bürger, Industrie und lokale Politik könnten mit dem Energieverbrauch so weitermachen wie bisher (gesetzt den Fall, die Klimaerwärmung macht uns wegen erhöhtem Klimaanlagen-Stromverbrauch nicht einen Strich durch die Rechnung)

Weshalb ein großer Teil dieses Stroms aus Windkraftanlagen im Kraichgau kommen muss, ist nach wie vor strittig.

Die Verwaltung argumentiert in ihren Vorlagen meist, man komme um Bundes- und Landesvorgaben sowieso nicht herum und die Stadt sollte in der Energieversorgung autarker werden. Nicht alle Beobachter sind damit aber einverstanden und wünschen sich von Lokalpolitikern mehr Widerspruch.

 

Der neue Hype nach Energieautarkie auf lokaler Ebene

 

Oft wird dabei seitens der Windenergiebefürworter entgegnet, die regionale Gleichverteilung der Energieproduktion sei nun einmal auch fair! Nun ja, fragen sich wiederum die Kritiker dieses Ansatzes, was war denn in der Vergangenheit mit Fairness? Wollen wir dieses Prinzip auch auf andere Wirtschaftsbereiche übertragen? Sollen sich Firmen wie SEW, Sulzer oder John Deere zukünftig nur noch lokaler Ressourcen bedienen und lokale Märkte beliefern? Sei dies nicht eine geradezu absurde Vorstellung der Abschottung?

Wenn man genauer hinsieht, so erkennt man: Der Landkreis Karlsruhe war lange Zeit in seiner Energieproduktion relativ klimaneutral; ein Fakt, der bei aller Endlagerproblematik auch Atomkraftgegner nicht einfach beiseiteschieben können. Und hat sich jemand daran gestört, als der Landkreis jahrzehntelang den Rest des Landes mit Strom beliefert hat?

Wenn Gleichbehandlung ein Kriterium sein sollte,

so könnten die Bürger des Landkreises auf Jahre ohne Wind- oder Solarkraft auskommen und argumentieren, die anderen seien nun mal gefälligst an der Reihe, Energie zu beschaffen! Denn schaut man wiederum genauer hin, so haben die Atommeiler in Philippsburg über ihre Betriebszeit die gewaltige Summe von 570.000 GWh Strom geliefert. Noch 2018 wurden 18.000 GWh in die Netze eingespeist. Der Landkreis war also ein bedeutender Nettoexporteur von Strom in angrenzende Regionen.

Tausend Windradriesen ersetzen ein AKW wie Philippsburg

Dieser neue Hype nach Energieautarkie auf lokaler Ebene ist manchen daher recht fadenscheinig und eher aus der Not geboren. Denn weit über tausend Windradriesen werden wir in die Landschaft stellen müssen, um die Strommenge eines AKWs zu ersetzen. Und natürlich würden wir auf absehbare Zeit auch dann keine konstante, verlässliche Stromversorgung haben, verließen wir uns alleine auf unsere lokale Energieproduktion. Derartiges behauptet nicht einmal der Energiegigant EnBW, der inzwischen auf den erneuerbaren Zug aufgesprungen ist, sein Management üppig entlohnt, recht große Visionen schmiedet, die Strompreise der Kunden aber leider auf hohem Niveau belässt.

Atomkraft konsumieren, aber nicht produzieren

Selbst kombiniert mit großflächigen Solarenergieanlagen im Raum Bruchsal werden auch in absehbarer Zukunft E-Autos und Staubsauger zeitweise mit französischem Atomstrom betrieben. Alles andere ist blauäugig! Und ob die in einer Million Jahren Lebenden (menschenähnliche Gestalten?) dann tatsächlich auf die Landkreisbewohner Karlsruhes des Jahres 2030 stolz sein werden, die als Atomkraftgegner diesseits des Rheins den Atomstrom nur konsumierten, aber nicht produzierten, sondern aus Frankreich importierten? Darüber lässt sich trefflich streiten.

Was unbestritten ist: Die Windkraftdebatte wird uns erhalten bleiben.

Zum gleichen Thema:

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Was war? Was kommt?

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