Der Schock war groß, als die Diagnose kam: Ein Loch in der Netzhaut bedrohte plötzlich ihr Sehvermögen und musste operativ behandelt werden. Zu diesem Zeitpunkt ahnte Karin S. jedoch noch nicht, dass dieser Eingriff erst der Anfang einer langen Odyssee sein sollte.
Eigentlich hatte sich Karin S. mit ihrer „normalen“ Sehschwäche gut arrangiert. Die 53-jährige trug seit ihrem 12. Lebensjahr eine Brille und setzte über Jahrzehnte auch auf Kontaktlinsen, um ihre Kurzsichtigkeit im Alltag zu korrigieren.
Die häufigsten Augenkrankheiten in Deutschland
Da sich die Sehkraft ihrer beiden Augen im Lauf der Jahre verschlechterte und allmählich eine sehr stark unterschiedliche Fehlsichtigkeiten (rechts: -4,25 Dioptrien; links: -2,5 Dioptrien) entwickelten, wurde das räumliche Sehen immer schwieriger. Diese sogenannte Anisometropie war irgendwann derart kräftig ausgeprägt, dass sich durch eine Brille alleine das Problem nicht mehr lösen lies. Als dann auch noch die Alterssichtigkeit hinzukam, war das Chaos perfekt.
Mit vier verschiedenen Brillen versuchte Karin den Alltag zu bewältigen. Eine reine Lesebrille für die Nähe, eine Bildschirmbrille für den Arbeitsplatz, eine Gleitsichtbrille für das „normale“ Leben. Das räumliche Sehen klappte mit keiner der Brillen, Kontaktlinsen vertrug sie nicht mehr, was beim Sport ziemlich hinderlich war. Natürlich benötigte sie auch noch eine Sonnenbrille mit Sehstärke, das war alles ziemlich teuer.
Als ein Loch in der Netzhaut des rechten Auges diagnostiziert wurde, war die inzwischen 53-jährige fast am verzweifeln. Der Arzt sagte ihr, dass eine Netzhautablösung und grauer Star nun auch noch die Sehkraft bedrohen könnten. Da das Augenlicht fast das höchste Gut ist, über das der Mensch verfügt, willigte Karin in alle vom Augenspezialisten vorgeschlagenen operativen Behandlungen ein.
Sehvermögen von 30 Prozent
Das Loch in der Netzhaut wurde bei einer Operation geschlossen. Zu diesem Zeitpunkt verfügte das betroffene Auge nur noch über ein Sehvermögen von 30 Prozent. Zudem teilte ihr der Arzt mit, dass die natürliche Augenlinse eingetrübt sei, was man allgemein als „grauen Star“ bezeichnet. Diese OP sei aber kein Problem, denn der Tausch der eigenen Linse gegen eine Kunstlinse ist über viele Jahrzehnte schon zum Routineeingriff geworden und verläuft fast immer völlig problemlos.
Bei dieser Operation würde man die Sehkraft des rechten Auges der des linken Auges angleichen. Somit betrüge die Sehstärke anschließend auf beiden Augen -2,5 Dioptrien, räumliches Sehen wäre wieder möglich, die Altersfehlsichtigkeit könnte über eine Gleitsichtbrille ausgeglichen werden.
Nach dem Linsentausch stellte sich eine extrem starke Licht- und Blendempfindlichkeit ein, die Karin S. im Alltag enorm beeinträchtigte. Die „Hallos“ haben sie fast wahnsinnig gemacht. Gewöhnliches Tageslicht nahm sie als sehr grell war, sodass sie an manchen Tagen kaum noch etwas sehen konnte. Die starke Blendung führte oft zu Kopfschmerzen. Abends war es besonders schlimm: Beim Autofahren sah sie die Rücklichter der anderen Fahrzeuge doppelt; Straßenschilder konnte sie nicht mehr lesen. Sie vermied es bei Dunkelheit Auto zu fahren.
Als auch am linken Auge die Eintrübung des grauen Stars begann, war sie sehr unsicher. Nach langen Recherchen empfahl ihr ein Bekannter, der ähnliche Probleme hatte, einen Spezialisten, der im Rahmen einer weiteren OP die unangenehme Lage ein für alle Mal lösen und ihr endlich in der Nähe und in der Ferne wieder perfekte, blendfreie Sicht verschaffen könne.
Karin entschied sich, dieses Risiko einzugehen, denn 100 Prozent Garantie konnte ihr natürlich kein seriöser Arzt geben. Bei der „normalen“ OP des grauen Stars (Katarakterkrankung) werden in der Regel sogenannte Monofokallinsen eingesetzt. Diese Einstärkenlinsen sorgen aber lediglich in einem bestimmten Abstand für gute Sicht.
Beeinträchtigungen durch Blendempfindlichkeit
Der Patient sieht dann entweder in der Nähe liegende oder weiter entfernte Objekte scharf und benötigt für einen der beiden Bereiche nach wie vor eine Sehhilfe. Im Gegensatz dazu verfügt die sogenannte Multifokallinse über mehrere optische Zonen und ermöglicht – ähnlich wie eine Gleitsichtbrille – gutes Sehen in der Nähe, in der Ferne sowie im Zwischenbereich.
Im Fall von Karin S. war die Wahl der richtigen Intraokularlinse jedoch nicht einfach. Sie war ja bereits am rechten Auge kataraktoperiert und hatte hier eine Kunstlinse, die auf eine Kurzsichtigkeit eingestellt war, um beide Augen anzugleichen. Der Plan war nun, am linken Auge eine Mulifokallinse zu implantieren, um eine Korrektur für Nähe und Ferne zu erreichen, im rechten Augen wurde eine Add-On Linse über die bereits getauschte Linse eingesetzt (ähnlich einer „festen“ Kontaktlinse).
100 Prozent Sehkraft in allen Bereichen war das Ziel
Die Blendungen und „Hallos“ würden hoffentlich verschwinden, 100 Prozent Sehkraft in allen Bereichen war das Ziel.
Die ambulante OP verlief problemlos, nach einer kurzen Vollnarkose konnte Karin die Klinik verlassen. Das rechte Auge benötigte keinen Verband, das linke Auge musste wegen des Linsentausches für eine Nacht durch einen Verband geschützt werden.
Wenige Tage nach der OP war das Ergebnis „zu sehen“.
In Nähe und Ferne konnte Karin ohne Korrekturhilfe schon sehr gut sehen und war mit dem Ergebnis sehr zufrieden.
Eine weitere Verbesserung der Sehstärke stellte sich innerhalb von ein paar Wochen ein, die schrecklichen Blendungen und „Hallos“ waren verschwunden.
Nur abends, nach einem langen Tag am Bildschirm oder bei schlechten Sichtverhältnissen stellen sich ab und zu kleinere Blendeffekte ein, die sind aber völlig harmlos und verringern nicht die Freude am wiedererlangten, perfekten Sehen.
Fazit: Enorme Verbesserung der Lebensqualität
„Ich habe mich für eine multifokale (trifokale) Linse entschieden, weil sie nahezu stufenlos zwischen Nähe und Ferne ein Lesen und Sehen mit höchstmöglicher Brillenunabhängigkeit ermöglicht. Die AddOn-Linse rechts ist eine Zusatzlinse, mit der ich mein bereits am grauen Star operiertes Auge gewissermaßen mit einer Multifokalität ‚nachrüsten‘ konnte und das sogar einige Jahre nach der ersten Operation“, erzählt Karin S. am Ende der langen Plagen.
„Ich bin hochzufrieden. Ich kam aus der Augenklinik und konnte nach wenigen Tagen alles hervorragend sehen, ohne geblendet zu werden“, berichtet sie überglücklich. „Das Ergebnis ist super: Ich kann jetzt auf beiden Augen wieder in allen Entfernungen bestens sehen – und zwar ohne Brille oder Kontaktlinsen. Das räumliche Sehen sei zurückgekehrt.
„Ich kann nun wieder problemlos arbeiten, Sport treiben und nachts Autofahren. Heute frage sie sich, warum ihr bei der ersten OP vor einigen Jahren keine Multifokallinsen empfohlen wurden. „Ich bin mir sicher, dass sich mehr Menschen für diese Linsenart entscheiden würden, wenn sie wüssten, dass dadurch ein brillenfreies Leben möglich ist.
„Es ist eine enorme Verbesserung der Lebensqualität. Am besten ist aber die absolut klare Sicht. Es ist einfach herrlich, wenn man wieder perfekt sehen kann.“
Text: Andrea Bacher-Schäfer
Aus RegioMagazin WILLI 06/2022
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