Francisco Landines: Der Tierarzt, der seine Praxis zu euch nach Hause bringt

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Millionen Menschen aus dem politisch und ökonomisch instabilen Venezuela sind in den letzten Jahren geflohen. Laut UNHCR* verließen bis Mai 2023 7,24 Millionen Menschen ihre Heimat. Ihr Weg führt meist in andere südamerikanische Nachbarstaaten, in die USA oder – der Sprache wegen – nach Spanien. Einen kompletten Neuanfang wagte der Tierarzt Francisco Landines, der 2013 nach Deutschland auswanderte.

„Ich habe kein Wort Deutsch gesprochen und musste erst ein paar Monate intensiv die Sprache lernen, bevor ich daran denken konnte, hier zu arbeiten“, erzählt er. Der 39-jährige Tierarzt hat heute noch einen kleinen, sympathischen, Akzent, spricht aber ansonsten fließend Deutsch und hat auch kein Problem, unseren badischen Dialekt zu verstehen.

Francisco Landines, 39 Jahre, lebt in Karlsdorf-Neuthard

Er wird oft angesprochen, wenn er mit seinem großen, umgebauten Krankenwagen unterwegs ist. Die Aufschrift „Deine mobile Kleintierpraxis“ zieht neugierige Blicke auf sich. Ein Tierarzt, der nach Hause kommt ist einmalig in der Region.

Zu Hause in Venezuela hatte er damit schon Erfahrungen gesammelt, nachdem er im Jahr 2008 das Studium der Tiermedizin erfolgreich abgeschlossen hatte. In der Hauptstadt Caracas war er als Tierarzt in unterschiedlichen Kleintierpraxen und für Tierschutzvereine im Land tätig. Da die politische und wirtschaftliche Situation in Venezuela schon viele Jahre schwierig war, hegte er schon länger den Wunsch irgendwo im Ausland ein ruhigeres Leben zu führen. Seine Entscheidung fiel auf Deutschland, auch wenn er kein einziges Wort Deutsch sprechen konnte. Im Jahr 2013 wagte er mit seiner damaligen Frau den Neustart in Düsseldorf. Er lernte sehr schnell Deutsch, sodass er schon ab 2014 als Assistenztierarzt in verschiedenen Kleintierkliniken und Kleintierpraxen arbeiten konnte.

Nach und nach legte er die nötigen Prüfungen und Examen ab, um Anfang 2023 seine vollwertige Approbation in Deutschland zu erhalten und seinen Beruf selbstständig ausüben zu dürfen, denn sein Ziel war immer die Selbstständigkeit. Er recherchierte und kaufte schließlich einen ausgebauten ehemaligen Krankenwagen in den er einen sechsstelligen Betrag investierte. Die Organisation ist durchdacht. In dem perfekt ausgebauten Fahrzeug bietet Francisco Landines das gesamte Spektrum einer modernen tierärztlichen Praxis inklusive bildgebenden Verfahren und Labor an.

Sein technisches Equipment ist auf sehr hohem Niveau, manche Geräte findet man noch nicht einmal in stationären Praxen. Der Schwerpunkt liegt in Anästhesie, Chirurgie, Schmerztherapie und Zahnheilkunde. Er kann vor Ort operative Eingriffe durchführen und legt großen Wert darauf, dass er speziell im Bereich Narkose sehr genau auf die Dosierung eingeht, damit der tierische Patient nur möglichst kurz sediert werden muss. Er nimmt sich viel Zeit und übergibt das behandelte Tier anschließend an den Tierhalter, der außer bei OPs in fast jeder Situation dabei sein darf. Am Anfang fand er es selbst etwas eng in seinen wenigen Quadratmetern Behandlungsraum, jetzt hat er sich daran gewöhnt und genießt die kurzen Wege.

„Meine Praxis ist die einzige mobile Kleintierpraxis in der Region. Sie entspricht meiner Philosophie, wonach eine Untersuchung und Behandlung in der gewohnten heimischen Umgebung für meine tierischen Patienten angenehmer und stressfreier abläuft“,

erklärt er seine Entscheidung gegen eine stationäre Praxis. Zu den  tierischen Patienten des mobilen Tierarztes gehören Kleintiere, von der Zwergmaus bis zu Katzen und Hunden aller Größen. Nicht behandelt werden Exoten und Fische.

Terminvereinbarungen funktionieren recht einfach, man schreibt eine Nachricht via WhatsApp, E-Mail, Messenger oder Social Media, bekommt umgehend ein paar Terminvorschläge, wählt einen aus und Dr. Francisco Landines steht vor der Tür. Für diesen Service zahlt man die normalen, bei Tierärzten üblichen Sätze, dazu kommt eine kleine Pauschale für die Anfahrt.

Die Frage nach der Wirtschaftlichkeit der mobilen Praxis ist nicht ganz pauschal zu beantworten, denn für Francisco Landines ist eher die „Work-Life-Balance“ ausschlaggebend. „Ich arbeite so viel und so lange wie ich möchte. Ich entscheide selbst wann ich Pause oder Urlaub mache, ich bin eine „One-Man-Show“ und habe keine Verpflichtungen gegenüber Personal oder Vermieter. Das gibt mir eine sehr große Freiheit, die man nicht mit Umsatz aufrechnen kann“. Dies sagt Francisco Landines sehr entspannt und gelassen und macht den Eindruck, dass er mit seiner mobilen Praxis genau da angekommen ist, wo er hin wollte!

 

Aus RegioMagazin WILLI 11/2023

 

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