75 Jahre nach Kriegsende – Wiederholt sich die Geschichte? Ist die Situation, wie sie nach dem Ersten Weltkrieg in der Weimarer Republik herrschte, mit der in der Bundesrepublik des Jahres 2020 zu vergleichen?
Viele Menschen machen sich Sorgen, dass sich die Geschichte wiederholt. Wie können die Parteien extreme Meinungen und Strömungen wieder in der demokratischen, sogenannten „Mitte“ versammeln? Die Wahl des Ministerpräsidenten im Bundesland Thüringen hat alle erschüttert. Sind dadurch Rückschlüsse auf die übrigen Bundesländer zu ziehen oder handelt es sich um ein singuläres Phänomen?
Unsere Redaktion hat Menschen mit Bezug zu Bruchsal, Politik und Historie um ein Statement zu dieser Frage gebeten. Nicht alle Eingeladenen konnten oder wollten darauf eine Antwort geben.
Antwort von Lukas Glocker, Dekan, Kath. Dekanat Bruchsal, Pfarrer in der Seelsorgeeinheit Waghäusel-Hambrücken
„Vor 75 Jahren wurde Bruchsal grausam zerstört. Dies geschah als Reaktion der Alliierten auf den nationalsozialistischen Herrscher-Wahn. Soviel Leid in Familien: weltweit und hier. Aufgrund der Not der Menschen wurde mit der Suppenküche der örtliche Caritasverband gegründet.
Seit 75 Jahren lebt Deutschland in Frieden und ich bin dankbar für den Fall der Mauer und für all die Kräfte, die ein Zusammenwachsen Deutschlands fördern – von Europa, von der ganzen Welt. In der Flüchtlingskrise offenbart sich Europa jedoch als unsolidarisch: nach innen und nach außen.
Tatsächlich: die Welt ändert sich und ist nicht mehr dieselbe. Alles wird individueller, spezieller und differenzierter: umso größer die Versuchung, einfache Lösungen zu präsentieren. Umberto Eco umschreibt dies treffend: „Für jedes komplexe Problem gibt es eine einfache Lösung: und die ist falsch!“ Wo einfache Lösungen oder alternative Fakten zur Ideologie reifen, gilt es, die Spannung zu halten: zwischen Heimat und weltweiter Solidarität, zwischen Sicherheit und Freiheit, zwischen differenzierendem Blick und konkreter Hilfe.“
Lukas Glocker, Februar 2020