Stuttgart, 20.10.24 | Die erneuten Pläne der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW), weitere Notfallpraxen zu schließen, sorgen für massive Kritik von Landrätinnen und Landräten. Sie warnen vor einer unkoordinierten Schwächung der ambulanten Notfallversorgung, die bereits jetzt an ihre Grenzen stößt.
Kritik an Notfallpraxen-Schließungen: Ist die ambulante Versorgung noch gesichert?
Die Landrätinnen und Landräte von 19 Landkreisen in Baden-Württemberg sehen in den Schließungsplänen der KVBW ein erhebliches Risiko für die medizinische Versorgung. Trotz des Selbstverwaltungsrechts der Kassenärztlichen Vereinigungen müssen diese auch ihren gesetzlichen Sicherstellungsauftrag erfüllen – eine Frage, die zunehmend in Zweifel gezogen wird. Die geplanten Schließungen ignorieren wesentliche Faktoren wie Bevölkerungsdichte, Fahrzeiten und die bereits prekäre Lage in vielen Krankenhäusern.
Gerade in ländlichen Regionen ist die Erreichbarkeit von Notfallpraxen eine entscheidende Komponente der Gesundheitsversorgung. Wenn Patienten gezwungen sind, längere Fahrzeiten in Kauf zu nehmen oder sich in überfüllte Krankenhaus-Notaufnahmen zu begeben, gefährdet das nicht nur die Versorgung, sondern erhöht den Druck auf ohnehin stark beanspruchte Kliniken.
Überlastung der Krankenhäuser und Rettungsdienste droht
Die Kritik der Landrätinnen und Landräte richtet sich nicht nur gegen die Schließungen an sich, sondern auch gegen den Mangel an Koordination zwischen den verschiedenen Akteuren im Gesundheitswesen. Der Rettungsdienst und die Notaufnahmen der Krankenhäuser sind bereits jetzt stark überlastet. Werden Notfallpraxen geschlossen, verschärft dies die Situation weiter. Dass die KVBW diesen Aspekt nicht ausreichend in ihre Planungen einbezieht, wird von den Landräten scharf kritisiert.
Landrat Dr. Christoph Schnaudigel, Landkreis Karlsruhe
Landrat Dr. Christian Ante, Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald
Landrat Roland Bernhard, Landkreis Böblingen
Landrat Dr. Joachim Bläse, Ostalbkreis
Landrat Dr. Achim Brötel, Neckar-Odenwald-Kreis
Landrätin Stefanie Bürkle, Landkreis Sigmaringen
Landrat Stefan Dallinger, Rhein-Neckar-Kreis
Landrätin Marion Dammann, Landkreis Lörrach
Landrat Dr. Ulrich Fiedler, Landkreis Reutlingen
Landrat Norbert Heuser, Landkreis Heilbronn
Landrat Dr. Martin Kistler, Landkreis Waldshut
Landrat Dr. Wolf-Rüdiger Michel, Landkreis Rottweil
Landrat Marcel Musolf, Landkreis Esslingen
Landrat Günther-Martin Pauli, Zollernalbkreis
Landrat Helmut Riegger, Landkreis Calw
Landrat Bastian Rosenau, Enzkreis
Landrat Ian Schölzel, Hohenlohekreis
Landrat Frank Scherer, Ortenaukreis
Landrat Dr. Richard Sigel, Rems-Murr-Kreis
Landrat Edgar Wolff, Landkreis Göppingen
Die Tatsache, dass immer mehr Menschen auf den Rettungsdienst oder die Notaufnahmen angewiesen sind, weil sie keinen Hausarzt finden oder keine Notfallpraxis in zumutbarer Entfernung erreichen können, ist bereits Realität. In vielen ländlichen Regionen bleibt immer mehr Hausarztsitze unbesetzt, während der Bedarf steigt – besonders in der pädiatrischen Versorgung klaffen schon jetzt erhebliche Lücken.
Fehlender Dialog sorgt für Frustration in den Landkreisen
Die mangelnde Einbindung der Landkreise und weiterer Verantwortlicher in die Entscheidungsfindung der KVBW verstärkt die Frustration. Die KVBW agiere isoliert und treffe Entscheidungen, die massive Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung haben, ohne den Dialog zu suchen, kritisieren die Landrätinnen und Landräte. Es sei nicht hinnehmbar, dass Schließungen von Notfallpraxen vor vollendete Tatsachen gestellt würden, ohne die Perspektiven der Regionen zu berücksichtigen.
In einem offenen Brief haben die Landräte deshalb das Sozialministerium aufgefordert, stärker zu prüfen, ob die KVBW ihrem Sicherstellungsauftrag überhaupt noch gerecht wird. Dies sei eine Aufgabe des Ministeriums, das bis jetzt auf das Selbstverwaltungsrecht der KVBW verwiesen habe, ohne ausreichend Kontrolle auszuüben. Der Vorwurf: Die ambulante Notfallversorgung werde schleichend ausgedünnt, ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Bevölkerung.
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