Meine Lieben!
Will heute ein Lebenszeichen von uns geben. Mit der Post geht es aber sehr langsam. Bei uns geht z.Zt. nur noch am Tag nach jeder Richtung ein Zug weg und die nicht einmal vom Bahnhof aus. Züge nach Heidelberg und Germersheim beginnen und endigen am Schlossgartenübergang, diejenigen nach Karlsruhe beim Übergang bei der Holzindustrie. Von Mühlacker her fahren die Züge nur bis Heidelsheim und ab heute sollen diese Züge bis zum Schlachthaus geführt werden. Im ganzen Bahnhof ist kein Stück Schiene mehr ganz. Granattrichter an Granattrichter.
Nicht nur am Bahnhof sieht es so aus, sondern in der ganzen Innenstadt. Es gibt kein Postgebäude mehr, keine Gewerbeschule, kein Rathaus, kein Schloss, kein Finanzamt, kein Gericht, keine Schule, auch die Hans-Schemm-Schule steht nicht mehr. Drei Kirchen sind auch nicht mehr. Es steht nur noch die Peterskirche. Vom Damianstor bis Prinz Max, von der Großen Brücke bis zur Maschinenfabrik und in sämtlichen Frohnbergen steht nicht ein Haus mehr. Alles abgebrannt. Durch den großen Brand und die starke Bombardierung sind die meisten Leute in die Keller geflüchtet und sind auch in diesen Kellern umgekommen. Ein Herauskommen war unmöglich. Es war ein einziges Feuermeer.
Ich selbst war in der Gewerbeschule. Wurde vom Einschlag der ersten Bomben den Keller hinuntergeworfen und lag kurze Zeit besinnungslos unten. Es fielen nacheinander weitere Bomben auf die Gewerbeschule. Ich dachte kaum noch an ein Herauskommen. Durch eine Bombe, die wenige Meter von mir weg bis zum Keller durchschlug, konnte ich und noch einige ins Freie gelangen. Durch dicke Rauchwolken und durchs Feuer sprang ich dann über die Neutorstraße nach dem Frohnberg, Adlerweg nach der Friedhofsstraße. Dort sind keine Bomben gefallen.
Bruchsal ist seit dem 1.3.45 eine Stadt des Grauens. Franz und Käthe (Schwager und Schwester) sind bei diesem Angriff leider auch ums Leben gekommen. Sie konnten nicht mehr aus ihrem Keller heraus und sind erstickt. Karl Braun, die beiden Lehrbuben, der Geselle und ich haben einige Tage später den Keller freigelegt und sie herausgeholt. Außer den beiden waren noch die beiden Fräulein Schorle, die ebenfalls im Haus wohnten, unten im Keller tot. Man schätzt ungefähr 2000 Tote. Ein großer Teil liegt noch in den Kellern.
Man muss die Angehörigen selbst ausgraben und auch selbst die Gräber machen. Gestern haben wir Franz und Käthe beerdigen lassen. Wir selbst sind Gott sei Dank diesmal gut davongekommen.
Will nun schließen. Alles andere vielleicht später mal mündlich.
Es grüßt Euch alle recht herzlich Gustav, Lene und Peter
In Eile und in Aufregung geschrieben.