28.9. | Der Gastkommentar von Rainer Kaufmann
Kürzlich im Deutschen Bundestag: Die Haushaltsberatung – eine „Sternstunde des Parlaments“. In diesem Jahr ein fetziger Schlagabtausch zwischen Opposition und Kanzler, der in den Medien bundesweit mehr als nur positiv vermerkt wurde. So gehört es sich in der Demokratie: Das Parlament nutzt sein Haushaltsrecht, um sich in einer Generalaussprache mit der Regierung und ihrem Programm auseinanderzusetzen. Das Parlament als Ort der öffentlichen Kontrolle der Regierenden.
In den nächsten Wochen stehen auch in Bruchsal wieder die alljährlichen Haushaltsberatungen an. Natürlich muss es da nicht zu einem fetzigen Generalangriff auf die lokale Regierung, die Oberbürgermeisterin und ihre Stadtverwaltung, kommen. Nur, diese Frage drängt sich nach den harmlosen Haushaltsdebatten im Bruchsaler Gemeinderat der letzten Jahre auf: Können sich in diesem Jahr vielleicht ein paar wenige Mitglieder des Gemeinderats auf ihr Recht – und auch ihre Pflicht – besinnen und die Oberen der Stadt wenigstens mit ein paar kritischen Fragen dazu bringen, Farbe zu bekennen? Kann es anstelle des nunmehr üblichen allgemeinen Schulterklopfens, garniert mit der einen oder anderen leicht kritischen Anmerkung als parlamentarische Beigabe zur beifälligen Zustimmung zum Haushalt, nicht einmal zu einem offenen und vor allem kritischen Diskurs zu ein paar Fragen der Kommunalpolitik kommen? Und: Kann es denn wirklich sein, dass fast nur die offiziellen Fraktionssprecher bei einer solchen Debatte zu Wort kommen? Haben einzelne Mitglieder des Gremiums nicht auch das Recht – und die Pflicht –, sich in diese Debatte einzubringen?
Es gibt genügend Themen, die einmal gründlich durchleuchtet werden könnten. Zum Beispiel die Aufblähung des Verwaltungsapparates in Sachen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, sowie Stadtmarketing. Es wäre doch einmal an der Zeit, der Öffentlichkeit die Entwicklung der Stellenpläne in diesem Bereich in den letzten zehn Jahren und die Entwicklung der Personalkosten aufzuzeigen und dann eine – unabhängige und neutrale – Evaluierung der in dieser Zeit geleisteten Arbeit vorzulegen. Steht das Ergebnis wirklich in einem Verhältnis zum Aufwand, das dem Steuerzahler gegenüber zu verantworten ist? Oder, ganz aktuell: Kann die Öffentlichkeit schon im Vorfeld der Haushaltsberatungen eine transparente Abrechnung des Schloss-Festivals mit einer detaillierten Darstellung des von der Stadt zu übernehmenden Defizits erwarten?
Kommunalpolitik im öffentlichen Diskurs und nicht im Hinterzimmer
Will die Stadt wirklich den „Mut aufbringen“ (Zitat Schlossverwalter Hörrmann), solche Feste im und am Bruchsaler Schloss immer wieder mal zu veranstalten? Und wenns denn unbedingt sein muss: Geht’s nicht ein wenig bescheidener? Oder: Wäre es nicht sinnvoller, städtische Aktivitäten und Geld in die Förderung der lokalen Kulturszene zu investieren statt in einen Image-Wettbewerb mit Salzburg und Bayreuth? Wem in der Stadt, außer den öffentlichen Selbstdarstellenden, bringt eine solche Veranstaltung wirklich nachhaltigen Nutzen? Warum muss eigentlich die Stadt solche Events organisieren und finanzieren und nicht der Eigentümer des Schlosses, das Land Baden-Württemberg? Oder ist das nicht sogar Sache privater Konzertveranstalter, die dann auch das Risiko solcher Veranstaltungen kennen und übernehmen. Wie werden solche Veranstaltungen an anderen Schloss-Standorten im Land gehandhabt?
Eine persönliche Bemerkung sei mir jetzt erlaubt: Ich habe vor Jahrzehnten mit einem Kulturverein mehrere Kleinkunst-Festivals in Bruchsal organisiert, zwei in einem großen Zelt am Schlachthof vor seiner Renovierung und die ersten zwei Festivals im Atrium des Bürgerzentrums. Wir haben zu keinem der Festivals städtische Zuschüsse, organisatorische Hilfe oder gar Defizit-Übernahmen beansprucht. Die Defizite haben wir aus Mitteln unseres Vereins finanziert. Danach hat das Stadtmagazin „WILLI“ die Bruchsaler-Sommer-Festivals am Bergfried ausgetragen, ebenfalls auf eigenes finanzielles Risiko. Dabei sind wir immer in unserem Rahmen geblieben und haben uns nicht mit Verona oder San Remo verglichen.
Es gibt natürlich noch weitere kommunalpolitische Themen, die im Rahmen der Haushaltsberatungen in aller Öffentlichkeit aufzuarbeiten wären. Fragen der Stadtplanung, Fragen der Sozialpolitik und vieles mehr. Es wäre schön, wenn sich die Stadtgesellschaft in den nächsten Wochen mit diesen beschäftigen und die Mitglieder des Gemeinderates ansprechen würde, diese Fragen in die öffentliche Haushaltsberatungen einzubringen.
Es wäre an der Zeit, dass die Kommunalpolitik in Bruchsal wieder in einen öffentlichen Diskurs eintritt und nicht in den Hinterzimmern von Rathaus und Gemeinderat so lange ausgemauschelt wird, bis dann in den Haushaltsberatung des Gemeinderats nur noch austauschbare Fraktions-Statements verlesen werden. Der Gemeinderat hat es selbst in der Hand, ob er wieder zum Forum des politischen Diskurses wird, das zu besuchen sich für die politisch interessierte Bürgerschaft der Stadt lohnt.
Über Rainer Kaufmann
Der gebürtige Bruchsaler Rainer Kaufmann ist Journalist, Gastronom, Gründer des 1. Bruchsaler Stadtkabaretts, war in den 90er Jahren Veranstalter von mehrtägigen Kulturevents im Schlachthof und im Atrium des Bürgerzentrums (auf eigene Rechnung!) und beschäftigt sich seit mehr als 40 Jahren mit der Geschichte seiner Heimatstadt – ob in TV-Dokumentationen, Büchern („Seilersbahn – ein Weg Geschichte“, „Elternstadt Bruchsal“), Theaterstücken („Unschädlichmachungen“), Kabarett-Aufführungen, Vorträgen oder als Stadtführer.
Landfunker nimmt das Angebot des oft unbequemen Rainer Kaufmann gerne an, in Form von Gastkommentaren seinen Leserinnen und Lesern eine andere Bruchsal-Perspektive zu bieten, die in der Regel jenseits der Selbstbelobigungen der Amtsblätter oder der Pressemitteilungen an die hiesigen Tageszeitungen und Internetportale liegt.
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