Dass das Bruchsaler Schloss ein tolles Veranstaltungsambiente bietet, hat sich herumgesprochen. Zwar schläft die Konkurrenz in Schwetzingen und anderswo keineswegs, dennoch hat sich Bruchsal überregional inzwischen mit Open-Air Events von Rock, Pop, Schlager bis Poesie und eher klassischem Genre fest etabliert.
Der heutige Schlossherr, das Land Baden-Württemberg und seine Staatlichen Schlösser und Gärten (SSG), stehen Veranstaltern inzwischen eher aufgeschlossen gegenüber. Querschüsse einiger weniger Privatpersonen aus der Nachbarschaft, die ganzjährig und rund um die Uhr den Dornröschenschlaf garantiert haben wollen (Motto: Veranstaltet gefälligst dort, wo Menschen in weniger betuchten Wohngegenden Lärm schon gewohnt sind…), sind ätzend, verhindern Veranstaltungen glücklicherweise aber nicht.
Angesichts mehrjähriger Konflikte führt eine sogenannte „Gestattung“ dezidiert auf, an welchen Tagen, zu welcher Uhrzeit was, wie lange, wo am Schloss erlaubt ist. Beschwerden treffen weiterhin ein, das Ordnungsamt bleibt beschäftigt. Anders wäre es nicht zu erklären, weshalb das Konzert von Foreigner Mitte Juni lange vor Einbruch der Dunkelheit beendet war!
Weitere Highlights stehen im August mit Pur und Sarah Connor an.
Schon frühzeitig gingen die Tickets ohne allzu großen Werbeaufwand weg wie warme Semmeln. Dass diese Events überhaupt erfolgreich stattfinden, ist privaten Veranstaltern wie Provinztour zu verdanken, die den Bruchsaler Schlosspark als Veranstaltungsort überregional auf die Landkarte gebracht haben.
Ebenso erfreulich sind die im Rahmen des „Kultursommers“ gesponserten Veranstaltungen. Die Livemusik am Bergfried begeistert und man ist gespannt auf die niederschwelligen Events, die im Schlepptau des „Schlossfestivals“ stattfinden werden. Dafür ein Lob an die Bruchsaler Tourismus-, Marketing- und Veranstaltungs-GmbH (BTMV), denn hier ergänzen sich (halb)staatliche und private Initiativen und Interessen.
Weitere Events, wie die Schlosskonzerte und exzellente Bühnen, wie das hoch geschätzte Exiltheater, runden das Programm ab. Alles vollzählig aufzulisten, ist (glücklicherweise) schlichtweg unmöglich, so vielfältig und reichhaltig ist inzwischen das Bruchsaler Angebot.
Allein, dies reicht manchem nicht. Man will das ganz große Rad drehen und hat deshalb seitens der BTMV die 300-jährige Wiederkehr der Grundsteinlegung des Bruchsaler Schlosses genutzt, auch mittelfristig eine Marke „Schlossfestival“ zu etablieren. Ob das neuntägige Event mit Klassik-, Opern-, Jazz-, Swing-, Blues- und Soulkonzerten Ende Juli tatsächlich der Knaller wird, wie es die Organisatoren mit beachtlichem Werbeaufwand anpreisen?
Dass gut fünf Wochen vor Beginn die wenigsten der Tickets in der allabendlich fast 3000 Sitzplätze fassenden, sogenannten „Schloss-Arena“, Käufer gefunden hatten, machte der BMTV keine Sorgen. Dies sei so üblich und der Inflation, dem Ukrainekrieg und Corona geschuldet. Ein Verramschen der Tickets über die Sponsoren, die den Konzertzyklus mit mehreren hunderttausend Euro bezuschussen, ist also offensichtlich nicht zu befürchten.
Sechsstelliger Werbeetat
Um aber scheinbar auf der sicheren Seite zu sein, wird mit einem sechsstelligen Werbeetat seit Monaten in bisher nicht gekanntem Ausmaß auf verschiedensten Kanälen rastlos für das „Schlossfestival“ geworben. Flyer finden sich kartonweise in fast allen öffentlichen Einrichtungen; selbst in den Freibädern liegen die Broschüren aus.
Deshalb war es auch nicht verwunderlich, dass der Chef der BTMV, Frank Kowalski, die Besucher des „Kultursommers“ kürzlich persönlich bat, doch bitte auch beim „Schlossfestival“ aufzuschlagen.
Premiumtickets mit Übernachtung für zwei für 600 € – Ein Schnäppchen
Hoffentlich hat er dies mit gleichem Nachdruck jenen handverlesenen Gästen ans Herz gelegt, die beim für Normalsterbliche unzugänglichen (natürlich kostenfreien…) Festakt der SSG Ende Mai im Bruchsaler Schloss den Worten von Landesfinanzminister Danyal Bayaz lauschen durften. Denn nicht nur dem gebürtigen Bruchsaler Opernbariton Martin Gantner, der der BTMV für das „Schlossfestival“ beratend zur Seite steht, ist zu wünschen: Gut gefüllte Ränge, tolle Atmosphäre und schönes Wetter.
Tickets aller Kategorien sind noch erhältlich. Sollten Sie VIP-Karten für schlappe €200 erwerben wollen: Keine Sorge, Ihnen kann geholfen werden! Dies gilt ebenso für Pauschalarrangements; Premiumtickets mit Übernachtung im gehobenen Mittelklassehotel für zwei Personen sind für schlichte 600 € fast ein Schnäppchen. Allein, wie viele Besucher wohl zu diesen Preisen zum „Schlossfestival“ nach Bruchsal kommen werden, um danach in Heidelberg, Karlsruhe oder Speyer zu nächtigen? Man darf gespannt sein.
Übrigens: Egal, wie es ausgeht, schon jetzt ist klar, Bruchsal braucht sich nächsten Sommer auch ohne die selbsternannte BTMV-Marke „Schlossfestival“ nicht zu verstecken!
PS: Schlecht informierten Kreisen zufolge will die BTMV alsbald eine gesponserte Aufführung etablieren, die den Fokus auf die meist drangsalierte und geknechtete Bevölkerung zu Zeiten der Grundsteinlegung des Schlosses legt.
Denn weder der bei Festakten vielgelobte, ja geniale Balthasar Neumann noch Fürstbischof Damian Hugo von Schönborn bauten das Schloss im Alleingang. Im Gegenteil! Dazu werden noch Komparsen mit robuster Gesundheit gesucht, die dem alltäglichen Verzehr von Brotsuppe nicht abgeneigt sind.
Hubert Hieke
Aus RegioMagazin WILLI 07/2022
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