WILLI-Reportage | Lärmende Lebensfreude – 44 Jahre Schlabbedengla

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Wer hätte gedacht, dass eine Stammtischidee in einem Wirtshaus namens „Dörrer Ascht“ der Auftakt für ein Phänomen werden würde, das auch 44 Jahre später noch begeistert? Gegründet wurde die Guggemusik 1981 in ihrer Stammkneipe „Grüner Baum“. In einer Mischung aus Bierlaune und musikalischem Trotz, avancierte die Gruppe zu einem Markenzeichen für schräge Töne und lärmender Lebensfreude.

 

Schlabbedengla 1982

 

Helmut Geider, Gründungsmitglied und bis 2001 musikalischer Leiter der 1. Brusler Guggenmusik, erinnert sich an die Anfangstage: „Eigentlich war es eine Schnapsidee, aber dann haben wir gesagt: Warum eigentlich nicht?“ Und so fanden sich abgebrochene Trompeten- und Posaunenkarrieren zusammen und legten los. Manche Instrumente waren selbst gebaut, andere sahen aus, als hätten sie einen Krieg überlebt. Das war kein Hindernis, sondern das Konzept. Ein Kazoo, das quäkige Markenzeichen der frühen Jahre, wurde dabei genauso stolz präsentiert wie verbeulte Trompeten. Der rebellische Charme dieser Mischung kam an – zumindest bei den einen. Andere hielten sich lieber die Ohren zu.

Schräg, laut und unverwechselbar

Heute sind sie aus der Fastnacht nicht mehr wegzudenken. „Früher drohte man uns mit der Polizei, wenn wir unangemeldet irgendwo aufspielten. Heute ist man beleidigt, wenn wir nicht kommen“, lacht Philip Konrad, Generalmusikdirektor und seit 23 Jahren das Gesicht der legendären „Schlabbedengla“.
Guggenmusik ist die Kunst, den richtigen Ton zum falschen Zeitpunkt zu spielen – oder war es umgekehrt?“ scherzt Konrad. Diese Ironie trifft den Kern der Schlabbedengla. Perfektion? Fehlanzeige. Hier geht es um das Gefühl. Kein Auftritt gleicht dem anderen, denn Noten gibt es nicht. „Wir spielen die Guggemusik, wie sie ursprünglich aus der Schweiz zu uns kam und interpretieren diese auf unsere Weise. Bei uns klingen die Lieder sehr schräg, meistens sind sie sehr flott und schön laut. Dazu entscheide ich spontan, was wir spielen. Das sorgt für Kribbeln – und für jede Menge Spaß“, erklärt Konrad.

Dass diese Lockerheit ihr Markenzeichen ist, versteht jeder, der sie live erlebt. Heute klingen die Schlabbis etwas professioneller als zu Anfangszeiten, ohne ihren anarchischen Charme verloren zu haben. Glockenspiele, Granitblöcke, Saxophone – das Arsenal ist gewachsen, die Freude am Experiment geblieben.

 

Neue Kostüme 2024/25, passend zum Jubiläum in den Brusler Farben blau/weiß

 

In den 1980er-Jahren, als die Schlabbedengla als erste nördlichste Guggemusik der Welt auftraten, waren sie einzigartig in der Region. Doch ihr Erfolg zog Nachahmer an. Bis in die 1990er-Jahre entstanden Dutzende Guggenmusiken im Landkreis Karlsruhe. Während andere sich in Ehrgeiz und Perfektion verloren, blieben die Schlabbis ihrem chaotischen Charme treu. „Wir machen das, weil es Spaß macht, nicht, um Medaillen zu gewinnen“, sagt Konrad. Diese Haltung hat sie über die Jahre sympathisch und authentisch gehalten.

Die Schlabbedengla sind nicht nur ein Musikverbund, sondern eine Familie. Vom Baby bis zu über 70-jährigen Gründungsmitgliedern ist jede Altersklasse vertreten. „Wir sind aktuell bis zu 81 Aktive – passend zum Gründungsjahr“, so Konrad. Nachwuchssorgen? Fehlanzeige. „Bei uns kann jeder mitmachen, der Spaß hat. Notenlesen? Überbewertet.“ „Wir sind kein Verein und organisieren uns so, wie wir das wollen. Wir sind, mit ganz wenigen Ausnahmen wie dem Sommertagszug in Bruchsal, ‚nur‘ in der 5. Jahreszeit unterwegs. Dafür aber intensiv. Wir proben erst nach den Sommerferien bis zum Brusler Wochenende, sobald hier die Fasnacht beginnt. Unter dem Jahr ist Pause.“

Große Jubiläumsparty am 31. Januar in der Fabrik Bruchsal

Trotz der Lockerheit gibt es bei den „Schlabbedengla“ ein paar Traditionen. So beginnt und endet jedes Konzert mit denselben Liedern: Das Erstlingswerk „Jesses, Jesses, Jesses noi“ leitet ein, der Samba-Hit „Samba Brasil“ beschließt den Auftritt. Alle zwei Jahre gibt es zudem ein neues Kostüm passend zum Motto.

Das Jubiläumsjahr steht unter dem Motto „Schlabbiversum – Big Bääm!“, und natürlich dürfen dabei die Brusler Stadtfarben Blau-Weiß nicht fehlen. Jeder Schlabbi gestaltet sein Kostüm individuell – ein kreativer Schmelztiegel, der immer wieder für Überraschungen sorgt. „Manche haben sogar das Nähen bei uns gelernt,“ sagt Konrad stolz, „der Moment, wenn wir uns das erste Mal im neuen Outfit sehen, ist immer magisch.“

Jubiläumskostüme 2024/25: Jedes Kostüm ein Unikat.

 

Das 44-jährige Bestehen wird gebührend gefeiert. Den Auftakt bildet eine große Jubiläumsparty am 31. Januar 2025 in der Fabrik Bruchsal, bei der die „Schlabbedengla“ zusammen mit der Band „Knutschfleck“ auftreten. Dazu Konrad: „Wir wollten wieder eine legendäre Faschingsparty für alle. Es wird bunt, laut und einfach großartig.“

Auch beim Brusler Fastnachtsumzug am 9. Februar gibt es ein besonderes Highlight: Die „Schlabbedengla“ laufen passend zum Jubiläum als Zugnummer 44 mit ihren Alt-Schlabbis und bilden eine musikalische Welle der Nostalgie. „Das wird ein emotionaler Moment für uns alle“, verspricht Konrad.

Weitere Auftritte führen die Gruppe unter anderem nach Mainz, Frankfurt und Pirmasens. Besonders stolz ist Konrad auf die Tradition, den Frankfurter Fastnachtsumzug im Fernsehen zu eröffnen: „Das zeigt, dass wir trotz unserer schrägen Töne einen festen Platz in den Herzen der Menschen haben.“

Als Zugnummer 44 beim Bruchsaler Fasnachtsumzug am 9. Februar

Auf die Frage, was die Schlabbedengla ausmacht, antwortet Konrad: „Das lässt sich nicht beschreiben, man muss es erleben. Es ist ein besonderes Gefühl, Schlabbedengla zu sein.“ Dieses Gefühl ist es, das die Truppe seit 44 Jahren zusammenhält.

Vielleicht ist das ihr Erfolgsrezept: eine Mischung aus Lebensfreude und unbändigem Enthusiasmus. Eine schräge, lebendige Erinnerung daran, dass Fasnacht nicht nur Tradition, sondern lärmende Lebensfreude ist.

Bruchsal kann sich glücklich schätzen, dass es sie gibt. Denn ohne die Schlabbedengla wäre die Fasnacht viel leiser, viel langweiliger und definitiv weniger „Meh wi schee“.

Text: Iris Weindel, Bilder: Schlabbedengla

Aus RegioMagazin WILLI 01/2025

 

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