WILLI-Reportage | 1. März 1945 – Zeitzeuge Josef Schlindwein erinnert sich (Archiv 2022)

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„Hier habe ich den Angriff überlebt“

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Auch die evangelische Kirchengemeinde Bruchsal wurde am 1. März 1945 beim Bombenangriff auf Bruchsal nicht verschont. Der Luftschutzkeller unter dem Turm der Lutherkirche hielt allerdings dem Bombardement stand. Die Menschen, die dort Schutz gesucht hatten, überlebten die drei Angriffswellen. Der Keller ist nicht besonders groß und wenig spektakulär. Außergewöhnlich sind nur die schweren Türen und die Worte, die jemand mit Kreide darauf geschrieben hat: „Ruhe, Ordnung, Reinlichkeit, Pflicht“. Auch heute stehen diese noch auf der schweren Eisentür. Wir waren dort mit dem heute 93-jährigen Josef Schlindwein, der diesem Keller wahrscheinlich sein Leben verdankt.

Was der Karlsdorfer am 1. März 1945 erlebt hat, hat sich tief in sein Gedächtnis eingeprägt. „Der Keller der Lutherkirche war ein guter, ein sicherer Keller. Das wusste man“, sagt Schlindwein. Er war damals Lehrling bei der Druckerei Katz in der Wörthstraße.

„Hier habe ich gearbeitet“: Damals war Josef Schlindwein 16 Jahre alt und Lehrling in der Druckerei Oskar Katz in der Wörthstraße (ungefähr heutiger Standort Fotogalerie Barta).

„Kurz vor 14 Uhr ging es los. Das Brummen der Flieger kam immer näher und die Bomben glänzten am Himmel.“ Sein Weg führte ihn nicht sofort in die Lutherkirche. Josef Schlindwein erzählt von schrecklichen Erlebnissen in Kellern von Wohnhäusern nahe der Druckerei während der ersten beiden Angriffswellen. Trümmer und Feuer versperrten die Ausgänge, Rauch brannte in den Augen. Der 16-Jährige hatte Todesangst. „Es krachte fürchterlich, als eine Bombe an der Ecke Wörthstraße/ Hohenegger einschlug. Wir dachten, uns platzt gleich das Trommelfell.“ Josef Schlindwein, der andere Lehrling, Pius Becker aus Obergrombach, und zwei Kolleginnen kamen über einen Durchbruch in einen Nachbarkeller endlich ins Freie. Eine fremde Frau mussten sie verletzt auf einem Feldbett zurücklassen. Sie kletterten über die drei Meter hohe Mauer hinter der Lutherkirche, die dort heute noch steht. „Wir sind von hinten in die Kirche gelaufen. Ein paar kleine Brände waren da, aber die Kirche war nicht zerstört.“

„Wir hatten eine schreckliche Angst“

„Als wir in den Luftschutzkeller kamen, waren da Frauen, die ihre kleinen Kinder im Arm hielten, die schrien und weinten vor Verzweiflung.“ Die dritte Angriffswelle erschütterte die Stadt. „Wir hatten schreckliche Angst, dass der Turm über uns einstürzt“, erinnert sich Schlindwein. „Ich hab gedacht, jetzt ist es aus. Immer mehr Verletzte wurden nach unten getragen. Der kleine Keller war überfüllt. Deshalb sollten nur noch Frauen und Kinder drinnen bleiben“, erzählt Schlindwein. Er und Pius Becker verließen den Luftschutzkeller. „Ich war 16 und der Pius war 15. Wir waren grad solche Büble. Aber wir waren Männer.“

Todesangst: Als er sich aus den Kellern retten konnte, kletterte er über die Mauer hinter der Lutherkirche und flüchtete sich von hinten in die Kirche.

Josef Schlindwein machte sich auf den Weg zurück zu seinen Eltern nach Karlsdorf – vorbei an brennenden Häusern, Leichen und Trümmern. „Im Viktoriapark waren ganz viele tote Soldaten“, erzählt er. „Ich weiß nicht, woher die gekommen waren, vielleicht aus dem Bahnhof. Das war ein unbeschreibliches Gefühl. Ich hatte überlebt und sie waren tot.“

Seine Eltern waren glücklich, als er nach Hause kam. Sie hatten von Karlsdorf aus gesehen, was in Bruchsal passiert war und von Leuten, die mit dem Fahrrad schneller angekommen waren, von dem Angriff gehört. Am nächsten Tag ging Josef Schlindwein wieder nach Bruchsal. Er sah verkohlte Leichen, aufgedunsene tote Körper und er fand die Knochen der Frau, die sie auf dem Feldbett zurückgelassen hatten. „Dass ich einen Schutzengel gehabt habe, ist ganz sicher“, sagt er heute. „Ich hoffe, dass unsere Kinder und Enkel so etwas Schreckliches nie erleben müssen.“

Der 93-jährige Karlsdorfer ging mit KraichgauTV nochmal an die Stellen, an denen er Bruchsals Bombardierung erlebte. Sehen Sie den Filmbeitrag hier

Text: Martina Schäufele

Aus RegioMagazin WILLI 03/2022

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