WILLI-Kommentar | Grundsteuerreform – Kritik greift meist zu kurz oder daneben

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Zwar wird die frohe Botschaft erst zum Jahresbeginn 2025 wirksam, wer aber ein Einfamilienhaus besitzt, das er seit vielen Jahren bewohnt und dessen weitläufiges Grundstück in ruhiger Lage abseits des Straßenlärms in den letzten Jahrzehnten gewaltige Wertsteigerungen verzeichnete, wird den neuen Grundsteuerbescheid nicht unbedingt als Weihnachtsgeschenk sehen. Denn bisweilen steigt die Steuerlast um das Zehnfache. Eine bodenlose Unverschämtheit, mögen einige denken.

Schaut man sich den Sachverhalt allerdings näher an, so erkennt man: Für rund die Hälfte der Bruchsaler Immobilienbesitzer und damit auch deren Mieter wird die Grundsteuerlast sinken. Werden diese Glücklichen die Kommunalverwaltung mit Telefonaten fluten und ein frohes neues Jahr wünschen? Wohl kaum! Jene aber, denen spürbare Erhöhungen bevorstehen, werden die Kommune verfluchen und gar lauthals Dampf ablassen. Bevor das geschieht, sollte man vielleicht drei Aspekte berücksichtigen: Ist man prinzipiell gegen eine Steuer auf Grund und Boden? Ist man gegen die Art der Erhebung? Oder kritisiert man die Aufkommenshöhe?

Die Rechtslastigen im Bruchsaler Gemeinderat würden die Steuer am liebsten ganz beseitigen. Und auch darüber lässt sich trefflich streiten. Nur eben nicht im Rat, wo es allein um die Festsetzung des Grundsteuerhebesatzes geht. Wollte man diesen allerdings tatsächlich drastisch absenken, so sollte man dann gefälligst sagen, wie mit lokal einflussreichen Immobiliengesellschaften umzugehen wäre, falls diese quasi gebührenfrei Brachen unbebaut lassen, das Stadtbild verschandeln und vermehrt mit Grundstücken spekulieren; ein Zustand, der schon jetzt nicht nur in Bruchsal gelegentlich buchstäblich ins Auge fällt.

Kann man dies tatsächlich wollen? Denn bei Grund und Boden handelt es sich um eine limitierte Ressource, die sich zwar oft in privatem Eigentum befindet, aber kein erneuerbares, beliebig vermehrbares Gut darstellt. Wir selbst begrenzen und verknappen aus guten Gründen das Angebot an Bauland. Was die Preise verständlicherweise in die Höhe treibt. Grund und Boden sind eben nicht vergleichbar mit Maschinen, Schnittblumen oder Buntstiften!

Ein Grundstück, das nach dem Zweiten Weltkrieg wenige Mark wert war, kostet bisweilen inzwischen dreistellige Eurobeträge. Eine Wertsteigerung von oft mehr als 10.000 Prozent! Weit über der Inflationsrate! Und dieser Wertzuwachs ist bei Veräußerung oft steuerfrei. Menschen, die ihr Einkommen durch Arbeit verdienen, können davon nur träumen. Bei Grund und Boden ergibt sich die Wertsteigerung ohne jegliches Zutun der Eigentümer, ist also wirtschaftlich betrachtet unverdient. Allein durch die Ausweisung eines Neubaugebietes werden fast willkürlich Gewinner und Verlierer bestimmt. Und böse Zungen behaupten, dass Gemeinderatsmitglieder in verschiedenen Gemeinden schon des Öfteren auf der Gewinnerseite standen – natürlich rein zufällig.

Bisher wurde die Grundsteuer aus einem recht willkürlichen Geflecht von Bewertungszeitpunkt und Grundstücksnutzung ermittelt, was verfassungsrechtlich nicht mehr haltbar war. Daher die überfällige Reform, die in den meisten Bundesländern nur halbherzig gelang. Nur in Baden-Württemberg gilt ab nächstes Jahr eine Grundsteuer, die den Namen auch verdient, da allein der Bodenwert als Grundlage der Besteuerung herangezogen wird. Und erstaunlicherweise waren es die Grünen, die sich bei der Neuberechnung mit diesem ordnungspolitisch klaren Konzept gegen den Widerstand des CDU-Koalitionspartners endlich einmal an der richtigen Stelle durchsetzten. Der Spekulant, der Bauland brach liegen lässt, zahlt zukünftig dieselbe Grundsteuer, als der, der dort ein Häuschen baut oder, wenn erlaubt, einen Wohnblock errichtet. Ist das ungerecht? Wohl kaum, da der Wohnblockeigentümer die Mieterträge ja zusätzlich zu versteuern hat. In Zukunft wissen Sie also, dass auch Ihr Nachbar allein abhängig von Bodenwert und -fläche besteuert wird.

Und zum dritten Punkt: Sind die Grundsteuern zu hoch? 7,6 Millionen Euro generiert Bruchsal aus der Steuer. Ist das zu viel? Wer Grundsteuern herunterfahren oder gar streichen möchte, sollte wissen, dass Länder wie Singapur weit höhere Bodensteuern erheben und gleichzeitig ökonomisch dynamischer sind, da unverdiente Erträge auf Grund und Boden weggesteuert werden, Lohn- und Unternehmenssteuern aber entsprechend niedriger ausfallen. Eine funktionierende Marktwirtschaft benötigt sowieso kein Privateigentum an Grund und Boden; das weitverbreitete Erbbaurecht in vielen Ländern beweist das Gegenteil.

Unbestritten ist, dass im Gegensatz zu manch anderen Beschäftigten in der Verwaltung der Bruchsaler Kämmerer Steffen Golka einen recht guten Job macht und die Dinge zügig auf den Weg bringt. So konnte frühzeitig ein Hebesatz von 215 Punkten ermittelt werden, der eine aufkommensneutrale Umstellung der Grundsteuersystematik gewährleistet. Diesem, im Vergleich zu Nachbargemeinden moderaten Hebe-satz, hat die Mehrheit der Gemeinderäte zugestimmt. Auch Anja Krug, die während der Sitzung zugab, Autistin in Steuerfragen zu sein, aber dennoch (un)sinnigerweise zu diesem Sachverhalt die Stellungnahme der SPD-Fraktion vortrug.

Ein Vorschlag zur Güte: Ein Einspruch gegen den Steuerbescheid wird recht teuer, da dann eine Einzelbegutachtung erfolgt. Sollte diese aber aufgrund hoher Abweichungen tatsächlich erfolgreich sein, warum erlässt die Kommune dann nicht wenigstens teilweise die Gutachterkosten? Dies würde Prozesshansel von Klagen abhalten, die Hürde für berechtigte Anliegen aber nicht zu hoch legen und damit die Grundsteuerdiskussion innerhalb der Bürgerschaft etwas befrieden.

Übrigens: Es ist gerecht, dass mancher Pensionist, der in seinem großflächigen Garten hinter dem Einfamilienhaus am Stadtrand sitzt und dort den Vögeln lauscht, ab nächstes Jahr mehr Grundsteuer bezahlt, der Mieter im Mehrfamilienhaus in der Bruchsaler Moltkestraße, der mangels Balkon die Unterarme auf ein Kissen stützt und durch das geöffnete Küchenfenster den Ortsverkehr beobachtet, in Zukunft weniger Grundsteuer bezahlt, weil er weniger Grund und Boden nutzt. Nur Ideologen oder Libertäre bezweifeln dies!

Aus RegioMagazin WILLI 11/2024

 

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