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Auf den Spuren vergessener Geschichten – Besuch auf dem Friedhof Bruchsal

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Icon-Stadtmagazin WILLI Entdecken | Mit Stadtarchivar Thomas Moos besuchen wir den Bruchsaler Friedhof

Der Friedhof Bruchsal ist mehr als nur ein Ort der Trauer und des Schmerzes. Für viele Besucher strahlt er eine tiefe Ruhe und Besonnenheit aus. Die neun Hektar große Parkanlage mit ihrer vielfältigen Flora und Fauna gibt Besuchern die Möglichkeit zu entspannen und dem lauten Treiben der Stadt für einen Moment zu entfliehen. Dort erfahren sie Begegnung, können in andächtiger Stille nachdenken und in Erinnerungen schwelgen.

Aus dem RegioMagazin WILLI 11/18

Wer sich Zeit nimmt und aufmerksam durch den Park spaziert, kann spannende und interessante Dinge entdecken. Individuell gestaltete Grabsteine, mit modernen symmetrischen Formen und mit eleganten Schriftzügen beschriftet wechseln sich mit alten, in die Jahre gekommenen Gräbern mit verschnörkelten Innschriften ab. Beeindruckende alte Bäume, denen man ihre lange Geschichte ansieht, sorgen für den Parkcharakter der Anlage.

Zwischen bunt gefärbtem Laub und hochgewachsenen Sträuchern verstecken sich die kleinen Bewohner der Parkanlage. Man trifft auf quirlige Eichhörnchen, singende Vögel und neugierige Katzen. Im Herbst wird der Friedhof in einen ganz besonderen goldenen Glanz getaucht. Rötlichgelbe Blätter fallen von den Zweigen und suchen in den letzten warmen Sonnenstrahlen am Boden ihren Platz.

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Wer den Reiz des Vergangenen mag ist hier genau an der richtigen Adresse. Seit die ersten Bestattungen um 1276 im Bereich, wo heute die Peterskirche steht, stattgefunden haben, hat der Friedhof so einiges erlebt und unzählige Geschichten zu bieten. Wer sucht, kann die Gräber und Namen einiger bemerkenswerter Persönlichkeiten finden.

Bruchsals Stadtarchivar Thomas Moos kennt diese Orte schon. Er begab sich mit uns auf einen Rundgang durch den Friedhof und erzählte die zugehörigen faszinierenden Geschichten. Wir erfahren auch, dass die Stadt Bruchsal die besonderen Grabsteine mit stadthistorischem Bezug pflegt und erhält. Viele Gräber, die ältesten aus dem 15. Jahrhundert, sind noch immer in gutem Zustand.

Sehen Sie die Friedhofstour mit Thomas Moos Ende November 2018 auf www.kraichgau.tv

Ein Grabfeld für die Ehrenbürger der Stadt Bruchsal

 

Unser Rundgang beginnt beim Grabfeld der Ehrenbürger Bruchsals, unweit der Peterskirche. In der Mitte steht das Grabmal des Oberbürgermeisters Professor Franz Bläsi, der als erster Bürgermeister der Nachkriegszeit Bruchsals Wiederaufbau geleitet hat. Offiziell ist er eigentlich gar kein Ehrenbürger, weil er bereits während seiner Amtszeit starb. Aufgrund seiner wichtigen Arbeit, die er für die Stadt geleistet hat, beschloss man ihn trotzdem auf dem Ehrengräberfeld zu begraben.

Links neben ihm liegt sein Nachfolger Dr. Adolf Bieringer, der 1985, nach seiner Amtszeit als Oberbürgermeister, Regierungspräsident in Karlsruhe wurde. Ihm verdanken wir den Bau des Bürgerzentrums, sowie die Eingemeindung der fünf Stadtteile Bruchsals. Unter seinem prächtigen Grabstein entdeckt man einen kleineren. Dort wurde seine fünfjährige Enkelin Franziska begraben, die bei einem Unfall ums Leben kam.

Der großartige Erfinder Albert Obermoser – Pionier des Getriebemotorenbaus und Gründer der Firma Obermoser Motoren, aus der später die SEW hervorging – bekam ebenfalls den Titel des Ehrenbürgers verliehen. Ebenso Pfarrer Josef Kunz, der karitativ sehr engagiert war, zum Beispiel ist der Bau des Sancta Maria Bruchsal auf ihn zurückzuführen.

OB Professor Franz Bläsi ( *1893 †1988)
OB Professor Franz Bläsi ( *1893 †1988)

Dr. Adolf Bieringer | Bruchsal
OB Dr. Adolf Bieringer (*1928 †1988)

Pfarrer Josef Kunz (*1844 †1925)
Pfarrer Josef Kunz (*1844 †1925)
Unternehmer Albert Obermoser ( *1891 †969)
Unternehmer Albert Obermoser ( *1891 †969)
Ehrengräber | Friedhof Bruchsal
Das Ehrengrabfeld: Hier ruhen die Ehrenbürger Bruchsals.

 

Der israelitische Friedhof

 

Einen Stein auf den Grabstein zu legen ist bei den jüdischen Begräbnisstätten eine alte Tradition, der eine große Bedeutung inne wohnt. „Auch ich war hier“, sagt man damit, und lässt etwas zurück von sich, etwas, das mit Ehrerbietung für die Toten zu tun hat und auch als Stütze für die Angehörigen gelten kann.

In Bruchsal fanden wir auf manchen „neueren“ Gräbern abgelegte Steine, aber viele ältere Gräber scheinen vergessen. Vielleicht gerade deshalb strahlt der Ort eine tiefe Ruhe und Zufriedenheit aus.

Lioba Grillenberger (*1913 † 2005), Lehrerin, Stadträtin, Politikerin

Lioba Grillenberger | Friedhof Bruchsal
Lioba Grillenberger Grab

Eine immer schon emanzipierte Frau war Lioba Grillenberger, Lehrerin am Schloßgymnasium, wo sie im Keller des Gymnasiums auch den Bombenangriff auf Bruchsal am 1. März 1945 überlebte. Sie war die erste Rektorin des Leibniz Gymnasium Östringen (LGÖ). Sie studierte Latein, Englisch und Französisch. Davor unterrichtete sie am Schönborn Gymnasium in Bruchsal. Seit ihr Mann im Zweiten Weltkrieg gefallen war, lebte sie alleine. Neben ihren Pflichten als Rektorin des LGÖ, denen sie ab 1968 zehn Jahre lang nachging, war sie Stadträtin, gründete eine Abendrealschule, war Gründungsmitglied der Bruchsaler Frauen-Union und Vorstand des Bundes katholischer Frauen und saß im Kreistag Karlsruhe.

Außerdem reiste und fotografierte sie sehr viel. Thomas Moos erinnert sich daran, dass seine damalige Rektorin gerne Diavorträge hielt, in denen sie Fotos von fremden Ländern zeigte und über diese berichtete. Er erzählte, dass es damals für die Schüler etwas ganz besonderes gewesen war, Fotos von Australien, Nord – und Südamerika oder Afrika sehen zu können.

Babette Ihle (*1871 † 1943), Mundartdichterin und Marktfrau

Babette Ihle | Mundartdichterin
Babette Ihle | Grabstein | Friedhof Bruchsal

 

Eine kleine Berühmtheit auf dem Bruchsaler Friedhof ist Marktfrau Barbette Ihle. Auf den ersten Blick eine gewöhnliche Bauersfrau, alleinstehend und nicht besonders wohlhabend. In Wahrheit war sie aber viel mehr als das. Schon früh begann sie Gedichte zu schreiben. Erst nach ihrem Tod erlangte sie als Mundart-Schriftstellerin Bekanntschaft. Spätestens seit 2013, als eine Bronzestatue von ihr auf dem Barbette-Ihle-Platz neben der Kirche auf einer Bank errichtet wurde, könnte sie den meisten Bruchsalern ein Begriff sein.

Dr. Roman Heiligenthal (*1880 † 1951), Architekturprofessor

Roman Heiligenthal
Roman | Heiligenthal Grabstein

 

Auch Dr. Roman Heiligenthal, der seine Doktorarbeit über die Bruchsaler Baugeschichte des Mittelalters schrieb, zählt zweifellos zu den berühmteren Persönlichkeiten, die hier beerdigt sind. Die Suche nach seinem Grab gestaltete sich eher schwierig. Seinen Namen findet man, ganz unscheinbar und von Pflanzen verdeckt, auf der linken Fläche des Grabsteins seiner Eltern. Der Architekt hat zu Lebzeiten zahlreiche Bücher über Architekturgeschichte geschrieben und viele der Bauwerke, die er noch vor dem 2. Weltkrieg beschrieb, existieren heute verständlicherweise nicht mehr. Das macht seine Dokumentationen noch wertvoller. Dr. Heiligenthal arbeitete unter anderem auch bei der Berliner Bauverwaltung, wo er den Bau des Berliner Funkturms begleitete.

 

Kriegsdenkmäler

 

Der erste Weltkrieg

Während unseres Rundgangs stießen wir immer wieder auf eindrucksvolle Denkmäler. Eines der größten im Bruchsaler Friedhof erinnert an die gefallenen deutschen Soldaten des Ersten Weltkrieges. Es zeigt zwei am Boden kauernde Männer, von denen einer den anderen im Arm hält. In diesen Tagen, am 9. November 2018, gedenken wir dem 100. Jahrestag des Endes des Gemetzels. Ganz in der Nähe befinden sich zwei Gedenktafeln, die russischen Soldaten gewidmet sind, die im gleichen Wahnsinn starben.

Denkmal erster Weltkrieg | Friedhof Bruchsal

 

Der zweite Weltkrieg

Gänsehaut löst auch das große Grabfeld aus, auf dem viele einzelne Gedenksteine für die Opfer des Zweiten Weltkriegs stehen. Das besondere an diesem Denkmal ist, dass man ihm ein Buch aus Metall entnehmen kann. In diesem Buch stehen die Namen der Toten, sowie das Todesdatum. In den letzten beiden Spalten kann man die Reihe und die Grabnummer der Gedenksteine ausfindig machen, um seine verstorbenen Angehörigen zu finden.

Denkmal erster Weltkrieg | Friedhof Bruchsal
Denkmal erster Weltkrieg: Die Namen der Gefallenen Soldaten wurden in Stein gemeiselt
Thomas Moos | Denkmal 2. Weltkrieg | Bruchsal
Ein Buch aus Metall mit den Namen der gefallenen Soldaten. Thomas Moos zeigte uns den Aufbewahrungsort im Inneren des Denkmals

Der Friedhofsaufseher Sebastian Grundel

 

Schaurige Geschichten überliefern die Aufzeichnungen des ehemaligen Friedhofsaufsehers Sebastian Grundel. Dieser wohnte mitsamt seiner Familie im 1. Stock des Leichenschauhauses, mitten auf dem Friedhofsgelände.

Glocke zur Sicherheit – falls doch noch jemand lebt

Unten, wo die Leichen aufbewahrt wurden, hing eine Glocke. Diese Glocke stellte eine Sicherheitsmaßnahme dar. Falls eine der vermeintlichen Leichen doch nicht tot war, konnte der oder die „Auferstandene“ die Glocke läuten. Ob das jemals passiert ist?

Georg Grundel | Friedhofaufseher
Schaurig: Friedhofsaufseher Georg Grundel bei der Arbeit

 

Spannend ist, dass der Friedhofsaufseher Grundel direkt nach seiner Dienstzeit seine Memoiren schrieb und sie kurzerhand an das Bruchsaler Stadtarchiv weitergab. Er hatte zur Zeit des Zweiten Weltkriegs hautnah miterlebt, wie die Nationalsozialisten in Bruchsal herrschten.

So schildert er, dass er die Leichen von 55 Gefangenen abholen und begraben musste, welche 1944/45 im Bruchsaler Gefängnis hingerichtet wurden. In diesen Texten beschrieb Grundel ebenso, wie nach dem Luftangriff auf Bruchsal am 1. März 1945, die Leiber der Leichen in Schubkarren zum Friedhof hochgefahren wurden.

An diesem Tag kamen mehr als 1.000 Menschen ums Leben. Er berichtet weiter, wie die Leichen aufeinander gestapelt wurden und die Menschen, die den Angriff überlebt hatten, in den Menschenhaufen nach ihren Angehörigen suchten. Grundels authentische Berichte gelten heute als sehr wertvoll für die Stadtgeschichte.

Der kraftlose Hirte

Das mit Abstand größte und wohl auch bekannteste Grab auf dem Bruchsaler Friedhof ist das Familiengrab der Familie Hiby-Durst. Ein großes Kreuz überragt drei felsenartige Grabsteine, davor die Statue eines in sich gekehrten, kraftlosen Hirten. Seinen Hirtenstab hat er losgelassen.

Man kann diesem Grab sein Alter durchaus ansehen, da einige Stellen mit Moos überzogen sind. Insgesamt liegen fünf Familienmitglieder in dem großen Grab begraben.

DURST MALZ ist heute ein großer Malzhersteller, der aus dem Familienbetrieb von Karl Fritz und Reiner Hiby-Durst hervorging.

Hiby- Durst Familiengrab | Friedhof Bruchsal
Grösstes Grab auf dem Friedhof: Das Familien Grab der Familie Hiby-Durst. Die Familie gründetet 1824 eine Landbrauerei in Heidelsheim. Heute heißt das immer noch aktive Unternehmen Durst Malz.

Zwei Besucherinnen

Gabriele Krasel

„Ich komme seit 40 Jahren zwei bis drei Mal die Woche auf den Friedhof, um zusammen mit meiner Schwester das Grab unseres Vaters und meines Mannes zu besuchen. Ich genieße die Ruhe auf dem Friedhof. Hier habe ich das Gefühl meinem Mann und meinem Vater näher zu sein. Man trifft auch immer wieder Menschen mit denen man ins Gespräch kommt und sich austauschen kann. Das tut gut.“ (Gabriele Krasel)

Friederike Walter„Ich arbeite schon immer auf dem Friedhof und pflege die Gräber. Ich bin gern in der Natur und an der frischen Luft. Am liebsten bin ich auf dem israelitischen Friedhof, weil man dort meistens ganz allein ist und in friedvoller Stille nachdenken kann.“
(Friederike Walter)

 

Bruchsals Friedhof ist ein Ort der Vielseitigkeit. Er ist viel mehr als nur ein Friedhof, sondern auch ein Ort der Geschichte und der Inspiration. Es gibt viel zu entdecken und Interessantes zu erfahren. Einfach mal mit offenen Augen durch den Park laufen und die Natur in all ihrer Schönheit genießen.

Text: Milena Schiepan, Bilder: egghead und Stadtarchiv Bruchsal

 

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Siehe auch

ZEITschrift, WILLI Regiomagazin, Bruchsal, 1. März

WILLI | Unsere ZEITschrift zum 1. März – Hier ist sie erhältlich!

Ein Stück Geschichte, das Bruchsal für immer verändert hat, war der Luftangriff vom 1. März …

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