Das DRK betreibt seit 2017 in Karlsruhe-Mühlburg inmitten eines Wohngebiets eine Landeserstaufnahmestelle (LEA) mit über 200 Plätzen im ehemaligen „Christian-Griesbach-Haus“. Lisa Gruber, stellvertretende Kreisgeschäftsführerin des DRK im Landkreis Karlsruhe, gibt tiefe Einblicke in die Betreuung von Geflüchteten in ihrer Erstaufnahmeeinrichtung und erläuterte, wie aus ihrer Sicht die erfolgreiche Integration der Einrichtung in Mühlburg gelang. Dabei betonte sie die Bedeutung von klaren Regeln, einem wertschätzenden Umgang mit den Bewohnern und einer umfassenden Betreuung durch verschiedene Akteure wie das DRK, die Caritas und das Regierungspräsidium.
Das Gespräch endete mit einem positiven Ausblick: Trotz der Herausforderungen funktioniere die Einrichtung gut, weil ein enger Dialog mit den Anwohnern sowie das Engagement aller Beteiligten gewährleistet sei. Die Interviewpartner betonten, dass es wichtig sei, Vorurteile abzubauen und auf positive Beispiele hinzuweisen, um ein besseres Miteinander zu fördern.
Gesprächsinhalte:
- Vergleich Mühlburg und Bruchsal: Gruber berichtet von der Erstaufnahmeeinrichtung in Karlsruhe-Mühlburg, die sich seit 2017 mitten in einem Wohngebiet befindet, und zieht Parallelen zur geplanten Einrichtung in Bruchsal.
- Vorurteile und Realität: Gruber spricht offen über die medial verstärkten Vorurteile gegenüber Geflüchteten, wie die sogenannten „Messermänner“ und „Kopftuchmädchen“, und betont, dass solche Stereotypen nicht der Realität entsprechen.
- Bedeutung von Regeln und Betreuung: Ein interessanter Punkt ist, wie das DRK durch konsequente Betreuung und klare Regeln, die für alle Bewohner gelten, für ein geordnetes Miteinander sorgt. Gruber beschreibt, wie Neuankömmlinge zu Beginn eine Einführung in die Hausordnung erhalten und wie Verstöße, wie etwa Ruhestörungen, schnell geahndet werden, um den Frieden in der Nachbarschaft zu wahren.
- Emotionale Belastung der Mitarbeiter: Ein weiteres Thema sind die Herausforderungen, denen die Mitarbeiter des DRK begegnen, insbesondere im Umgang mit schwierigen Schicksalen oder plötzlichen Abschiebungen. Gruber erklärt, wie das DRK seine Mitarbeiter durch psychologische Unterstützung und regelmäßige Coachings stärkt, um die emotionale Belastung zu bewältigen.
- Dialog mit der Nachbarschaft: Gruber betont, wie wichtig der ständige Dialog mit den Anwohnern ist, um Bedenken zu zerstreuen und für ein friedliches Miteinander zu sorgen. Durch Veranstaltungen wie ein Nachbarschaftsfest wird der Austausch gefördert und das gegenseitige Verständnis gestärkt.
Transkript des Gesprächs
HINWEIS: Das Transkript wurde maschinell erstellt und enthält Fehler. Es gilt das gesprochene Wort.
Ulrich Konrad
Herzlich willkommen, liebe Zuschauer bei uns im Stadtstudio in den Sparkassen Arkaden. Der Sommer ist vorbei. Eigentlich natürlich nur wegen des Datums. Warm ist es noch immer und deswegen sind wir immer noch auf Festen und Veranstaltungen unterwegs drinne wie draußen. Im Moment natürlich noch mehr draußen, aber heute mal ein ganz anderes Thema. Heute haben wir ein Thema, das uns alle nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Wahlen in Sachsen in Thüringen beschäftigt.
Wir unterhalten uns mit der stellvertretenden Geschäftsführerin des DRK. Und jetzt wird’s schwierig, denn sie wird mir dann bestimmt helfen. Das DRK, die DRK Kreisgeschäftsführerin, die stellvertretende Kreisgeschäftsführerin im Landkreis Karlsruhe, Lisa Gruber. Herzlich willkommen bei uns im Studio. Bitte korrigieren Sie mich sehr gerne.
Lisa Gruber
Erst mal herzlichen Dank für die Einladung bekommen und zwar fast. Richtig. Stellvertretende Kreisgeschäftsführerin DRK Kreisverband Karlsruhe. Wir sind zuständig für den Stadt und Landkreis Karlsruhe.
Ulrich Konrad
Das war eigentlich das, was ich wissen wollte, weil bei uns wir trennen ja gerne mal mit manchen Dingen zwischen Landkreis und die Stadt selbst, die sich in manchen Institutionen da ein bisschen rausnimmt und ihre eigene Suppe kocht. Aber in diesem Fall sind sie für beides zuständig. Und wir haben uns heute ein Thema ausgesucht. Und da habe ich auf die Wahl in Thüringen, Sachsen ein bisschen verwiesen, weil das natürlich aufkocht in diesen Zeiten.
Es geht einmal mehr um Asylsuchende, um Asylanten, Wohnheime und da muss man ja schon aufpassen, dass man es richtig sagt. Ich werde den einen oder anderen Fehler machen dabei. Ich hoffe, Sie verzeihen Sie mir und die Zuschauer verzeihen es mir auch. Ist nicht böse gemeint, es ist einfach die Tücke, bei der Terminologie immer die richtigen Worte zu finden.
Es geht um die sogenannten Erstaufnahmeeinrichtungen, weswegen wir uns unterhalten wollen. Und da haben Sie jetzt, sage ich mal, ein Best Practice. Sie haben eins in Mühlburg, das ist ein Stadtteil in Karlsruhe, und da haben Sie Ihre Erfahrungen. Und diese Erfahrungen wollen wir von Ihnen ein bisschen kennenlernen. Und da will ich Fragen stellen, weil wir in Bruchsal eine ähnliche Situation möglicherweise vor der Haustür haben.
Was gibt es in Mühlburg zu sagen und weshalb sagen Sie, das ist ein Vorzeigemodell?
Lisa Gruber
Ja, also die Ähnlichkeiten zu der möglichen Erstaufnahmeeinrichtung in Bruchsal sind natürlich vorhanden. Ich glaube, deswegen sind wir auch auf dieses Thema gekommen. Sie haben es gerade schon gesagt: Die Landeserstaufnahme ist mitten in Karlsruhe in einem Wohngebiet. Das ist ein ehemaliges Pflegeheim. Viele Leute wissen gar nicht, dass es kein Pflegeheim ist, sondern dass es tatsächlich eine Flüchtlingsunterkunft ist.
Die Besonderheit ist, dass dort besonders schutzbedürftige Flüchtlinge untergebracht sind. Und ich kann das nachvollziehen, dass man, ich nenne es mal, Zweifel hat oder Überlegungen anstrebt. Kann das System funktionieren? Oder der Versuch, eine Erstaufnahmeeinrichtung in einem Wohngebiet zu implementieren? Und da würde ich als DRK Kreisverband Karlsruhe sagen: Ja, das kann funktionieren, natürlich unter bestimmten Voraussetzungen. Ganz klar sind verschiedene Akteure beteiligt.
Aber ja, es funktioniert seit 2017. Vorher, 2015, war die Einrichtung in Karlsruhe Durlach auch mitten im Wohngebiet. Das war auch ein ehemaliges Pflegeheim. 2017 sind wir dann umgezogen, wie gesagt, nach Mühlburg. Das ist das sogenannte Christian Griesbach Haus. Falls Ihnen das etwas sagt, kann man auch nachgoogeln.
Ulrich Konrad
Ich versuche jetzt mal, das nicht über einen Kamm zu scheren. Und Sie haben es ja auch gesagt: Es kann funktionieren. Es kommt nämlich auf viele Parameter an, zum Beispiel auf den Besatz. Also welche Menschen sind dort untergebracht? Wir sprechen oft und es wird durch die Politik und die Medien kommuniziert: Dann hören wir von den „Messermännern“ und den „Kopftuchmädchen“, als hätte jeder ein Messer in der Tasche. Von Tirolerhüten spricht in dem Zusammenhang niemand, und vom Faltenrock passt das auch nicht ins Bild. Aber durch das Penetrieren solcher Vorurteile, die dann noch beschwert werden mit den entsprechenden Argumenten, bleiben die Tatsachen manchmal nicht weit zurück.
Mitunter wird es natürlich auch verstärkt. Deswegen noch mal die Frage zurück zu meiner Ursprungsfrage: Der Besatz. Haben Sie als DRK einen Einfluss? Sie sind Betreiber. Haben Sie Einfluss auf den Besatz oder sind Sie auch in der unglücklichen Situation, alles machen zu müssen, was die Politik vorgibt?
Lisa Gruber
Jein, muss ich Ihnen da leider antworten. Also selbstverständlich: Das Regierungspräsidium Karlsruhe ist unser Auftraggeber. Da wird es auch in Bruchsal sein, also nicht unser Auftraggeber, aber der Auftraggeber für diese Einrichtung. Prinzipiell werden die, wir nennen sie Bewohner – also keine Flüchtlinge oder Geflüchtete, sondern für uns sind es Bewohner, weil wir das als wertschätzender und auf Augenhöhe betrachten. Dieses Wort müssen wir erst mal aufnehmen, so im Fachjargon.
Die Bewohner werden angekündigt. Am Montag um 10:00 Uhr kommt Familie XY zum Beispiel, und die müssen aufgenommen werden. Sorgen Sie oder tragen Sie dafür Sorge, dass das funktioniert. Aber, und jetzt kommt eben das „Jein“, wir haben auch Einfluss darauf, wenn wir merken, dass es in der Unterkunft zum Beispiel sogenannte „Störer“ gibt – also Ruhebelästigungen, aggressives Verhalten etc. Dann geht bei uns automatisch eine Meldung an das Regierungspräsidium raus, und in der Regel klappt es zuverlässig und auch relativ schnell, dass diese Personen in andere Unterkünfte verlegt werden.
Da hat das Regierungspräsidium Karlsruhe Gott sei Dank ein bisschen Auswahl, weil sie ja mehrere Unterkünfte haben. Und auch die achten natürlich darauf, dass man bestimmte Bevölkerungsgruppen nicht unbedingt Tür an Tür wohnen lässt. Das ist einfach so, das wissen wir, und das weiß auch das Regierungspräsidium Karlsruhe, das da einen Fokus darauf hat. So wie bei uns jetzt: Der Schwerpunkt liegt weniger auf religiösen oder ethnischen Themen, sondern auf der Schutzbedürftigkeit. Genauso ist es in anderen Landeserstaufnahmen, dass man dort zum Beispiel eher Bewohner aus den Balkanländern oder aus Afrika unterbringt. Man versucht, die Potenziale für Konflikte im Sinne der Völkerverständigung so niedrig wie möglich zu halten.
Ulrich Konrad
Jetzt versuche ich mal, den Fuß in die Tür zu stellen. Sie haben jetzt vielleicht den Idealfall genannt: Es kommt die Familie. Eine Familie ist natürlich anders, als wenn zehn Männer kommen. Ist das schon die erste Hürde, um einen harmonischen Zusammenhalt in dieser Einrichtung hinzukriegen? Etwas, wo Sie sagen, das passt, das passt nicht? Können Sie da schon ein bisschen an den Stellschrauben drehen?
Lisa Gruber
An der Stelle? Jetzt kenne ich natürlich das Konzept von Bruchsal nicht im Detail, logischerweise. Ich glaube, das kennen nur die entsprechenden Planer.
Ulrich Konrad
Das müssen wir auch nicht konkret machen. Ich frage eher allgemein.
Lisa Gruber
Natürlich hat es Vorteile, wenn – wie überall – ein gemischtes Publikum da ist. Aber ich würde prinzipiell davon absehen, zu verallgemeinern und zu sagen, nur weil dort überwiegend alleinreisende Männer sind, dass das problematisch wäre. Ja, ich kann nachvollziehen, dass das Bedenken weckt, aber – und das ist das, was ich eingangs schon gesagt habe – es sind viele Faktoren, die mit einspielen.
Da ist der Alltagsbetreuer, der darauf hinwirken kann, dass Rahmenbedingungen in der Unterkunft eingehalten werden. Es hängt auch davon ab, wie der Sicherheitsdienst auftritt. Ist er präsent und unterbindet schon kleine Streitigkeiten, oder lässt man es erst eskalieren? Das sind die Sozialbetreuer, in unserem Fall die Caritas, die mit Streetworkern vor Ort ist und sich mit den Bewohnern unterhält. Gibt es Probleme, die auffallen? Es gibt auch das Regierungspräsidium, das über einen Personalschlüssel wacht, der vorgibt, wie viele Betreuende für wie viele Bewohner vor Ort sein müssen.
Ulrich Konrad
Ich möchte eigentlich auf die Situation hinaus, dass uns bestimmte Vertreter von Parteien vermitteln, als würden wir hier das Tor aufmachen, alle kommen rein, Tor zu – macht, was ihr wollt. Ich höre hieraus, dass das Ganze mit hoher Verantwortung und Engagement verbunden ist. Ich unterstelle jetzt mal – aber korrigieren Sie mich –, es ist nicht nur Sache der Betreiber, sondern auch die Politik sagt: Achtung, ihr könnt nicht einfach nur Betten aufstellen, sondern ihr habt für jede Person, für jede Familie eine Verantwortung. Nicht nur für die Person, sondern auch für die anderen – auch für uns alle, die daneben wohnen. Vieles funktioniert nur, wenn die Einrichtung funktioniert. Andernfalls wäre es wie ein Gefängnis, und das wäre nicht richtig gesichert.
Kann man also guten Gewissens sagen, dass die Aussage „Macht, was ihr wollt“ nicht stimmt? Dass hier viel Aufwand betrieben wird, zum Schutz aller und auch für ein Wohlfühlklima?
Lisa Gruber
Absolut, zum Wohle aller. Ob das der Anwohner ist, der Bewohner oder der Mitarbeiter. Auch für den Mitarbeiter ist es kein schönes Arbeiten, wenn er weiß, dass es chaotisch zugeht. Das ist auch nicht unser Anspruch. Es gibt klare Regeln. Jeder Bewohner bekommt ein Ankunftsgespräch am ersten Tag und ein paar Tage später noch einmal eine Schärfung der Regeln. Es geht um Dinge wie: In den Gebäuden wird nicht geraucht, der Müll wird nicht aus dem Fenster geworfen. Das sind banale Dinge, aber wichtig.
Die Bewohner lernen, dass es hier Regeln gibt, egal, ob sie diese vorher kannten oder nicht. Wir erklären sie, geben Papiere mit den Regeln heraus, auch in Piktogrammen für Analphabeten. Wer sich nicht daran hält, bekommt Sanktionen – entweder von uns als Betreiber oder von der Polizei. Auch das Regierungspräsidium kann offizielle Sanktionen verhängen. Das Bild, dass man einfach die Tür aufmacht und die Leute machen lässt, ist absolut nicht richtig. Es ist viel Arbeit, viel Betreuung, viele Gespräche, aber es funktioniert. Und ja, das funktioniert zum Wohle aller, wenn sich alle an die Regeln halten.
Ulrich Konrad
Ich glaube, es gehört auch ein großes Maß an Verständnis dazu, gerade für die Situation der Geflüchteten. Diese Menschen werden plötzlich mit deutschen Tugenden wie Mülltrennung konfrontiert. Das ist ja schon für uns nicht immer leicht zu verstehen. Die sind vielleicht gerade um ihr Leben gerannt und dann kommt der deutsche Beamte und sagt: „Papier, Kartonage, Blech, Technikmüll.“ Da denkt man sich doch: Die haben andere Probleme. Müssen wir da nicht alle ein bisschen Geduld und Verständnis aufbringen, dass es nicht auf Anhieb klappt? Aber machen Sie die Erfahrung, dass mit Schulung, Einweisung und Geduld das Verständnis auch auf Seiten der Geflüchteten irgendwann vorhanden ist?
Lisa Gruber
Ja, auf jeden Fall. Die Menschen, die zu uns kommen, haben viel auf den Schultern. Natürlich wird es nicht von heute auf morgen perfekt funktionieren, weil sie sich erst einmal an unsere Regeln und Vorschriften gewöhnen müssen. Aber, wie Sie schon gesagt haben, es braucht Verständnis von beiden Seiten. Wir müssen den Bewohnern vermitteln: Das sind die Regeln, das sind die Rahmenbedingungen, in denen ihr euch bewegen könnt, und wenn ihr das einhaltet, wird es auch gut funktionieren.
Und ja, irgendwann verstehen die Menschen das. Ob sie in der ersten Woche schon alles richtig machen, vor allem bei der Mülltrennung, bezweifle ich – aber das ist auch in vielen deutschen Haushalten nicht anders. Wir müssen uns da Zeit geben, das ist klar.
Ulrich Konrad
Sie haben es gerade angesprochen: Wir sprechen hier von einer Erstaufnahmeeinrichtung, also einem Ort, wo die Menschen nur vorübergehend sind, bevor sie dauerhaft irgendwo untergebracht werden. Das macht es natürlich schwierig, weil ständig neue Menschen mit neuen Befindlichkeiten kommen. Sobald jemand „schwimmen gelernt“ hat, sozusagen, kommt der nächste Schwung von Menschen. Das muss doch ein unglaublicher Dauerstress sein. Wie gehen Sie und Ihre Kollegen damit um?
Lisa Gruber
Ja, das ist unser tägliches Geschäft. Es gehört für uns dazu. Seit 2015 arbeiten wir in diesem Bereich, seit 2017 an diesem Standort in Mühlburg. Das sind Prozesse, die sich wiederholen. In den Landeserstaufnahmen gibt es ja regelmäßig neue Bewohner, da ist es völlig normal, dass wir täglich oder mehrmals die Woche Neuzugänge haben. Diese Gespräche, die wir führen – die Ankunftsgespräche, die Regeln erklären – das ist für uns Routine. Es passiert ständig, es ist nichts Außergewöhnliches für uns.
Ulrich Konrad
Ich gehe jetzt mal von mir aus: Wenn ich etwas immer wieder erklären muss, kann das frustrierend sein. Wie der Lehrer, der immer wieder bei der ersten Stunde anfängt. Wie schaffen Sie das, nicht irgendwann die Geduld zu verlieren?
Lisa Gruber
Das gehört zu unserem Job. Es sind standardisierte Prozesse, so wie in jedem Unternehmen. Wir haben bestimmte Abläufe, die wir durchlaufen, und die funktionieren. Natürlich müssen wir auch immer mal wieder Anpassungen vornehmen, je nachdem, was es an neuen Regelungen oder politischen Vorgaben gibt. Aber insgesamt ist das nichts Außergewöhnliches. Das passiert einfach ständig.
Ulrich Konrad
Das ist beeindruckend. Aber es sind ja Menschen, die bei Ihnen arbeiten – und die leben ja auch in der gleichen Medienwelt wie wir alle. Die hören dieselben Nachrichten, lesen dieselben Zeitungen, in denen oft negativ über Asylbewerber und Geflüchtete berichtet wird. Wie gehen Ihre Mitarbeiter damit um, wenn sie diese negativen Schlagzeilen lesen und am nächsten Tag wieder in die Einrichtung gehen und Menschen betreuen müssen? Fällt es ihnen schwer, sich davon nicht beeinflussen zu lassen?
Lisa Gruber
Ja, das ist nicht immer leicht, aber unsere Mitarbeiter sind sehr nah an den tatsächlichen Geschehnissen dran. Sie erleben jeden Tag, dass nicht jeder Bewohner „böse“ ist, wie es manchmal in den Medien dargestellt wird. Natürlich gibt es schwierige Fälle, das ist nicht abzustreiten, aber die Mehrheit der Menschen, die wir betreuen, möchte sich integrieren und hält sich an die Regeln.
Unsere Mitarbeiter erleben das hautnah und wissen, dass die Realität differenzierter ist, als es oft in den Medien dargestellt wird. Was für unsere Mitarbeiter viel belastender ist, sind eher emotionale Themen, wie zum Beispiel Abschiebungen, die manchmal nachts stattfinden. Wenn man eine Familie oder eine Einzelperson monatelang betreut hat und sie dann plötzlich mitten in der Nacht abgeholt und abgeschoben wird, das ist sehr belastend.
Da unterstützen wir unsere Mitarbeiter mit Gruppencoachings, zum Beispiel zu den Themen Nähe und Distanz, und bieten psychologische Unterstützung an, wenn nötig. Die Mitarbeiter werden geschult, sich emotional abzugrenzen und die Probleme der Bewohner nicht mit nach Hause zu nehmen. Das ist wichtiger, als die negative Berichterstattung in den Medien.
Ulrich Konrad
Das glaube ich gerne. Und wie nehmen Sie die Stimmung in der Bevölkerung wahr? Sie haben schon gesagt, es gibt viele Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren und das Projekt unterstützen. Glauben Sie, dass solche positiven Beispiele wie Ihre Einrichtung in Mühlburg dazu beitragen könnten, die allgemeine Stimmung gegenüber Asylbewerbern und Geflüchteten zu verbessern?
Lisa Gruber
Ja, auf jeden Fall. Es gibt immer noch viele Menschen, die bereit sind zu helfen und sich zu engagieren, zum Beispiel durch ehrenamtliche Arbeit oder Spenden. Natürlich gibt es auch negative Stimmen, das kann man nicht abstreiten, aber die Mehrheit der Bevölkerung ist unserer Meinung nach positiv eingestellt. Es sind oft die negativen Stimmen, die am lautesten gehört werden, aber das bedeutet nicht, dass sie die Mehrheit repräsentieren.
Wir haben gerade erst vor ein paar Wochen ein Nachbarschaftsfest in unserer Einrichtung veranstaltet, zu dem auch die Anwohner und lokale Vereine eingeladen waren. Das wurde sehr gut angenommen, und solche Veranstaltungen tragen sicherlich dazu bei, das gegenseitige Verständnis zu fördern.
Ulrich Konrad
Das klingt nach einer positiven Entwicklung. Aber natürlich gibt es auch Fälle, in denen nicht alles reibungslos läuft. Wie gehen Sie mit solchen Problemen um? Haben Sie das Gefühl, dass Sie die Situation insgesamt gut im Griff haben?
Lisa Gruber
Ja, definitiv. Natürlich gibt es immer wieder Herausforderungen, das gehört einfach dazu. Gerade in den heißen Sommernächten, wenn alle Fenster offen sind und wir mitten in einem Wohngebiet sind, kann es zu Lärmbelästigungen kommen. Es gibt kulturelle Unterschiede, was das Verständnis von Nachtruhe betrifft, und natürlich melden sich dann die Anwohner, wenn es mal zu laut war. Aber durch den ständigen Dialog und das Bemühen, gegenseitiges Verständnis zu schaffen, lassen sich solche Situationen gut lösen.
Insgesamt würde ich sagen, dass wir die Situation gut im Griff haben. Auf einer Skala von 0 bis 10 würden wir uns definitiv bei einer 10 sehen.
Ulrich Konrad
Das klingt sehr positiv. Also, das Geheimnis ist der Dialog, der ständige Austausch mit den Anwohnern und den Bewohnern. Das ist wohl der Schlüssel, um eine solche Einrichtung erfolgreich zu betreiben.
Lisa Gruber
Ja, absolut. Der Dialog ist das A und O. Man muss immer im Gespräch bleiben, immer schauen, was man tun kann, um das Zusammenleben für alle Beteiligten so angenehm wie möglich zu gestalten.
Ulrich Konrad
Und die Sprache, das dürfte doch auch eine der größten Hürden sein, oder? Wie gehen Sie damit um, wenn jemand zu Ihnen kommt, der vielleicht noch kein Deutsch spricht?
Lisa Gruber
Ja, die Sprache ist definitiv eine Herausforderung. Aber heutzutage gibt es viele Möglichkeiten, das zu überbrücken, zum Beispiel mit digitalen Hilfsmitteln wie Google Translator. Wir hatten bisher noch keinen Fall, in dem wir nicht irgendwie kommunizieren konnten. Und oft ist es so, dass man mit Gesten oder einfachen Worten schon sehr weit kommt. Es ist wichtig, dass man miteinander spricht, auch wenn es anfangs schwierig ist. Das gilt nicht nur für uns als Betreiber, sondern auch für die Bewohner und die Nachbarschaft.
Ulrich Konrad
Das sind wirklich beeindruckende Einblicke. Wie viele Menschen sind aktuell in Ihrer Einrichtung in Mühlburg untergebracht?
Lisa Gruber
Wir haben eine Kapazität von bis zu 204 Betten. Der Höchststand lag bisher bei etwa 180 Bewohnern, und im Durchschnitt haben wir so zwischen 120 und 140 Bewohner, je nach Situation.
Ulrich Konrad
Liebe Zuschauer, das war Lisa Gruber vom DRK, und sie hat uns einen tiefen Einblick in die Arbeit einer Erstaufnahmeeinrichtung gegeben. Es läuft gut, auf einer Skala von 0 bis 10 haben sie die 10 erreicht. Es ist nicht alles so schlecht, wie es oft dargestellt wird. Manchmal sind die interkulturellen Begegnungen fruchtbar und können zu positiven Entwicklungen führen. Natürlich gibt es Probleme, wie überall im Leben, aber wenn man im Dialog bleibt und sich gegenseitig Verständnis entgegenbringt, lassen sich viele Dinge gut lösen.
Frau Gruber, vielen Dank für Ihren Besuch und viel Erfolg weiterhin. Ich hoffe, unsere Zuschauer haben heute einige wertvolle Informationen mitgenommen. Bis zum nächsten Mal und auf Wiedersehen!
Sehen Sie dazu unseren Filmbeitrag!