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Odolf Gattung

Bruchsal | Zeitzeugen berichten (Archiv 2019)

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Icon-Stadtmagazin WILLI Odolf Gattung – Nur eine Batterie holen

Foto: Stadtarchiv Bruchsal

„Ich wollte nur eine Batterie holen“, erzählt Odolf Gattung, wenn man ihn auf den 1. März 1945 anspricht. Er war damals elf Jahre alt und wohnte mit seinen Eltern und Geschwistern am Vorberg zwischen Durlacher Straße und Eisenbahntunnel. Sein Weg führte ihn in die Innenstadt zu einem Elektrogeschäft, etwa dort, wo heute das Gran Caffé ist.
Doch plötzlich, noch bevor er sein Ziel erreicht hatte, wurde die Batterie zur Nebensache. Er hörte, wie all die anderen auch, die Flugzeuge, die sich Bruchsal näherten. Er sah, wie es metallisch in der Sonne am Himmel funkelte und wie sich ein grauer Bombenteppich über die Stadt legte. Ungläubig schauten die Menschen auf das Geschehen und dann spürten sie die Detonationen mit dem ganzen Körper. Es wurde dunkel, obwohl die Sonne hoch am Himmel stand und die gespenstische Szenerie beschien. Rauch, Staub und Dreck füllten die eben noch laue Frühlingsluft und machten das Atmen schwer. „Ich habe das Knallen und Getöse heute noch in den Ohren.“ Alle hasteten in die Häuser, um irgendwo Schutz zu finden. „Mich zogen sie in einen Keller, dort wo heute das Restaurant ‚Erbprinz‘ ist, Ecke Friedrich-, Wilderichstraße. Aber es war mir zu heiß und zu eng. Ich bin wieder raus und irrte durch die Straßen oder was davon noch übrig war. Ich kam bis an die Eisenbahnlinie zur Zollhallenstraße und wollte doch wieder zurück zu meinen Eltern. Aber das war nicht möglich.“ Verzweiflung packte den Elfjährigen. Wo sollte er hin? Die Menschen strömten aus der brennenden Stadt hinaus. Nichts war mehr sicher. Die Flut der Flüchtenden riss ihn mit zum nördlichen Stadtrand. Dorthin, wo heute die Mülldeponie ist. Dann besann sich der kleine Odolf auf seine Großeltern in Stettfeld und er machte sich auf den Weg dorthin. Die Luft wurde erträglicher. Rauch und Staub wurden weniger. Hitze und Flammen ließ er hinter sich. Mit Schrecken blickte er auf Bruchsal. Nur weg! war sein erster Gedanke. Wo ist meine Mutter? sein zweiter. Er schaffte den Weg nach Stettfeld zu den Großeltern, wo er sicher war. Und, welch ein Wunder, nach Stunden der bangen Ungewissheit trafen am nächsten Tag auch seine Mutter und Geschwister dort ein. Der Vater war an der Front in Russland. Auch die restliche Familie hatten das Bombengewitter und der Splitterhagel aus der Stadt getrieben in der berechtigten Hoffnung, bei der Verwandtschaft Schutz zu finden.

„Wir hatten unser Zuhause verloren“, sagt Odolf Gattung, „aber wir hatten uns wieder gefunden.“

Heute hat er ein neues Zuhause in der Südstadt, wo er sich zusammen mit seiner Frau wohlfühlt und mit seinen Kindern und Enkelkindern – auch wenn sein Leben nach dem Krieg nicht immer geradlinig und leicht verlief.

Wir hatten im Dritten Reich einen Traum geträumt. Einen Traum von einer guten Zukunft und wollten nicht sehen, auf wessen Kosten diese Zukunft gegründet wurde. Wir ließen uns blenden und hatten ein schreckliches Erwachen, spätestens als alles in Trümmern lag – nicht nur unsere Häuser und Wohnungen, auch die Geschäfte und der Bahnhof, die Kirchen und das Schloss, die Straßen und die Plätze, wo wir gespielt haben.

Und heute noch stoßen wir auf unheilbringende Zeugen der damaligen Zeit, wenn man Blindgänger entdeckt, wie kürzlich auf dem Gelände der Bahnstadt in Bruchsal. Dies alles muss uns Mahnung für den Frieden sein.

Text und Bild: Martin Stock

Aus RegioMagazin WILLI 03/19

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