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WILLI-Reportage | Nachgedacht: Gemeinderatssitzungen für Hartgesottene

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Waren Sie schon einmal in einer Gemeinderatssitzung? Nüchtern ist manche Sitzung kaum auszuhalten. Nicht allein wegen unbeholfener Beiträge oder polternder Ratsmitglieder. Nein, oft auch wegen der Fülle unerquicklicher Themen. Bisweilen kommt die Ladung recht geballt; so wie vor Wochen im Bruchsaler Gemeinderat.

Allein der Ablauf der Sitzung ließ aufhorchen: Wurde doch zuerst verkündet, dass bei der Stadt die Taschen leer seien und gleich darauf diskutiert, wie man sich mit der Windenergie die Taschen vielleicht wieder füllen könnte. Aber der Reihe nach.

Als Bürgermeister Andreas Glaser sich erhob und die Haushaltstristesse verkündete, ahnte das zahlreich erschienene Publikum, woher der Wind wehte. Alle noch nicht begonnenen Vorhaben würden einkassiert, so Glaser, eine Haushaltsstrukturkommission eingerichtet, eine absolute Haushaltssperre sei verordnet und Neueinstellungen grundsätzlich auf Eis gelegt. Damit war klar, es würde nichts mit dem lang ersehnten Bolzplatz in Obergrombach oder der insektenfreundlichen Straßenbeleuchtung.

Kämmerer Steffen Golka blies ins gleiche Horn. Statt satten 60 Millionen Euro Gewerbesteuer rechnet man nur noch mit der Hälfte. Sämtliche Kreditlinien von 30 Millionen wären in zwei Jahren ausgereizt, mittelfristig fehlten rund 80 Millionen in der Stadtkasse. Golkas Fazit: Für die nächsten zwei bis drei Jahre sei Krise angesagt. Die Zeiten würden hart.
Daraufhin ergriff Werner Schnatterbeck für die CDU das Wort. Zwar legte er seine oberlehrerhafte Pose ab und meinte, philosophieren helfe nicht weiter, dafür geriet er zunehmend ins Lamentieren. Den Kommunen würden immer neue Verpflichtungen auferlegt, die Gelder dafür aber vorenthalten. Richtig, hätte man Schnatterbeck gerne zugerufen, aber weshalb traut sich keiner, Ross und Reiter beim Namen zu nennen? Denn auch die CDU-Abgeordneten aus unseren Wahlkreisen haben in Europa, Bund und Land meist artig die Hand gehoben und uns diese Suppe mit eingebrockt! Ob Asylgesetzgebung, Energiewende oder Bundesteilhabegesetz, was immer man nennen möchte; die Kosten und die gesellschaftlichen Konflikte werden meist bei den Kommunen abgeladen!

Ebenso bedauerten die anderen Ratsmitglieder die Haushaltslage; allein Roland Foos von den Freien Wählern meinte, alles schon vorher gewusst zu haben. Er war es auch, der sich beim Thema Windräder zur Aussage verstieg, die Stadt sei in den Verhandlungen durchaus erfolgreich gewesen, habe man doch die Windturbinen aus dem Kernbereich Bruchsals herausgehalten. Das brachte verständlicherweise die anwesenden Zuhörer aus den Ortsteilen derart auf die Kraichgaufichten, dass die Oberbürgermeisterin Cornelia Petzold-Schick das Publikum zur Ordnung rufen musste.

Bruchsal streitet über Windkraft-Millionen

Womit wir bei der sich anschließenden Windraddebatte wären. Hatte die Verwaltung früher noch von zwölf Windrädern gesprochen, so wollte man sich auf diese Anzahl nicht mehr festlegen. Da an den grundsätzlichen Beschlüssen des Regionalverbandes ja nicht mehr zu rütteln sei, wurden nun unverhohlen die haushaltspolitischen Zwänge als Argument in Stellung gebracht, um die fast 300 Meter hohen Kolosse in städtische Wälder zu stellen. Kämmerer Golka kalkulierte gleich längerfristig und befand recht geschickt, die zur Debatte stehenden Turbinen könnten in den nächsten zehn Jahren wenigstens
20 Millionen Euro in den gebeutelten Kommunalhaushalt spülen. Manche Räte schienen von dieser Summe beindruckt, wohl auch deshalb, weil Golka es tunlichst vermied, diese Einnahmen den Gesamtausgaben der Stadt von ungefähr 2000 Millionen Euro für den gleichen Zeitraum gegenüberzustellen.

Dass sich mit Windkraft keine Haushalte sanieren lassen, aber in deren Windschatten auch Privatpersonen zufällig und ökonomisch völlig unverdient Millionen in ihre dicken Taschen stopfen werden, darüber herrschte entweder betretenes Schweigen, purer Fatalismus oder man baute seitens der Verwaltung daraus gleich eine weitere Drohkulisse, um die Ratsmitglieder zu schnellen Entschlüssen zu drängen, um diesbezüglich Schlimmeres zu verhindern. Denn eine einzige Turbine bringt privaten Pächtern jährlich sechsstellige Summen, und zwar nach Abzug aller Kosten! Und natürlich kennt man in den Ortsteilen Bruchsals die Grundstücksbesitzer, die in Zukunft auf Malle
ganzjährig die Champagnerkorken knallen lassen können, während den Menschen vor Ort eine zerfurchte Landschaft überlassen wird.

Ist es ein Wunder, wenn Bürger darüber schäumen? Insbesondere dann, wenn großstädtische Atomkraftgegner wie die ehemalige grüne Bundestagsabgeordnete Sylvia
Kotting-Uhl aus Karlsruhe durch die Welt jetten, ihr vielgeliebtes, atomkraftfreundliches Japan bereisen, nachdem sie die Leute zu Hause jahrelang in Angst und Schrecken versetzten. Ähnlich der ehemalige grüne Umweltminister Baden-Württembergs Franz Untersteller, der sich praktischerweise einen hochdotierten
Beraterposten beim Mannheimer Energieversorger MVV verschaffte, deren Tochtergesellschaft JUWI in Bruchsal die Finger als Windradprojektierer im Spiel hat.

Nun ja, manche können von Windrädern gar nicht genug bekommen. So der grüne Gemeinderat Peter Garbe, der es schade fand, dass sich Ortschaftsräte gegen Windräder wehren und Abriebeffekte bemängeln, den Feinstaub an der Bundesstraße 35 aber scheinbar tolerieren. Garbe unterstellte den Windradkritikern schlichtweg Sturheit und engstirniges Verhalten.

Wer zahlt, wer profitiert, wer schweigt? 

Die Debatte gewann zunehmend an Fahrt. Dela Schmidt von rechts außen wollte das russische Gas reaktivieren, die grüne Svenja Gensow schwadronierte von Bruchsaler Hitzewellen mit 55 Grad in der Spitze. Auch Golka ergriff nochmals das Wort und überraschte mit dem Einwurf, die umfangreichen Rodungen wären positiv zu bewerten, lichteten sich dadurch doch die Wälder. Wenn dem so ist, fragte man sich, weshalb hatte Golka derartige Maßnahmen nicht schon lange vorher bei seinem Förster angemahnt? Aber vielleicht braucht es für diese lichten Stellen ja erst tonnenweise Betonfundamente.

Einer der wenigen, die aus der Mitte des Gremiums dagegen hielten, war CDU-Rat Wolfram von Müller, der der Verwaltung nebenbei auch eine schlampige Sitzungsvorbereitung unterstellte. Doch von Müller stand allein auf weiter Flur. Zwar lehnte das rechte Lager im Rat die Windkraft im Kraichgau grundsätzlich ab, der Rest des Hauses sprang aber über Glasers, Golkas und Petzold-Schicks Stöckchen. Damit scheint die drastische Verschandelung des Landschaftsbildes des Kraichgaus für Generationen auch bei uns fast schon besiegelt.

Übrigens steht am 13. Juli in Bruchsal die erste Runde der Oberbürgermeisterwahl an und spätestens am 27. Juli wird sich entscheiden, wer ab Herbst die schwindsüchtigen Haushaltskassen verwalten darf. Goldgräberstimmung wird nur unter den Windradprojektierern
herrschen.

Hubert Hieke

Aus RegioMagazin WILLI 07/2025 | Text: Hubert Hieke

 

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