Die durch die Bruchsaler Südstadt führende Franz-Sigel-Straße ist die einzige Straße in Bruchsal, die nach einem 1848er Revolutionär und Freiheitskämpfer benannt ist.
Unter den Anführern der Badischen Revolution war der am 18. November 1824 in Sinsheim geborene Franz Peter Sigel eine gewisse Ausnahmeerscheinung, da er sich als einer der wenigen Berufsoffiziere aus demokratischer Überzeugung der Revolution angeschlossen hatte. Sein Vater, der aus einer Bruchsaler Familie stammende Moritz Sigel, war für die politische Meinungsbildung seines Sohnes prägend gewesen.
Sigels Vater war früh Anhänger demokratischer Ideen
Als Verwaltungsjurist und Oberamtmann im Amtsbezirk Sinsheim wurde er schon früh Anhänger demokratischer Ideen, was schließlich zum Konflikt mit seiner Regierung und zur Frühpensionierung führte. Er zog mit seiner Familie in seine Geburtsstadt Bruchsal, wo Franz Sigel von 1838 bis 1840 das „Katholische Gymnasium“, das heutige „Schönborn-Gymnasium“ besuchte, bevor er an der Karlsruher Militärakademie zum Offizier ausgebildet wurde.
Nach seiner Ernennung zum Leutnant wurde er zum 4. Infanterieregiment nach Mannheim versetzt. Dort kollidierten seine liberalen Ansichten zunehmend mit dem rückständigen feudal-ständischen Militärsystem des Großherzogtums. Der Gewissenskonflikt zwischen militärischem Gehorsam und politischer Überzeugung führte schließlich 1847 zum Abschied aus der Armee.
Sigel bereitete sich im Winter 1847/48 in seinem Bruchsaler Elternhaus auf ein Jurastudium an der Universität Heidelberg vor, als der Ausbruch der Märzrevolution von 1848 seine bürgerliche Lebensplanung über den Haufen warf. Er fühlte sich berufen, seine militärischen Kenntnisse und Fähigkeiten den demokratischen Revolutionären zur Verfügung zu stellen.
Mannheim war im Jahre 1848 ein Zentrum der radikaldemokratischen Fraktion mit ihren Protagonisten, den Rechtsanwälten Friedrich Hecker und Gustav Struve, die sich mit einer konstitutionellen Monarchie nicht mehr zufriedengeben wollten und eine Republik nach dem Vorbild der USA anstrebten. Als sich Hecker und Struve mit ihren politischen Vorstellungen im Frankfurter Vorparlament nicht durchsetzen konnten, rief Hecker am 12. April 1848 in Konstanz den „freien Volksstaat“ aus. In einem bewaffneten Marsch über Freiburg und Offenburg nach Karlsruhe hoffte er die Massen zu mobilisieren und wie er es ausdrückte, die „Fahne der Republik aufzupflanzen“.
Eine Republik nach dem Vorbild der USA
Trotz seiner Skepsis bzgl. der Erfolgsaussichten des Unternehmens übernahm Sigel die Führung einer der Kolonnen des sog. Heckerzuges, da er „republikanisch gesinnt war und Hecker nicht im Stich lassen wollte“. Während Hecker bereits am 20. April mit seiner Kolonne im Gefecht bei Kandern von badisch-hessischen Truppen vernichtend geschlagen wurde, zog Sigel mit 4000 Mann gegen das von den Regierungstruppen umstellte Freiburg.
Sein Versuch, in die Stadt einzudringen, scheiterte an der Überlegenheit des Gegners. Sigel musste in die Schweiz fliehen, kehrte aber im Mai 1849 nach Baden zurück. Dort hatte nach dem Rastatter Soldatenaufstand der Landesausschusses der Volksvereine mit Lorenz Brentano als Vorsitzenden die provisorische Regierung übernommen.
Während der militärischen Auseinandersetzung mit den preußisch dominierten Interventionstruppen war Sigel zeitweise Kriegsminister, dann stellvertretender Kommandeur unter dem polnischen General Ludwik Mieroslawski und schließlich Oberkommandierender der Revolutionsarmee. Trotz tapferer Gegenwehr an der Neckarfront, bei Waghäusel, Sinsheim und vor Rastatt mussten sich die badischen Demokraten geschlagen geben. Es ist Sigels Verdienst, dass er die völlige Vernichtung seiner Truppen verhindern konnte und durch einen Rückzug in die Schweiz viele vor den preußischen Standgerichten bewahrt hat.
Exil in der Schweiz und in London
Nachdem die Badische Revolution endgültig niedergeschlagen war, verbrachte Sigel zunächst einige Jahre im Exil in der Schweiz und in London, bevor er 1853 in die USA auswanderte, wo er sich zunächst in New York, später in St. Louis niederließ und als Journalist, über-wiegend aber als Lehrer tätig war. Mit Ausbruch des amerikanischen Sezessionskrieges im Jahre 1861 begann er seine zweite militärische Karriere, in der er bis zum Generalmajor der Unionsarmee aufstieg.
„The Second Baden Revolution“
Für Sigel und die anderen in die USA emigrierten Demokraten war der Amerikanische Bürgerkrieg nicht nur ein Kampf zwischen dem Norden und den abtrünnigen Sklavenhalterstaaten des Südens für den Erhalt der Union. Für sie war er von vorneherein auch der „Zweite Freiheitskampf“ oder „The Second Baden Revolution“. Erneut ging es um Menschenrechte, die Abschaffung der Sklaverei, Freiheit und die Bewahrung der Demokratie, während die Südstaaten alte feudale Strukturen sozialer Ungleichheit verkörperten.
Zu Beginn des Bürgerkrieges hat Franz Sigel ganz entscheidend dazu beigetragen, dass der US-Bundesstaat Missouri in der Union verblieb. Er konnte nicht nur die ehemaligen Mitstreiter der Badischen Revolution, sondern tausende weitere deutschstämmige Amerikaner für die Sache der Union begeistern. Zu Beginn der Kampfhandlungen gelang im Mai 1861 die Einnahme von Camp Jackson, womit die Stadt St. Louis gegen den Zugriff der Südstaaten gesichert wurde.
In den anschließenden Gefechten im Südwesten des Staates, geriet er wie 12 Jahre zuvor in Baden erneut gegen überlegene gegnerische Verbände in die Defensive, konnte sich aber deren Zugriff entziehen. Seinen größten Triumph und damit die strategisch bedeutende Entscheidung westlich des Mississippis errang Sigel dann am 8. März 1862 in Pea Ridge, in der Nordwestecke des benachbarten US-Bundesstaates Arkansas, wo er mit seinen beiden „deutschen“ Divisionen den entscheidenden Angriff führte. Sigel war zum Idol der deutschstämmigen Unionssoldaten geworden. „I fight mit Sigel“ wurde ihr gemeinsames Motto.
Intrigen anderer Offiziere
Seine Anfangserfolge in Missouri brachten Sigel auch Neider und Feinde. Insbesondere die in Amerika geborenen und in West Point ausgebildeten Offiziere sahen es nicht gerne, dass ein „Ausländer“ zum Generalmajor befördert und ihm nach Pea Ridge das Kommando über das 1. Korps der Virginiaarmee im Osten übertragen wurde.
Bereits während des Virginiafeldzuges im Sommer 1862 wurde teils versteckt, teils offen gegen ihn intrigiert. Ein strategischer Rückzug in einem eigentlich weniger bedeutenden Gefecht, mit dem er seine Soldaten nicht unnötig verheizen wollte, wurde von seinen Gegnern aufgebauscht und als Schwäche ausgelegt. Enttäuscht und in seiner Gesundheit geschwächt resignierte er schließlich und nahm seinen Abschied.
Nach dem Krieg war Sigel als Zeitungsverleger, Journalist und Staatsbeamter tätig. Seinen demokratischen Überzeugungen blieb er auch in seinem zivilen Berufsleben, insbesondere in seiner journalistischen und politischen Arbeit treu. Vor allem sind es die Themen Integration der Einwanderer, Rechtsgleichheit und Toleranz, aber auch der Kampf gegen Nativismus, Korruption und Protektionismus, die uns in seinen Reden und Publikationen immer wieder begegnen.
In einem 1878 in der „International Review“ veröffentlichten Aufsatz untersucht er die heute noch hochaktuelle Frage, wie die Integration der Millionen Einwanderer verschiedener Nationalitäten und das Zusammenwachsen zu einer multiethnischen und multikulturellen Gesellschaft in den USA gelingen kann.
25 000 Menschen wohnten Sigels Trauerzug bei
Dabei entwirft er ein Modell, das auf einem gemeinsamen Grundkonsens des Zusammenlebens beruht und zwar die kulturelle Priorisierung der anglo-amerikanischen Mehrheitsgesellschaft, insbesondere der englischen Sprache anerkennt, aber dennoch die unterschiedlichen Wurzeln und kulturellen Eigenheiten der Einwanderer toleriert und als Bereicherung für die amerikanische Nation wahrnimmt und nutzt.
Als Franz Sigel vor 120 Jahren, am 21. August 1902 in New York starb, begleiteten über 25 000 Menschen den Trauerzug. In den USA wurden kurz nach seinem Tod zu seiner Erinnerung in New York und in St. Louis Reiterstandbilder errichtet, eine Ehrung, die in Sigels Heimat zur damaligen Zeit vorrangig Königen und Fürsten vorbehalten war.
Die Stadt Bruchsal kann stolz darauf sein, dass einer ihrer Bürger zu den bedeutendsten demokratischen Vorkämpfern des 19. Jahrhunderts gehört.
Text: Jürgen Dick
Aus RegioMagazin WILLI 09/2022
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