In der aktuellen Diskussion um die Abstimmung zur Migrationspolitik am Freitag hat sich unsere Leserin Karin Koch mit einem offenen Brief an MdB Nicolas Zippelius aus Weingarten gewandt. Aufgrund des öffentlichen Interesses an diesem Thema haben wir uns entschieden, den Brief in vollem Wortlaut zu veröffentlichen. Parallel haben wir den Bundestagsabgeordneten Nicolas Zippelius über den Inhalt informiert und ihm die Möglichkeit gegeben, auf gleicher Plattform Stellung zu beziehen. Er teilte uns mit, dass er sich direkt und telefonisch mit Frau Koch austauschen werde. Eine öffentliche Antwort von Herrn Zippelius gibt es daher an dieser Stelle nicht. Die Veröffentlichung dieses offenen Briefes bedeutet nicht, dass sich unsere Redaktion die darin geäußerten Meinungen zu eigen macht. Unser Ziel ist es, den Austausch und die Diskussion zu diesem wichtigen Thema zu fördern. Karin Koch leitet den Offenen Brief an unsere Redaktion wie folgt ein (Auszüge) : „Wir leben in beängstigenden Zeiten. Die alte Weltordnung, viele Gewissheiten, das Gefühl der Sicherheit – das alles löst sich auf. Die Werte, die eine Demokratie ausmachen und unterfüttern werden mit Füßen getreten. Auf Versprechen kann man sich nicht mehr verlassen. … Ein entscheidendes Versprechen wurde in der vergangenen Woche von dem Kanzlerkandidaten Friedrich Merz mit einem Handstreich beiseite gewischt. Er hat mit dem Unvereinbarkeitsbeschluss seiner Partei bezüglich einer Zusammenarbeit mit der in Teilen faschistischen AfD gebrochen, der wie folgt lautet: Wir leben in ungewöhnlichen Zeiten. Ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Maßnahmen. Dieser Brief ist das mindeste, das ich tun kann, auch wenn er schwer fällt… Herzliche Grüße Nicolas Zippelius Sehr geehrter Herr Zippelius, Sie sind der Bundestagsabgeordnete meines Wahlkreises Karlsruhe Land und damit mein direkter Vertreter in Berlin.
Sie sind Mitglied der CDU und somit mit verantwortlich dafür, wie sich diese Partei darstellt, wie sie im Bundestag agiert und welche Agenda sie dort und in der Öffentlichkeit vertritt.
Sehr geehrter Herr Zippelius, ich muss Ihnen mitteilen, dass ich zutiefst erschüttert bin über das Verhalten Ihres Parteivorsitzenden Friedrich Merz. Im Angesicht der fürchterlichen und unverzeihlichen Tat eines offenbar psychisch kranken Menschen, der zwei Unschuldige in Aschaffenburg getötet hat, ist es nicht nur nachvollziehbar, sondern dringend erforderlich, dass über Maßnahmen, die eine solche Untat in Zukunft verhindern sollen, nicht nur nachgedacht werden muss, sondern auch rasch und effektiv gehandelt.
Mein Mitgefühl ist mit den Betroffenen und Hinterbliebenen. Ihr Leid ist unvorstellbar, ihre Trauer nicht zu ermessen. Für sie kommt jede nun geplante Maßnahme leider zu spät. Herr Merz hat ja recht schnell einen Fünf Punkte Plan aufgestellt, um dieser schrecklichen Tragödie zu begegnen.
Dass dieser Plan allerdings in weiten Teilen gegen geltende deutsche und europäische Gesetze verstößt, werde ich weiter unten erläutern.
Was mich aber buchstäblich nachts nicht schlafen lässt ist, dass Ihr Parteivorsitzender bei der Umsetzung dieses Plans die sogenannte und von ihm mehrfach beschworene Brandmauer zur in Teilen faschistischen Partei AfD einreißen möchte.
Ich dachte, ich könne mich als Wählerin auf den sogenannten Unvereinbarkeitsbeschlusses der CDU verlassen. Darin wird Folgendes versprochen: „Jeder, der in der CDU für eine Annäherung oder gar Zusammenarbeit mit der AfD plädiert, muss wissen, dass er sich einer Partei annähert, die rechtsextremes Gedankengut, Antisemitismus und Rassismus in ihren Reihen bewusst duldet. (…). Die CDU lehnt jegliche Koalitionen oder ähnliche Formen der Zusammenarbeit mit der AfD ab.“ Das gilt nun nicht mehr, denn Herr Merz sagte öffentlich und wörtlich: „Mir ist es völlig gleichgültig, wer diesen Weg (des Fünf Punkte Plans) politisch mitgeht.“
Und inoffiziell wurde folgende Aussage von ihm getätigt: „Wer diesen Anträgen zustimmen will, soll ihnen zustimmen. Und wer sie ablehnen will, der soll sie ablehnen. Ich gucke nicht rechts und nicht links.“
Das heißt konkret: Er würde bei der Umsetzung seines Plans mit der AfD zusammenarbeiten.
Die Vorsitzendende der AfD, Alice Weidel frohlockt bereits auf der Social Media Plattform X: „Die Brandmauer ist gefallen.“ Und bietet Herrn Merz weitergehende Zusammenarbeit an. Mit Friedrich Merz ist das nicht möglich. Nicht nur, dass er gegebene Versprechen bricht, er verstößt mit seinem Plan gegen geltende Gesetze und arbeitet mit einer rechtsextremen, antisemitischen und rassistischen Partei zusammen, die mit dem Ziel gegründet wurde, Deutschland aus der EU zu führen. Im Folgenden möchte ich bis dahin nicht versäumen, zu erläutern, was an Herrn Merz‘ Plan nicht nach Recht und Gesetz durchgeführt werden kann.
Herr Merz verspricht im Falle, dass er zum Kanzler gewählt werde „An Tag eins“ seiner Kanzlerschaft das Innenministerium anzuweisen, alle Grenzen dauerhaft zu kontrollieren und ein „faktisches Einreiseverbot“ für alle Menschen ohne gültige Papiere durchzusetzen.
Dieses Versprechen verstößt gegen gültige Gesetze, denn: Zurückweisungen an der Grenze können in Einzelfällen illegaler Einreise zulässig sein. Herr Merz bezog in seine Forderung allerdings ausdrücklich auch „Personen mit Schutzanspruch“ ein. In diesem Fall wäre eine Zurückweisung rechtswidrig. Selbst wenn nach der sogenannten Dublin-III-Verordnung ein anderer EU-Mitgliedsstaat für das Asylverfahren eines Schutzsuchenden zuständig ist, müsste
Deutschland ihn zunächst aufnehmen, bis die Zuständigkeit geklärt ist. (Nur nebenbei: Dass diese Verfahren häufig zu lange dauern, ist eine Tatsache. Hätte Herr Merz gefordert, sie zu beschleunigen, meine Unterstützung wäre ihm sicher gewesen.
Nun jedoch frage ich mich besorgt, wie sich ein deutscher Politiker, der ein hohes Amt anstrebt, dazu hinreißen lassen kann, in Manier eines Donald Trump als eine der ersten Amtshandlungen einen Gesetzesbruch durchsetzen zu wollen.) Des Weiteren fordert Merz, Ausreisepflichtige Straftäter und Gefährder „in zeitlich unbefristeten Ausreisearrest“ nehmen. Das Aufenthaltsgesetz sieht einen Ausreisegewahrsam zwar vor, dieser ist aber auf 28 Tage begrenzt. Ein unbefristeter Arrest wäre weder mit deutschem noch mit europäischem Recht vereinbar.
(Meine Frage ist: Weiß Herr Merz das nicht, oder ist es ihm gleichgültig, dass seine Forderung nach geltendem Recht auch europäische Gesetze brechen würde?) Sehr geehrter Herr Zippelius, ich bedanke mich, dass Sie sich die Zeit genommen haben, meine ausführlichen Erläuterungen bis hierhin zu lesen. Bitte tragen Sie dazu bei, unsere Demokratie zu Bitte wirken Sie auf Ihren Parteivorsitzenden ein, seine Forderungen und Pläne den Gesetzen anzupassen und vor allem: Bringen Sie ihn davon ab, mit der AfD zusammenzuarbeiten. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg dabei. Karin KochOffener Brief zur Bundestags-Abstimmung am kommenden Freitag über die künftige deutsche Migrationspolitik
Die CDU lehnt jegliche Koalitionen oder ähnliche Formen der Zusammenarbeit mit der AfD ab. …
Karin Koch“Offener Brief an
Abgeordneter der CDU des Wahlkreises Karlsruhe-Land im Bundestag
Bretten, 25. Januar 2025
Während ich dies schreibe, zittern meine Hände, Herr Zippelius. Ich bin nicht nur besorgt. Ich habe Angst. Und aus Gesprächen mit Mitmenschen weiß ich, dass es nicht nur mir so geht.
In einer Zeit, in der die gewohnte Weltordnung durch den Krieg des russischen Despoten Wladimir Putin und die erneute Präsidentschaft des Antidemokraten Donald Trump in Amerika tiefe Risse bekommen hat, in einer Zeit, in der sich Elon Musk, einer der reichsten und somit mächtigsten Männer der Welt dazu hinreißen lässt, während der Amtseinführung des amerikanischen Präsidenten eine Geste zu zeigen, die fatal an einen Hitlergruß erinnert, in einer Zeit also, in der faschistisches Denken und Handeln wieder erstarkt, könnte gerade Deutschland dazu beitragen, dass die Demokratie geschützt und gestützt wird, dass Risse geschlossen werden, dass wir vereint gegen die Auflösung aller stabilisierenden Werte stehen.
Sehr geehrter Herr Zippelius, wie stehen Sie zu den Aussagen Ihres Parteivorsitzenden? Teilen Sie seine Haltung, unterstützen Sie Inhalt und Durchführung des Fünf Punkte Plans?
Oder kann ich mich wenigstens auf Sie als aus meinem Wahlkreis entsandtes Mitglied des Bundestages darauf verlassen, dass Sie sich gegen einen Gesetzesbruch und die Zusammenarbeit mit der AfD stellen?
Ich warte mit Angst und mit Sorge auf Ihre Antwort.
stärken.
Freundliche Grüße
Bretten
Siehe auch
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