UPDATE | Hin und weg und anders beim Alten Feuerwehrhaus in Bruchsal (Archiv 2021)

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3.9. | Dass der Schriftzug „Feuerwehr“ am alten Feuerwehrhaus in der Friedrichstraße so plötzlich, still und heimlich abmontiert wurde, ärgerte Journalist Rainer Kaufmann gewaltig. Das Bruchsaler Urgestein ist sein Leben lang ein kritischer Beobachter der Bruchsaler Politszene.

kaufmann-thomasWie bekannt ging die Bruchsaler Synagoge in der Pogromnacht am 9.11.1938 in Flammen auf. Die damalige Feuerwehr kam in jener grausamen Nacht ihrer Verpflichtung nicht nach und blieb untätig. Dass nach dem Krieg der Platz der ehemaligen Synagoge ausgerechnet zum Feuerwehrareal mit Feuerwehrhaus „umgewidmet“ wurde, ruft vor diesem geschichtlichen Hintergrund bis heute besondere Kritik hervor.

Nach dem Umzug der heutigen Bruchsaler Feuerwehr in die Bahnstadt sollen Haus und Areal einer neuen Bestimmung übergeben werden. Immerhin handelt es sich bei Gebäude und Grundstück um ein für die Bruchsaler Stadtgeschichte bedeutendes Ensemble, dessen Zukunft und Neugestaltung einen angemessenen politischen Anspruch erfüllen soll. Nicht zuletzt deshalb war die Neugestaltung auch von der Bruchsaler OBin als „Chefsache“ benannt worden.

Plötzliche Demontage

Um so unverständlicher ist es für Kaufmann, dass nun mit der Demontage des Feuerwehrschriftzuges „über Nacht“ nicht nur ein wesentliches Kennzeichen verschwunden war, sondern dass es möglich ist, dass jemand ungefragt bei der Umgestaltung tätig werden kann. Dies auch entgegen des Wunsches der neu gebildeten „Kommission für Stadtgeschichte“, dass bis zur Klärung der Zukunft dieses Areals keine Veränderungen am Feuerwehrhaus vorzunehmen seien.

Umso überraschender, dass gerade die Feuerwehr selbst kürzlich angerückt sei und die Schrift samt Signet entfernte. Auch wenn das alte Feuerwehrhaus mittlerweile als solches ausgedient hat, sollte dieses Zeit-Dokument sozusagen als „Beweissicherung“ und unrühmliches Signal einer Geschichtsbewältigung Made in Bruchsal zumindest vorläufig im Original erhalten bleiben.

Der Protest Kaufmanns hatte offensichtlich Erfolg, denn nach einigen Tagen Abwesenheit kehrte der Schriftzug genauso schnell und  heimlich wieder zurück und zeigt sich an alter Stätte.

UPDATE 6.9.

Schriftzug „FEUERWEHR“ von neuem Malteserbanner  überdeckt

Die Dinge am Alten Feuerwehrhaus entwickeln sich schnell. Nach kurzer Phase der Wiederkehr des Feuerwehrschriftzuges Ende letzter Woche wurde er nun von einem Banner der Malteser überdeckt, die in dieses Gebäude eingezogen sind.

6.9.2021 | Zu unserem Artikel hat uns Rainer Kaufmann eine  Kommentar geschickt.

Kommentar zur Entwicklung am Feuerwehrhaus in Bruchsal

Von Rainer Kaufmann

Weiß eigentlich in der Bruchsaler Stadtverwaltung die Rechte noch, was die Linkte tut? Oder, genauer gesagt: Weiß eigentlich die Spitze des Rathauses, was untergebene Instanzen und Institutionen vorhaben? Und umgekehrt: Kümmern sich untergeben Instanzen und Institutionen eigentlich um das, was die Rathausspitze gerade vorhat oder unternimmt?

Diese drei Fotos, aufgenommen am 27. August und dann am 3. und 4. September geben Zeugnis vom Führungs- und Informations-Chaos, das dort anscheinend herrscht. Am 2. Juli hat die Bruchsaler Feuerwehr in einer Nacht- und Nebelaktion und offensichtlich ohne Abstimmung mit der Rathausspitze die rote Beschriftung Feuerwehr entfernt. Nach heftiger Kritik aus der Stadtgesellschaft wurde die Beschriftung am 3. September überraschend wieder angebracht. Und schon am 4. September wurde sie mit einer neuen Beschriftung „Malteser“ wieder kaschiert.

 

   

 

Und das alles ohne jede Unterrichtung der Öffentlichkeit durch die sonst doch so aktive Pressestelle der Stadtverwaltung, die keine Gelegenheit auslässt, Vorgänge, die oft genug kaum jemanden interessieren, mit Kommentaren der Rathausspitze anzureichern und aufzuwerten. Höhepunkt dieser Öffentlichkeitsarbeit waren gleich zwei Pressemeldungen innerhalb weniger Tage zur mobilen Eisdiele, die im August für ein paar Stunden pro Woche die Attraktivität des Rathaus-Vorplatzes ganz erheblich steigerte.

Zum Feuerwehrhaus und der Umgestaltung der Fassade: Kein Kommentar, keine Information, keine Meldung. Und zu all den kritischen Fragen zum dem Vorgang, die in der Öffentlichkeit gestellt wurden, bis heute keine Antwort oder gar Erklärung. Das alles spricht nicht gerade dafür, dass es sich dem Hick-Hack am Feuerwehrhaus um eine irgendwie geplante und durchdachte Aktion gehandelt hat. Diese hektischen Aktivitäten darf man wohl nur unter dem Stichwort Schadensbegrenzung ablegen.

Dabei hatten sich Stadtverwaltung und Gemeinderat, als es vor drei Jahren um die Nachnutzung des Synagogen-Feuerwehr-Geländes ging, zu einer wirklich einmaligen Aktion entschieden, nämlich zu einer groß angelegten Bürgerbeteiligung, die auch außerhalb von Bruchsal für erhebliche Resonanz gesorgt hat.

Was ist daraus geworden? Bei der Frage, welche dieser Ideen wie umgesetzt werden kann, ist keine Bürgerbeteiligung mehr vorgesehen. Ein Förderverein, ohne dessen Initiativen die Stadt mit ihrem „Filet-Grundstück“ sicher ganz anders umgegangen wäre, wird ebenso wenig in die weiteren Diskussionen einbezogen wie andere Gruppierungen, etwa die Nachfahren der früheren jüdischen Gemeinde von Bruchsal, die sich in einer Petition zur Mitarbeit angeboten haben.

Oder die Kommission für Stadtgeschichte, deren Expertise von gewissen Etagen der Bruchsaler Stadtverwaltung offensichtlich nicht wertgeschätzt wird. Dabei hatte diese die Stadt aufgefordert, die Geschichte des Synagogen-Grundstücks historisch einwandfrei aufzuklären, bevor weitere Entscheidungen zur späteren Nutzung getroffen werden. Geschehen ist nichts. Außerdem wurde die Stadt von dieser Kommission historischer Fachleute, die der Gemeinderat berufen hat, aufgefordert, am Feuerwehrhaus selbst keine Veränderungen vorzunehmen, bis eine endgültige Entscheidung über die künftige Nutzung und Gestaltung des Geländes getroffen ist. Wozu gibt es eigentlich diese Kommission, wenn sie von Teilen der Stadtverwaltung einfach ignoriert wird?

Und noch eine Frage ist jetzt zu stellen: Wie stehen die Mitglieder des Gemeinderats und seine Fraktionen zu dem Hick-Hack, das die Stadtverwaltung in dieser Frage vorgeführt hat? Wird dieses Gremium seiner Kontrollfunktion im Auftrag der Bürgerschaft nachkommen und nach diesen Erfahrungen wenigstens ein paar kritische Fragen stellen und Schlussfolgerungen für die Zukunft anregen? Und dies in aller Öffentlichkeit, wie es sich für ein Parlament gehört?

Die Lehre aus diesem unvorstellbaren Verhalten der Stadtverwaltung kann eigentlich nur lauten: Macht die Diskussion zum Thema Synagoge-Feuerwehrhaus endlich wieder öffentlich. Bezieht Bürger und Organisationen der Stadtgesellschaft ab sofort in alle weiteren Diskussionen ein in einem geeigneten Forum und Format. Gebt denen, ohne deren mehrjähriges Engagement schon längst ein Investor das Gelände in seine Obhut genommen hätte, eine Chance, an der Konzeption der künftigen Nutzung dieses historisch sensiblen Areals aktiv mitzuwirken.

Meine Bitte an Politik und Verwaltung dieser Stadt: Nehmt das Angebot auf bürgerschaftliche Teilhabe, auch das Angebot auf bürgerschaftliche Mit-Verantwortung für die Zukunft dieses Areals endlich ernst und lehnt es nicht länger ab. Nur so kann Bruchsal das erfolgreich umsetzen, was mit einer großen Bürgerbeteiligung einmal begonnen hat. Das Desaster mit der Fassade hätte man mit einer offenen Kommunikation vermeiden können.

 

 

Landfunker berichtete:

Nachnutzung des alten Bruchsaler Feuerwehrhauses – Behutsamkeit, Achtung und Respekt vor einem Platz mit dieser Geschichte (Archiv 2021)

STUDIOGESPRÄCH | Bruchsals Last mit der Geschichte – Dr. Günter Majewski über Synagoge und altes Feuerwehrhaus (Archiv 2021)

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