OBERGROMBACH | Wir woll’n doch nur spiel’n!

Icon-Stadtmagazin WILLI

Wer sich fragt, weshalb unsere Behörden überlastet sind und warum auch vor Ort viel Sand im Getriebe den Vollzug von Beschlüssen und Projekten hemmt und verzögert, ganz zu schweigen von kostenträchtigen Ineffizienzen, findet immer wieder eindrucksvolles Anschauungsmaterial.

Aus der WILLI-Reihe „Nachgedacht | Von Hubert Hieke

Seit Jahren hofften Obergrombacher Familien und gemeinwohlorientierte Bürger, dass im Stadtteil ein zentrumsnaher Bolzplatz entstünde, auf dem Kinder und Jugendliche ihre Freizeit verbringen und sich austoben könnten. Wer mit der Familie nicht jährlich mehrmals in den Urlaub kann und oft wochenlang seinen Nachwuchs angesichts der Ferienzeiten in Kindergärten und Schulen selbst zu betreuen hat, weiß, wovon die Rede ist. Und selbst im Sommer ermöglicht das Wetter nicht immer einen Aufenthalt im idyllischen Obergrombacher Freibad.

Deshalb suchte man einige Jahre nach einer geeigneten Liegenschaft, mehrmals war nahe des Freibads ein Platz angedacht, der allerdings im Sommer den Badegästen als Parkmöglichkeit dient. Schlussendlich fand sich auf dem Gelände der Burgschule eine 300qm große Fläche, die die Voraussetzungen für einen Bolzplatz zu erfüllen schien. Auch deshalb, weil nach einigem Bemühen dieser Teil des im städtischen Eigentum befindlichen Geländes juristisch aus der Verantwortung der Schule genommen werden konnte.

Nachdem man also endlich einen Standort gefunden hatte, stellte sich allerdings heraus, dass der angedachte Bolzplatz zu nahe an der sich anschließenden Wohnbebauung lag. Also musste für die vorgesehene Nutzung der Fläche ein Lärmgutachten in Auftrag gegeben werden, welches ergab, dass zwar ein Spielplatz, aber kein Bolzplatz möglich sei. Letzterer sei nur machbar, wenn Schallschutzmauern errichtet würden. Dies wiederum lehnte das Stadtplanungsamt angesichts der erwartbaren Kosten umgehend ab.

Bürokratendschungel statt Bolzplatz.

Was allerdings möglich schien: Ein sogenanntes Kleinspielfeld mit einer Fläche von 10×15 Metern, auf der sich offiziell zwei Mannschaften mit jeweils drei Heranwachsenden aufhalten durften. Dazu bräuchte es dann keinerlei Lärmschutzgutachten und statt einer Lärmschutzwand reichte eine Umzäunung des Geländes.

Rechtlich war also ein Kleinspielfeld machbar, Einsprüche der Anwohner wurden berücksichtigt und eine Nutzung auf Kunstrasen mit zeitlicher Befristung am Abend wäre gestattet. Mit zwei Toren für das Spielfeld veranschlagte man die Maßnahme mit rund 76.000€, inklusive der Umzäunung und den Erdarbeiten.

Diese Alternative wurde nun weiter verfolgt. Wer allerdings meint, die Dinge seien damit abschließend auf einen guten Weg gebracht worden, dem kann nur gesagt werden: Weit gefehlt angesichts von bundesdeutschem Bürokratendschungel und Verwaltungsdickicht. Vielmehr begab man sich jetzt erst so richtig ins Unterholz. Denn was natürlich keineswegs fehlen darf, um ein derartiges städtebauliches Jahrhundertprojekt auf den Weg zu bringen: Die Beteiligung aller denkbar betroffenen oder auch nur scheinbar tangierten Institutionen und Behörden.

Dazu gehörten TransnetBW und die Stadtwerke, könnten doch Stromleitungen oder gar Höchstspannungsleitungen irgendwo im Untergrund vorhanden oder geplant sein. Nun mag dieser Sachverhalt noch durchaus nachvollziehbar sein, als Nächstes galt es aber, sich mit der Bundeswehr abzustimmen. Ist diese doch nur wenige Kilometer entfernt stationiert und in den Wiesen und Wäldern der Umgebung zugange. Sollte das Kleinspielfeld den Übungen der Truppe entgegenstehen? Gar dem Transport von Dixi-Klos, die für die Soldaten bei längerem Aufenthalt im Gelände eigens in die Landschaft gestellt werden, wie Spaziergänger wiederholt beobachten? Kämen die strahlend weißen Sprinterfahrzeuge, die die Bundeswehr für die Logistik benutzt, nur mit Verzögerung zu den in Tarnfarben wartenden Truppenteilen, wie mancher Beobachter spekulierte? Wird im Verteidigungsfall ein Kleinspielfeld sogar zu einem strategischen Hindernis?

Viel Gerede, kein Ergebnis.

Danach wurden der ÖPNV und die Straßenverkehrsbehörden befragt, könnten doch durch das Kleinspielfeld möglicherweise der reguläre Straßenverkehr beeinträchtigt oder Buslinien verlegt werden müssen. Was für manchen Beobachter aber dem Ganzen die Krone aufsetzte, war die scheinbar unabdingbare Beteiligung der Denkmalschutzbehörden. Denn im Gebiet Danzberg, wo das Kleinspielfeld geplant war, existierten aus der Merowinger Zeit oberhalb der Hauptstraße und Winzerstraße Grabfelder. Diese knapp zwei Meter unter der Erdoberfläche befindlichen Gräber wurden 1934 gefunden und freigelegt sowie danach eindrucksvoll in der Chronik „600 Jahre Stadt Obergrombach“ von 1936 mit Bildmaterial dokumentiert. Allerdings waren diese inzwischen zugeschütteten Grabfelder mehr als 100 Meter von dem angedachten Spielfeld entfernt. Dazwischen liegt die in der Nachkriegszeit erbaute Burgschule und ein Neubaugebiet, bei dessen Erschließung keine weiteren Gräber gefunden wurden. Das gesamte Gelände, so sagen Ortskundige, wurde inklusive der dort angedachten Fläche für das Spielfeld seither mehrmals vollständig umgepflügt.

Und obgleich für das Kleinspielfeld Erdarbeiten von weniger als einem halben Meter Tiefe notwendig wären, könnten diese Arbeiten laut Aussagen der mit dem Sachverhalt Vertrauten möglicherweise nur mit unmittelbarer Begleitung von fachkundigem Personal der Denkmalbehörde unternommen werden. Wer meint, es genüge aus Kosteneffizienz bei möglichen Funden die Arbeit sofort zu unterbrechen und die Behörde zu verständigen, kennt nicht die tatsächlichen Untiefen deutscher Bürokratie. Trotz der Ungewissheit, in welcher Form die Denkmalschutzbehörden die Erdarbeiten begleiten wollten, müssten oder sollten, und des unwahrscheinlichen Ereignisses eines tatsächlichen Gräberfundes, der das Projekt durch aufwendige Grabungen nochmals um einige zehntausend Euro verteuern würde, gaben sich nach Jahren der Planung alle politisch Verantwortlichen einen Ruck und der Ortschaftsrat Obergrombach wie auch der Bruchsaler Gemeinderat votierten einstimmig für das Projekt.

Wer nun aber meint, alles hätte damit doch noch ein gutes Ende gefunden, dem sei gesagt: Die Freude währte nur wenige Monate, denn der Baubeginn für das Kleinspielfeld wurde angesichts der aufziehenden Haushaltsmisere vorläufig auf Eis gelegt. Immerhin, ein halbes Tausendstel des Jahresetats ist damit eingespart. Die Obergrombacher dürfen aber geduldig weiter warten.

Übrigens hatten Freie Wähler/Liberale in Obergrombach kürzlich versucht, den Bau und Betrieb des Kleinspielfelds provisorisch selbst in die Hand zu nehmen. Natürlich nur in Abstimmung mit dem Stadtbauamt Bruchsal. Man ist gespannt, wie die Sache weitergeht.

Hubert Hieke

Aus RegioMagazin WILLI 10/2025 | Text: Hubert Hieke

 

Siehe auch

Nachgedacht: Straßenprostitution – Die Schattenseiten der Freizügigkeit | Aus dem WILLI

Während für Nutznießer der Globalisierung die Grenzen nicht durchlässig genug sein können und internationale Freizügigkeit …

Consent Management Platform von Real Cookie Banner