15.04.2020 | Wenig Sozialkontakt, kaum Programmangebot, stille Tage und Spaziergänge zur Unterhaltung: Was sich wie eine Beschreibung der aktuellen Situation anhört – das war das Leben der Amalie von Baden in Schloss Bruchsal.
Vor 200 Jahren wohnte die verwitwete Erbprinzessin im Schloss Bruchsal, ab 1806 für ein Vierteljahrhundert, bis zu ihrem Tod 1832. Wenn keine hohen Gäste kamen, war der Alltag eher ruhig und bot kaum Abwechslung: trotz Schloss ein beschauliches Leben mit wenig fürstlichem Glanz. An sie erinnert der populäre Schneckenbrunnen in der Nähe des Schlosses. Und so ruhig, wie es im ansonsten viel besuchten Schloss wegen der Corona-Schließung gerade ist, bekommen die sprichwörtlich langsamen Tiere auf dem Rand des Brunnenbeckens nun eine ganz aktuelle Bedeutung.
DIE SCHWIEGERMUTTER EUROPAS
Amalie (1754–1832) war die Witwe des badischen Erbprinzen Karl Ludwig. Nach der Heirat ihres Sohnes Karl mit Napoleons Adoptivtochter Stéphanie de Beauharnais verlor sie 1806 ihren Rang als erste Frau am badischen Hof. Als Folge zog sie nach Bruchsal: Das einstige Schloss der Fürstbischöfe von Speyer war als ihr Witwensitz vorgesehen. Amalie wurde bekannt als „Schwiegermutter Europas“: Fünf ihrer Töchter heirateten Herrscher von Ländern mit politischer Bedeutung – darunter die Schweden und Russland. Die weitläufige Verwandtschaft, aber auch ihre klare Ablehnung gegenüber Napoleon führten dazu, dass sich gelegentlich an ihrem Witwensitz die Mächtigen Europas einfanden, etwa ihr russischer Schwiegersohn Zar Alexander I. (1777 –1825). Bei solchen Gelegenheiten soll die eigentlich gesellige Markgräfin rauschende Feste im Schloss gefeiert haben.
DAS TAGEBUCH DER HOFDAME
Abgesehen von den raren Hochadelsbesuchern allerdings war das Hofleben in Bruchsal nach den Beschreibungen einer ihrer ehemaligen Hofdamen wohl gar nicht abwechslungsreich. Das Wissen verdanken wir dem Tagebuch der Karoline von Freystedt aus den Jahre 1801 bis 1832. Darin hielt sie fest, mit welchen Persönlichkeiten die Erbprinzessin zusammentraf. Das tägliche Leben im Schloss aber: komplett unspektakulär. Die Hofgesellschaft war überschaubar, ja klein. Interessant wurde es nur dann, wenn hochrangige Gäste nach Bruchsal kamen; in der restlichen Zeit stand Langeweile eher an der Tagesordnung. Über den Besuch des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. ist zu lesen: „Bruchsal konnte auch ihm außer dem Gespräch der Fürstinnen … keine andere Unterhaltung bieten als einen Spaziergang im Garten, in welchem türkische Musik spielte.“ Spaziergänge durch den Park zählten schon damals zu den einfachen Ablenkungen vom täglichen Leben.
MÖBELKUNST DES EMPIRE
Für Markgräfin Amalie von Baden wurden die Räume des Nördlichen Staatsappartements und die angrenzenden Privaträume ab 1806 hergerichtet. Sie ließ die Wände mit modernen Seidenstoffen bespannen und ergänzte die vorhandene Ausstattung durch Möbelstücke des Empire aus eigenem Besitz. Im Erdgeschoss gestaltete man einige Räume um. Der nördlich des Gartensaals gelegene Raum hatte anfangs für den Gottesdienst der evangelischen Markgräfin und ihres Hofstaats gedient. Als der letzte Fürstbischof gestorben war, konnte man ab 1811 die Hofkirche für katholische und evangelische Gottesdienste gemeinsam nutzen und anstelle der Kapelle im Erdgeschoss ein Speisezimmer für Amalie einbauen.
NEUGESTALTUNG DES GARTENS
Ähnlich wie heute nutzte man die stille Zeit zur Arbeit in den Gärten. Höchstwahrscheinlich hatte die Markgräfin wohl zwar nicht selbst zur Hacke und Schaufel gegriffen, der Schlossgarten wurde aber unter ihr, dem Zeitgeschmack entsprechend, im Stil eines englischen Landschaftsgartens modernisiert. Ein vermutlich um 1806 entstandener Entwurf des großherzoglichen Gartendirektors Johann Michael Zeyher (1770–1843) zeigt verschlungene Wege und natürlich wirkenden Bewuchs, ohne jedoch die barocke Grundstruktur völlig aufzugeben. Und der untere Schlossgarten bot Nutzflächen für Gemüsebeete und Baumschulen.
DER MARKGRÄFLICHE BRUNNEN
Den Amalienbrunnen, 1912 vor dem Kanzleibau aufgestellt, entwarf Fritz Hirsch zur Erinnerung an die Markgräfin Amalie von Baden. Die zentrale Säule trägt ein bronzenes Medaillon mit ihrem Bildnis. Außerdem kann man hier die Wappen des Großherzogtums Baden und von Amalies Heimat Hessen-Darmstadt entdecken sowie die der europäischen Fürstenhäuser, mit denen die Markgräfin ihre Töchter vermählte. Die Medaillons und die Schnecken auf den Beckenrändern wurden von dem Bildhauer Heinrich Ehehalt (1879–1938) geschaffen. Die Bronzeschnecken auf dem Beckenrand haben den Brunnen populär gemach. Jetzt bekommen sie, in der Stille und Verlangsamung der Coronazeit, nochmals eine ganz eigene Bedeutung.
Haben Sie Tipps?
Möchten Sie kommentieren?
Hier geht es zum Kommentarfeld >>>