2011 stellte Julian Wékel, Professor an der Technischen Universität (TU) Darmstadt, die Frage: „Wo ist eigentlich der Ortskern von Langenbrücken?“ Er brachte damit auf den Punkt, womit sich eine Gruppe Studierende der Fachgruppe „Entwerfen und Regionalentwicklung“ der TU gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern des Ortes im Rahmen eines Workshops beschäftigt hatten.
Der Workshop war auf Initiative von Bürgermeister Klaus Detlev Huge entstanden, um Anregungen zur Belebung der Mitte des Bad Schönborner Ortsteils zu generieren. In den Gesprächen konstatierten die Studierenden die generationenübergreifende Zuneigung der Teilnehmer zu ihrer Gemeínde unabhängig davon, ob alteingesessen oder zugezogen.
Langenbrücken sei schon immer durch Zuzug geprägt, sagt Ortshistoriker Bernhard Steltz. Wurde früher wegen des Knotenpunktes der Trassen zwischen Basel und Frankfurt sowie Speyer und Eppingen hier angesiedelt, ließen sich nach dem Zweiten Weltkrieg vertriebene Donauschwaben hier nieder, so ist heute der Ort aufgrund der verkehrsgünstigen Lage, der guten Anbindung über Straßen und Schiene und der hervorragenden Nahversorgung beliebte Wohngemeinde.
Die Integrationsarbeit leisten die Vereine und die Kirchen, so Steltz. Egal ob bei der Feuerwehr, dem Turn- und Sport-, dem Gesang- oder Musikverein, der Heimatortsgemeinschaft (HOG) Parabutsch, dem Faschingsclub, dem FC Bayern-Fanclub, den Vogelschützern, Anglern, Windsurfern, beim Seniorentreff, dem Kirchenchor oder den Pfadfindern – „sie nehmen die Neubürger mit, die hier alles erfahren, was in Langenbrücken wichtig ist“, erklärt Bernhard Steltz.
Lebendige Vereinslandschaft zeichnet die Jubiläums-Festlichkeiten
Dass diese Vereinslandschaft nicht nur lebendig, sondern überaus kooperativ ist, zeigte sie nicht zuletzt bei den Festlichkeiten anlässlich des 750-jährigen Ortsjubiläums vor zwei Jahren in beeindruckender Weise. Beim Auftakt der Bad Schönborner Jubiläums-Trias – 750 Jahre Langenbrücken, 50 Jahre Bad Schönborn (2021) und 1250 Jahre Mingolsheim (2023) – zeichneten die örtlichen Vereine, Institutionen und Organisationen verantwortlich für Vorbereitung und Durchführung der Veranstaltungen übers gesamte Jahr.
Überhaupt sei der Zusammenhalt, die Bereitschaft, sich für das Gemeinwohl einzubringen, wirklich großartig. „Wenn’s darum geht, sich gemeinsam zu engagieren, sind sie da“, fasst Steltz zusammen und verweist auf Sponsorenaktionen wie für die Renovierung der Grabsteine auf dem Ehrenfriedhof oder gerade erst für die Sanierung der beiden Brückenheiligen in der Ortsmitte.
Ach ja, und damit schließt sich der Kreis – im Anschluss an die Konzeptionen der TU-Studenten vor fast zehn Jahren wurden einige Segmente im Ortskern Langenbrücken als Sanierungsgebiete ausgewiesen und als solche mit Fördermitteln bezuschusst. In mehreren Bauabschnitten erfolgte peu á peu die Neugestaltung von Bereichen rund um das definierte Zentrum nahe der katholischen St. Vitus Kirche. Das Gotteshaus, architektonisch eine Kombination aus spätromanischen, spätgotischen und barocken Baustilen mit neobarocker Innenausstattung, sieht sich nun einem großen Platz mit monumentalem Treppenbauwerk vor einer Bankfiliale gegenüber.
Diese Ende des letzten Jahres fertiggestellte „neue Mitte“ Langenbrückens, die zu einem Platz der Begegnung werden soll, stößt nicht bei allen auf Begeisterung, kommt sie doch mit viel Betonpflaster und wenig Grün daher. Durch ihre unmittelbare Nachbarschaft zu den Langenbrücker Wahrzeichen St. Johann von Nepomuk und Maria Immaculata, den beiden Brückenheiligen im neuen, vergoldeten Glanz auf ihren Sandsteinpostamenten aus dem Jahr 1766 sowie dem Sandsteinbrunnen, dessen Holzröhren 1883 durch eiserne ersetzt wurden, entsteht so ein recht gemischtes Erscheinungsbild.
Diese Spannung zwischen historisch und modern prägt an einigen Stellen das Gesicht des Ortes. Dazu stellte die Stadtplanerin Dorothee Wiesehügel vom Bruchsaler Planungsbüro bhm in ihrem von der Gemeindeverwaltung in Auftrag gegebenen Entwicklungskonzept fest, die gut erhaltenen, zum Teil historischen Bau- und Kunstdenkmale seien nicht wirklich inszeniert, die Ortskernauftakte nicht genau definiert. „Mit der Historie arbeiten und die Vergangenheit an der Zukunft teilnehmen lassen“ lautet ihr Vorschlag.
Text und Foto: Petra Steinmann-Plücker