Genau diese Aufgabe stellte die Bruchsaler Lehrerin Anna Gaier 1950 ihren Schülerinnen und Schülern des Jahrgangs 1938/39, fünf Jahre nach dem Bombenangriff am 1. März 1945. Sie sollten ihre Erinnerungen an diesen Tag aufschreiben. Die Kinder, die an Bruchsals Schicksalstag gerademal sechs Jahre alt waren, mussten sich nichts ausdenken. Mit diesem Aufsatzthema wurden Kindheitserlebnisse in Worten festgehalten, an die sie sich unauslöschlich ihr ganzes weiteres Leben lang erinnern sollten: Der Tag des Infernos.
Obwohl Gudrun Schimmelpfennig diesen Aufsatztext, abgedruckt in der allerersten Ausgabe von „Stadt im Inferno, Bruchsal im Luftkrieg“ von Hubert Bläsi und sorgfältig archiviert in einem alten Schulheft im Stadtarchiv Bruchsal, viele, viele Jahre nicht mehr gelesen hatte, sind beim direkten Vergleich ihre Worte heute noch fast dieselben. Sie erzählt, dass sie mit Freundinnen damals auf der Straße vor dem Haus im Friedrichstalweg, am Ortsausgang Bruchsals in Richtung Karlsdorf (heute schließt sich hier das neue OGA Gelände an), ein Hüpfspiel gemacht hätte, als die ersten Sirenen ertönten. Beim gleich darauf folgenden Brummen der anrückenden Flugzeuge liefen die Mädchen schnell nach Hause in den Keller, wie unzählige Male zuvor.
Das Krachen und Donnern draußen sei dieses Mal schlimmer gewesen und die heute 80-Jährige kann sich noch gut an die Angst der Mutter erinnern, die immer davon sprach, dass ihre zwei Söhne, ebenfalls erst um die 10 Jahre alt, noch irgendwo unterwegs gewesen waren. Als am späteren Nachmittag die beiden Jungen unverletzt nach Hause kamen, erzählten diese der Familie von der grauenhaften Zerstörung und den vielen Toten in der brennenden Stadt, die sie auf dem Heimweg liegen sehen hatten.
Da hier leider die Erinnerung der damals sechsjährigen Erstklässlerin lückenhaft wird, kann sie nur noch bruchstückhafte Angaben machen. Sie erzählt davon, dass mehrere Verwandte im Innenstadtgebiet wohnten und drei Tanten aus der zerstörten Stadt in den Tagen nach dem Angriff zu ihnen ins Haus gezogen sind, weil deren Wohnungen unbewohnbar oder ausgebrannt waren. Auf engstem Raum habe man nun mit vielen Personen gelebt aber alle waren froh, mit dem Leben davon gekommen zu sein und wenigstens ein Dach über dem Kopf zu haben.
Zum Kriegsende seien plündernde französische Truppen durch die Stadt gezogen, die es auf Lebensmittel und besonders auf Fahrräder für den weiteren Weg abgesehen hatten. Ruhe kehrte erst mit der amerikanischen Besatzung ein, erinnert sich Gudrun, obwohl die sich einfach in deren Elternhaus am Kändelweg einquartierten und die ganze Familie in den Keller verdrängten. Überdiese Tatsache hinaus hat sie aber keine schlechten Erinnerungen an die amerikanischen Soldaten, die besonders zu den Kindern immer sehr nett und freundlich gewesen seien.
Text: Andrea Bacher-Schäfer, Bilder: privat, Familie Schimmelpfennig
Aus RegioMagazin WILLI 03/19