26.10.22| Am Sonntag, 16. Oktober 2022, hat die Badische Landesbühne zum ersten Café Europa in dieser Spielzeit eingeladen.
Darin hat sie ein Thema aufgegriffen, das die Stadtverwaltung, aber auch viele Bruchsaler Bürgerinnen und Bürger seit langem beschäftigt: die Nachnutzung des alten Feuerwehrhauses in der Friedrichstraße 78, wo vorher bis zu ihrer Zerstörung am 9. November 1938 die Bruchsaler Synagoge stand.
Seit dem Sommer 2020 hat die Feuerwehr ein neues Domizil. Was wird nun aus dem alten Gebäude? Neben einem Nachnutzungskonzept der Stadt Bruchsal gibt es drei weitere Vorschläge aus der Bürgerschaft.
In der Matinee haben Rolf Schmitt (Förderverein Haus der Geschichte der Juden Badens), Hajo Kurzenberger (Gesprächskreis deutsch-jüdische Kultur) und Rainer Kaufmann (Förderverein Lernort Bergfried – Freiheit, Bürgerrechte, Demokratie) dem Publikum ihre Konzepte vorgestellt. Dem Gemeinderat liegen diese seit längerem vor, eine breite öffentliche Diskussion darüber gab es bis jetzt noch nicht.
Den drei Ideengebern ist es ein großes Anliegen,
dass im alten Feuerwehrhaus künftig ein Ort lebendiger Kultur entsteht, an dem es um Vergangenes und Gegenwärtiges, um Erinnerung und Zukunft geht.
Ebenso wichtig ist ihnen, dass nicht nur die Bürgerschaft, sondern auch die Nachfahren von Bruchsaler Jüdinnen und Juden, die in der Nazizeit vertrieben oder ermordet wurden, in den Entscheidungsprozess miteinbezogen werden.
Kurzenberger und Schmitt berichteten, dass in Gesprächen zwischen Vertretern des Fördervereins Haus der Geschichte der Juden Badens, des Gesprächskreises deutsch-jüdischer Kultur und dem Verein Jüdisches Leben Kraichgau das Konzept eines Hauses der jüdischen Geschichte und Kultur von Baden entwickelt und konkretisiert worden sei.
Sie führten aus, dass das alte Feuerwehrhaus keine Holocaust-Gedenkstätte werden solle, sondern ein multifunktionales Ausstellungs- und Begegnungszentrum. Das Gebäude soll als historisches Dokument erhalten bleiben. Zugleich sollen die Fundamente der Synagoge gezeigt werden, um an das jüdische Leben in Bruchsal, an die Verbrechen der Nazizeit und an deren Verdrängung in der Nachkriegszeit zu erinnern.
Im Erdgeschoss des alten Feuerwehrhauses soll ein Kultur- und Veranstaltungsraum entstehen, in den zwei Obergeschossen sollen die Geschichtsthemen untergebracht werden. In den Geschichtsetagen („Tacheles“) soll das vergangene jüdische Leben in Baden, dem Kraichgau und Bruchsal mit Hilfe zeitgemäßer Museumspädagogik präsentiert werden und Platz sein für das Lehren und Lernen und Realisieren von Projekten. In der Kulturetage („Techtelmechtel“) sollen Bürgerinnen und Bürger aktiv an Kunst-, Kultur- und Bildungsprojekten beteiligt werden, die mit den großartigen Leistungen der deutsch-jüdischen Kultur bekannt machen.
Die Aktivitäten und Projekte beider Etagen sollen dem Ziel dienen, über Ausgrenzung, Antisemitismus, Rassismus, Diskriminierung, Vertreibung und Flucht heute nachzudenken.
Wunschpartner für die Geschichtsabteilung ist das Haus der Geschichte Baden-Württemberg, für die Kulturabteilung die Badische Landesbühne.
Schmitt und Kurzenberger wiesen darauf hin, dass bereits über 130 Nachfahren jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürgern in einer Petition ihr Interesse an einem Geschichtshaus geäußert haben und die Idee einer gemeinnützigen Stiftung für das Projekt entwickelt haben. Zudem wurden bereits Gespräche mit anderen Stiftungen geführt, doch Stiftungsgelder könnten erst akquiriert werden, wenn es einen politischen Entscheid über die Zukunft des Geländes gäbe.
Das Konzept des Fördervereins Lernort Bergfried – Freiheit, Bürgerrechte, Demokratie, das Rainer Kaufmann in der Matinee vorstellte, knüpft in vielem an die anderen Ideen an, sieht aber eine Erweiterung des Themenbereiches der angedachten Geschichtsetagen vor. Hier solle zusätzlich und ergänzend am Beispiel von Bruchsal die Demokratie-Werdung Deutschlands aufgearbeitet und präsentiert werden.
Im Anschluss an die Präsentation dieser Konzepte hat Wolfang Müller, Hauptamtsleiter der Stadt Bruchsal, in kurzen Worten das städtische Konzept „Denkort Fundamente“ erläutert. Er hat dabei betont, dass die Ideen aus der Bürgerschaft darin einfließen sollen. Das Projekt befände sich aber noch im Entstehungsprozess und werde in den kommenden Wochen erneut im Gemeinderat diskutiert.
Die drei Podiumsredner wiesen darauf hin, dass die Politik bisher noch nicht in den Dialog mit ihnen getreten sei und dass sie es sehr bedauerten, dass es bis jetzt kaum einen öffentlichen Diskurs über das Thema gäbe.
Die anschließende rege Diskussion mit dem Publikum hat gezeigt, dass es in der Bürgerschaft noch viele offene Fragen zur Zukunft des alten Feuerwehrhauses gibt.
BLB-Intendant Carsten Ramm, der das Gespräch moderierte, bedankte sich bei Rolf Schmitt, Hajo Kurzenberger, Rainer Kaufmann und Wolfgang Müller für ihre Ausführungen und betonte, wie wichtig die öffentliche Diskussion in dieser Sache sei, damit die Nachnutzung des Feuerwehrhauses ein von Politik, Bürgerschaft und Nachfahren gestaltetes und befürwortetes Leuchtturmprojekt werden könne und forderte alle Beteiligten auf: „Bleiben Sie im Gespräch!“
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