Bruchsal 1. März | Ein Datum, zwei Schulen, viele Schicksale – Wie Bruchsaler Schulen Geschichte lebendig werden lassen (Archiv 2021)

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28.02.2021 | Zwei Schulen markieren jeweils die ungefähren nördlichen und südlichen Endpunkte des Bruchsaler Areals, welches am 1. März 1945, kurz vor Kriegsende, der Zerstörung anheimgefallen ist. Am nördlichen Ende ist es das Schönborn-Gymnasium, am südlichen Ende ist es das Justus-Knecht-Gymnasium.

Beide Gebäude wurden an diesem schicksalhaftem Tag teilweise oder sogar gänzlich zerstört, beide Gebäude wurden ab 1951 wieder als Schulen genutzt. Sie sind heute ein Stück lebendige Geschichte – alte Gemäuer, die junges Leben beherbergen, und gewissermaßen als Zeitzeugen längst Vergangenes greifbar werden lassen. Doch nicht nur die Gebäude selbst machen Geschichte für die Schüler greifbar. Die Lehrenden beider Einrichtungen lassen sich einiges einfallen, um einen Bezug zu schaffen. Denn sie sind sich einig: es geht nicht nur darum, Erinnerungskultur zu pflegen, sondern auch um (politische) Aufklärung.

Schüler des Schönborn-Gymnasiums beteiligten sich an Gedenkfeier der Stadt

So zum Beispiel beteiligten sich Schüler des Schönborn-Gymnasiums im vergangenen Jahr an der Gedenkfeier anlässlich der 75. Jährung der Zerstörung Bruchsals sowie an einer von der Stadt initiierten Ausstellung im Rathaus. Für die Ausstellung hatten sie sich unter der Leitung ihrer Lehrerin Birgit Schott mit der Zerstörung Bruchsals auseinandergesetzt, und ihre Eindrücke künstlerisch verarbeitet.

Gedicht des Schülers Skye Bauert des Schönborn-Gymnasiums Bruchsal, verfasst anlässlich des 75. Jahrestages der Zerstörung Bruchsals

Oft sei es während des Unterrichts ganz untypisch still gewesen, so heißt es in der Rede der Schülerinnen Leonie Bauer und Penelope Wollscheidt, die sie anlässlich der Vernissage im Rathaus verfasst hatten. Auch der Literatur-Kurs von Kristina Ex, Lehrerin und Koordinatorin der Öffentlichkeitsarbeit am Schönborn-Gymnasium, beschäftigte sich im Vorfeld mit der Thematik und beteiligte sich mit eigens verfassten Schriften.

Die Beschäftigung mit der Vergangenheit Deutschlands sei sehr wichtig, sagt sie, die Bezugsgeneration gehe jedoch nach und nach verloren.

 

„Die Schulen haben jetzt die schwierige Aufgabe, Aufklärungsarbeit auch ohne persönlichen Bezug zu leisten“ so erzählt Kristina Ex.

 

Lebensnahe Geschichtsvermittlung am Justus-Knecht-Gymnasium

Auch das Justus-Knecht-Gymnasium lud im vergangenen Jahr anlässlich des Jahrestages Zeitzeugen ein, deren Berichte die Schüler sehr tief bewegten.

„Man hätte eine Stecknadel fallen hören können“, berichtet Stefan Hanke, stellvertretender Schulleiter und Lehrer in den Fächern Chemie und Geschichte am Justus-Knecht-Gymnasium.

Doch auch der Alltag bietet viele Gelegenheiten, Geschichte greifbar zu machen. Als es im Januar des vergangenen Jahres zum Bombenfund am Bruchsaler Bahnhof kam, nutzte Stefan Hanke dieses Ereignis dazu, den Schülern abstrakte Geschichte zu vergegenständlichen. Er ließ sie errechnen, welche Mengen an chemischen Stoffen am ersten März auf die Stadt Bruchsal niedergegangen waren und konnte ihnen damit vor Augen führen, welche Wucht und welches Ausmaß an Zerstörung die chemische Reaktion anrichtete. Auch Florian Jung, Lehrer und Ausbilder im Fach Geschichte am Studienseminar Karlsruhe, schmiss an diesem Tag kurzfristig seinen Unterrichtsplan um und sprach mit seinen Schülern über die Zerstörung Bruchsals.

Überdurchschnittliche Engagement am Justus-Knecht Gymnasium
Seit vielen Jahren bringt Florian Jung den Schülern die Geschichten Bruchsaler Juden und ihrer Nachkommen näher. Im Rahmen der Projektstunden der 8. Klassen arbeiten interessierte Schüler unter seiner Leitung mit Dokumenten aus dem General-Landesarchiv, stellen den Kontakt zu verbliebenen Angehörigen her und halten bei der Verlegung der Stolpersteine, welche dann für die Verstorbenen und Betroffenen gelegt werden, eine Rede. Eine große Verantwortung für Achtklässler, insbesondere auch, weil die Angehörigen der Familien meist bei der Verlegung zugegen sind.

Aber auch das Leid, dass in Deutschland in Folge des Krieges geherrscht habe, müsse aufgearbeitet werden. Angesichts der Schuld, welches sich die deutsche Bevölkerung während der Jahre 1933-1945 aufgeladen habe, sei dies natürlich eine sehr schwierige, und für manchen auch unangenehme Angelegenheit, erklärt Florian Jung.

Man könne das Leid beider Seiten nicht miteinander aufwiegen, man könne es höchstens „übereinanderstellen“, so sagt er weiter. Aufarbeitung sei aber auf beiden Seiten notwendig und wichtig.

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