Vollbesetztes Haus beim Vortrag von Manfred Spitzer im Alfred-Delp-Schulzentrum in Ubstadt

Smartphone, Schule, Sorgenkind? – Prof. Spitzer provoziert in Ubstadt

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In aller Kürze

– Professor Dr. Dr. Manfred Spitzer spricht vor 600 Zuhörern in der Alfred-Delp-Schule über „digitale Demenz“
– Warnung vor negativen Auswirkungen von Smartphones und übermäßigem Medienkonsum bei Kindern
– Stellvertretende Schulleiterin Annette Weber zeigt Zwiespalt über Digitalisierung in der Schule

Ubstadt, 10.11.23 | Vor über 600 Eltern, Lehrern und Schülern in der Aula der Alfred-Delp-Schule sprach Professor Dr. Dr. Manfred Spitzer über ein Thema, das viele im Raum betraf: die allgegenwärtigen Smartphones, die Digitalisierung und die Folgen, die er unter dem Begriff „digitale Demenz“ zusammenfasst. Seine Botschaft ist klar und kompromisslos – weniger Smartphones, weniger Bildschirmzeit, vor allem für Kinder und Jugendliche.

„Daddeln ersetzt die Bewegung, die Kommunikation, das echte Leben“

Mit deutlichen Worten warnt Spitzer vor der Entwicklung, die durch Smartphones, Tablets und Computerspiele verstärkt werde. „Daddeln ersetzt die Bewegung, Daddeln ersetzt die Kommunikation, Daddeln ersetzt fast alles, was das Leben Schönes bringen könnte,“ erklärte er. Besonders für die Jüngsten sei die fortwährende Ablenkung durch die Geräte schädlich. „Ein „Bing“ reicht, und schon ist die Aufmerksamkeit weg – ob in der Schule, beim Lesen oder mitten im Gespräch“, so Spitzer. Der ständige Fokus auf das Handy verhindere, dass Kinder und Jugendliche sich auf das Wesentliche konzentrieren könnten.

Extra-Tipp

KraichgauTV bringt in der kommenden Woche einen ausführlichen Bericht zur Veranstaltung. Mit Interviews und tiefen Einblicken in die Argumente von Manfred Spitzer sowie in die Sichtweise der stellvertretenden Schulleiterin Anette Weber.

Über Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer

Prof. Spitzer ist ein deutscher Neurowissenschaftler und Psychiater, der seit 1998 als Ärztlicher Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik in Ulm tätig ist. Er ist bekannt für seine kritische Haltung zur Digitalisierung und hat zahlreiche populärwissenschaftliche Bücher veröffentlicht, darunter „Digitale Demenz“ und „Cyberkrank!“.

Viele Zuhörer fühlten sich angesprochen und gaben später zu, genau diese Szenen von den eigenen Kindern zu kennen. Spitzers bildhafte Sprache zog das Publikum in den Bann und ließ sie einen Spiegel ihres eigenen Alltags sehen. „Das Smartphone, das Spielgerät, die soziale Plattform – alles lenkt ab. Das ständige „Bing“ wirkt wie ein Reflex und bringt die Konzentration durcheinander.“

Technik statt Erziehung? „Kein Kleinkind braucht ein digitales Töpfchen“

Mit Nachdruck kritisierte Spitzer auch Eltern, die ihre Kinder schon im frühen Alter an die digitale Technik heranführen. Ein Kleinkind, das ein digitales „Töpfchen“ mit Bildschirm brauche, sei ein extremes Beispiel für eine unnötige Mediennutzung, die völlig am Bedarf der Kinder vorbeigehe, so Spitzer. „Was Hänschen nicht lernt…“, betonte er und warnte, dass digitale Medien in frühen Jahren die gesunde geistige und körperliche Entwicklung beeinträchtigen könnten. Kinder sollten ihre Kindheit erleben dürfen, ohne ständig in der virtuellen Welt gefangen zu sein.

Gerade für Kinder und Jugendliche sehe er einen klaren Zusammenhang zwischen Medienkonsum und Entwicklungsstörungen. Auch körperliche Mängel kämen hinzu, so Spitzer. „Dass die körperliche Entwicklung bei Dauernutzung dieser Geräte auf der Strecke bleibt, zeigt sich zunehmend.“

„Smartphone und Internet: eine gefährliche Tür zur Welt“

Neben den physischen und psychischen Effekten beleuchtete Spitzer auch die inhaltlichen Risiken der Mediennutzung. „Würden Sie Ihr Kind in einen Rotlichtbezirk schicken?“ fragte er, um die gefährlichen Inhalte zu verdeutlichen, die Kindern und Jugendlichen im Internet offenstehen. „Alles, was der Mensch sich ausdenken kann, findet sich auf dem Smartphone – oft frei zugänglich.“ Die Aufgabe der Eltern sei es, hier klare Grenzen zu setzen und ein gesundes Verhältnis zur Mediennutzung zu fördern. Doch die Last der Verantwortung liege nicht allein bei den Eltern. Auch die Schule und vor allem die Politik seien gefordert, den Medienkonsum zu regulieren und Leitlinien vorzugeben.

Anette Weber, stv. Schulleiterin im Interview mit Ulrich Konrad, KraichgauTV

Die stellvertretende Schulleiterin Anette Weber zeigte sich im Interview nach dem Vortrag nachdenklich. Als Vertreterin einer Schule, die sich durch digitale Ausstattung und Projekte profiliert, empfindet sie die Aufgabe, eine Balance zwischen sinnvoller Mediennutzung und übermäßiger Präsenz zu finden, als große Herausforderung. Gleichzeitig unterstützt sie Spitzers Ansicht, dass besonders jüngere Kinder noch ohne permanente digitale Ablenkung aufwachsen sollten.

Spitzers Blick auf die Wirtschaft und die „gigantischen Windmühlen“

Für Spitzer stehen auch wirtschaftliche Interessen hinter der Digitalisierung: „Digitale Geräte und Software werden von Konzernen vertrieben, deren Geschäftsmodell die Dauernutzung der Geräte voraussetzt.“ Ein System, das von großen Unternehmen aufrechterhalten werde und das auch Eltern und Schulen nicht ignorieren könnten. Andere Länder, die einst auf Digitalisierung gesetzt hätten, würden inzwischen wieder zurückrudern. In Deutschland jedoch fehle ein deutlicher Schritt in diese Richtung und so lange werde sich wenig ändern, wenn die Orientierung am digitalen Konsum Vorrang behalte.

Der Abend hinterließ die Zuhörer in einem Spannungsfeld – digitale Technik im Unterricht ja, aber die damit einhergehenden Risiken nicht außer Acht lassen. Spitzer lieferte Denkanstöße, die sich im Gespräch noch lange fortsetzten und Eltern wie Lehrern eine wichtige Frage stellten: Wo endet das Lernen, wo beginnt die Abhängigkeit?

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