Die Pogromnacht 1938 war der Anfang einer unvorstellbaren Gewalt gegen Juden. Hitlers Anhänger verwüsteten jüdische Geschäfte, Wohnungen und Gotteshäuser. Auch die Synagoge in Bruchsal ging in Flammen auf und hinterlässt heute eine Aufgabe, die einen verantwortungsvollen Umgang mit der Geschichte erfordert.
Foto aus Franz-Josef Ziwes (Hrsg).: Badische Synagogen 1997
Die Bruchsaler Juden in den 1930er Jahren waren alles andere als Außenseiter. In Bruchsal gab es ein selbstbewusstes Judentum – eine liberale, bürgerliche Gemeinde, die eine starke Verbindung zu anderen Konfessionen hatte. Jüdische Bürger waren in Bruchsal im Stadtrat, im Bürgerausschuss und im Kreisrat vertreten. Sie unterstützten durch ihre Mitgliedschaft zahlreiche Vereine.
Die Einweihung der Bruchsaler Synagoge in der Friedrichstraße am 16. September 1881 muss ein beeindruckendes Fest gewesen sein. Eine bunt gemischte Gästeschar aus Bruchsaler Bürgern erwies der jüdischen Gemeinde die Ehre ihres Besuchs.
Pogrom bedeutet Verwüstung
Die Gemeindemitglieder hatten das Geld (140.000 Mark) für ihr imposantes Gotteshaus selbst aufgebracht. Sie konnten stolz auf ihr Werk sein und präsentierten es bei der Einweihungsfeier ihren Bruchsaler Mitbürgern. Der Autor des Berichts in der Kraichgauer Zeitung vom 18. September 1881 schwärmt förmlich von der »hochfestlichen Versammlung«. Die Vorträge des Synagogenchors und eines Vorsängers waren Teil der Liturgie der eindrucksvollen Einweihungsfeier. Dazu gehörten, so der Zeitungsbericht weiter, auch Gebete, eine Predigt »in schöner gehobener Sprache« und die feierliche Einsetzung der Tempelgeräte.
Wände und Decken: Verziert mit religösen DarstellungenMaler Leo Kahn: bei der Renovierung 1928
Das Gebäude war – trotz einiger Ähnlichkeiten mit der Karlsruher Synagoge – einzigartig. Sich abwechselnde Schichten aus rotem und gelbem Sandstein, Davidsterne, Ornamente und eine Abbildung der Steintafeln mit den Zehn Geboten zierten die Frontseite. Ein halbrunder Tempiettovorbau mit sechs Säulen war dem Jerusalemer Felsendom nachempfunden. Das einzige Überbleibsel der Synagoge nach der Zerstörung ist eine solche Säule, sie liegt auf dem jüdischen Friedhof auf dem Bruchsaler Eichelberg.
Noch beeindruckender und faszinierender war das Gotteshaus wohl, als es nach seiner Renovierung am 1. April 1928 wieder eingeweiht wurde. Der Maler Leo Kahn hatte Wände und Decken mit detaillierten religiösen Darstellungen verziert. Reiner Oberbeck erklärte, dass die phantasievollen Malereien Unikate waren und es keine Wiederholungen gab. Der Lehrer am Bruchsaler Gymnasium Sankt Paulusheim hatte im Jahr 2000 mit vier Schülern eine CD-Rom über die Synagoge erstellt und nach aufwändigen Recherchen ein Modell im Maßstab 1:35 angefertigt (siehe Bild).
Modell der Synagoge: Angefertigt von Schülern des St. Paulusheims im Jahr 2000.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Bruchsaler Synagoge bis auf die Grundmauern niedergebrannt. NSDAP-Partei-Mitglieder, SA- und SS-Männer trafen sich am 10. November morgens um 3 Uhr im Gasthof „Grüner Baum“, um das Vorgehen abzusprechen. Ein 37-jähriger Truppenführer der SA aus Bruchsal und ein 39-jähriger SA-Mann aus Untergrombach gehörten zu den Brandstiftern. Sie waren dabei, als Benzin in Kannen und Eimern zur Synagoge geschleppt wurde. Einer von beiden stieg durch ein Fenster in die Synagoge, öffnete von innen die Tür und goss das Benzin in die untersten Räume. Gleichzeitig drangen die übrigen Mittäter ein und verteilten an allen brennbaren Punkten der Synagoge Benzin. Die Synagoge wurde angezündet und brannte zwischen 4.30 Uhr und 6 Uhr bis auf die Grundmauern nieder. Die Feuerwehr, die hätte eingreifen können, verhinderte nur das Übergreifen des Brandes auf weitere Häuser und sah zu wie das Gebäude niederbrannte.
Damit hatte nicht nur die jüdische Gemeinde ihr Gotteshaus verloren, auch die Stadt Bruchsal war um ein prächtiges Gebäude ärmer geworden. Der Bruchsaler Brandstifter wurde nach 1945 zu drei Jahren, der Untergrombacher zu einem Jahr Zuchthaus verurteilt.
Zerstörte Synagoge
In einer Ministerratssitzung bereits am 12. November 1938 wurden weitere Maßnahmen gegen die jüdischen Mitbürger beschlossen. So auch die Enteignung des jüdischen Vermögens und der Einführung des Judensterns. Am 22. Oktober 1940 wurden aus Bruchsal 79 jüdische Einwohner nach Gurs deportiert.Die Stadt erwarb das Synagogengrundstück und sprengte die Ruine. 1953 wurde darauf ein Feuerwehrhaus gebaut. Ob man sich der Bedeutung dieses Vorgehens bewusst gewesen ist, bleibt zu bezweifeln. Ausgerechnet ein Feuerwehrhaus, wo doch die Feuerwehr den Brand der Synagoge damals nicht gelöscht hatte.
Aktuell tut sich ein neue Chance für das ehemalige Synagogengrundstück auf: Gerechtigkeit und Wiedergutmachung.
Das Feuerwehrhaus soll einen neuen Standort in der Bruchsaler Bahnstadt bekommen. Aus diesem Grund läuft in Bruchsal momentan ein von der Stadt angestoßener Beteiligungsprozess, in dem die Bürgern die Zukunft des ehemaligen Synagogen-Standorts mitgestalten können. Der Gemeinderat wird damit vor eine große Aufgabe gestellt, die einen verantwortungsvollen Umgang mit der Geschichte erfordert.
1814 => 128 jüdische Einwohner, 1825 => 178 (2,6 % von insg. 6.853) 1842 => 256 (3,2 % von 7.962), 1862 => 325 (3,9 % von 8.270), 1875 => 609 (5,6 % von 10.811), 1880 => 730 (6,4 % von 11.373), 1885 => mit 752 Personen 1895 => 743 (5,9 % von 12.614) 1900 => 741 (5,5 % von 13.555) 1910 => 711 (4,6 % von 15.391) 1925 =>603 (3,7 % von 16.469) 1933 => 501 jüdische Einwohner
ab 1933 => Mit der Machtergreifung Adolf Hitlers und der NSDAP begann die Bedrängung und Verfolgung der Juden. Die nationalsozialistische Hetze richtete sich auch in Bruchsal sofort nach der Machtergreifung gegen die jüdischen Gewerbe- und Industriebetriebe in der Stadt. Zahlreiche Restriktionen schränkten das jüdische Leben in der Stadt ein.
So durften jüdische Einwohner das städtische Schwimm- und Sonnenbad ab Mai 1934 nicht mehr betreten. Für die jüdischen Schülerinnen und Schüler wurde 1936 eine eigene Schule eingerichtet.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge niedergebrannt. SA-Leute zertrümmerten die Schaufenster jüdischer Geschäfte. Wenn sie konnten flüchteten die jüdischen Einwohner. Am 22. Oktober 1940 wurden aus Bruchsal 79 jüdische Einwohner ins Konzentrationslager nach Gurs in Südfrankreich deportiert.