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RAINwurf 04 | Antikriegstag statt Volkstrauertag
 – Plädoyer für einen dringenden Paradigmenwechsel.

Lass das deine Freunde wissen!

13.11.2021 | Der Gast-Kommentar beim Landfunker. Von Rainer Kaufmann.

Vor wenigen Tagen Zufallstreffen im Stadtbus mit einem früheren Gemeinderat. Natürlich ein anregendes Gespräch über gestern und heute. Beim Thema „Gedenkfeiern zum Volkstrauertag am 14.11.“, wie sie im städtischen Amtsblatt und andere Publikationen veröffentlicht wurden, dann eine Position meines Gegenübers, die an Klarheit nichts zu wünschen übrig ließ. Warum, fragte mich der Ex-Gemeinderat, warum werden Gedenkveranstaltungen in diesem Jahr Corona-bedingt als „im kleinen Kreis“ angekündigt?

Denkmal am Rande der Soldatengräber, Friedhof Bruchsal

 

Das sei doch schon lange so, dass die Zahl derer, die an diesen althergebrachten Gedenkfeiern teilnähmen, immer überschaubarer würde. Denn die, die das Thema irgendwie noch aus persönlichen Erinnerungen an Menschen und Geschehen betreffen kann, sterben langsam aber sicher aus. Die gemeinsame Schlussfolgerung dieses kurzen Gesprächs:

„Der Volkstrauertag passt offensichtlich
nicht mehr in die heutige Zeit.“

Wie wahr. Warum erwarten wir eigentlich, dass sich junge Menschen dafür interessieren, wer alles in den beiden Weltkriegen des letzten Jahrhunderts gefallen ist und warum? Wäre es nicht an der Zeit, diesen Gedenktag abzuschaffen und dafür einen anderen Termin im historischen Bewusstsein der Menschen zu verankern, zum Beispiel der 1. September 1939? Der Tag, an dem Hitler-Deutschland Polen überfallen und damit einen verbrecherischen Angriffskrieg vom Zaun gebrochen hat. Könnte man nicht diesen Tag samt seiner historischen Altlast für uns Deutsche unter das Motto: „Nie wieder Krieg!“ stellen? Ein nationaler – vielleicht sogar ein internationaler – Anti-Kriegstag statt einem Volkstrauertag, der schon allein durch seine Terminierung in der Tradition der früheren „Heldengedenktage“ steht?

Die Krone der Gerechtigkeit

Natürlich ist das in Bruchsal nicht ganz leicht, steht doch das entsprechende Denkmal für die Toten des 2. Weltkriegs auf dem Friedhof unter dem Bibelspruch: „Ihnen liegt die Krone der Gerechtigkeit bereit.“ Eine gedankenlose Gedenkhaltung, die vor 30 Jahren schon, als das Denkmal errichtet wurde, kaum nachvollziehbar war.

Aber: Wie erklären wir diesen Bibelspruch heute all unseren osteuropäischen Partnern, die Hitler-Deutschland vor mehr als 80 Jahren hat unterwerfen wollen? Und wie erklären wir jungen Menschen, denen wir die Losung „Nie wieder Krieg“ vermitteln wollen, wie erklären wir denen, dass für die, die auf unserer Seite – auf der Seite des Aggressors nämlich – gefallen sind, „die Krone der Gerechtigkeit“ bereit steht?

Althergebrachte Traditionen hinterfragen

Wann endlich kann man/frau in Bruchsal sich dazu aufraffen, mit einem Paradigmenwechsel im Gedenkwesen eine zukunftsfähige Konzeption zu entwickeln statt immer nur an althergebrachten Traditionen festzuhalten, ohne diese zu hinterfragen? Und wenn dies eine Verwaltung nicht schafft, die verkennt, dass Beharren nicht weiterhilft, wenn es um die Bewältigung der Zukunft geht, warum gibt es dann nicht eine einzige politische oder gesellschaftliche Gruppierung, die sich dieses Themas annimmt?

Rainer Kaufmann

Hierzu erreichte uns ein
Kommentar von Waldemar Zimmermann.
Vielen Dank für Ihren konstruktiven Austausch!

„Ich finde die Bezeichnung „Volkstrauertag“ gar nicht so unpassend. Weshalb sollte ein Volk nicht um seine Toten trauern dürfen, egal wie, für wen und weshalb sie gestorben sind?

Im vorliegenden Fall geht es darum, der Menschen, Verwandte, Bekannte, Freunde zu gedenken, die in zwei Kriege gezwungen wurden und dabei millionenfach sterben mussten, weshalb ich den Ausdruck „wer alles“ für diese Toten nicht angebracht finde. Diese Abermillionen haben es nicht verdient, dass sie in Vergessenheit geraten, dass man sie verbal einfach wegwischt, weshalb man den Tag beibehalten sollte so, wie er gedacht war, als Mahnung an die Unmenschlichkeit des Krieges, dazu bedarf es keines Paradigmenwechsels, denn dieser Tag sagt allen „nie wieder Krieg“ ohne Schuldgedanken im Hinterkopf „wir haben ihn ja angefangen“.

Zugegeben, die Darstellung auf dem Bruchsaler Friedhof klingt, je nach Interpretation des Spruchs, tatsächlich wie die Verherrlichung eines Angriffskrieges.

Deshalb mein Vorschlag: Entfernt diesen Spruch und ersetzt ihn durch „Nie wieder Krieg“, das wäre eine eindrückliche Ermahnung, verstärkt durch die vielen Kreuze im Hintergrund. Der Zweck wäre erreicht, denn der Spruch ist allgemeingültig, schließt alle Nationen der Welt mit ein, er gilt für jeden Krieg, ob „gerecht“ oder „ungerecht“ und würdigt alle Opfer, die man nicht einfach dem Vergessen anheim stellen sollte.“

Waldemar Zimmermann, 14.11.2021

 

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RAINwurf 02 | Biefwahlchaos in Bruchsal

 

 

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