Bruchsal | Weißt du noch …? (Archiv 2017)

Lass das deine Freunde wissen!

Erzähl doch mal von Früher“, das ist ein Satz, den viele Großeltern von ihren Enkeln hören. So werden Erinnerungen innerhalb der Familien weitergegeben und Geschichten bewahrt. Wenn es dann allerdings Geschichten über „lokale Persönlichkeiten“ sind, dann drucken wir diese auch gerne im WILLI ab. Hier hat uns Klemens Schührer seine Erinnerungen zur bekanntesten Marktfrau Bruchsals und Heimatdichterin überlassen, seiner
„Tante Geddl“, alias Babette Ihle.

Aus RegioMagazin WILLI 9/17 :

Babette - Ihle Skulptur, Babette - Ihle Platz Bruchsal
Platzbenennung und Babette – Ihle Skulptur:
Heute sitzt sie, direkt vor der Stadtkirche auf dem Babette-Ihle Platz und beobachtet das Markttreiben.

„Auch in diesem Jahr kamen wir am Schmutzigen Donnerstag wieder nach Bruchsal, zu einem Treffen mit Freunden, das seit vielen Jahren Tradition hat. Der Kreis wird leider jedes Jahr kleiner. Schließlich sind wir fast alle schon deutlich über 80 Jahre alt. Noch können wir die Reise nach Bruchsal unternehmen und freuen uns jedes Mal über einen Spaziergang durch die Stadt“, schreibt Klemens Schührer in einem Brief an die WILLI Redaktion.

 

Für seine Frau Irmfried und ihn, die 1962 aus Bruchsal weggezogen sind, ist das immer eine Gelegenheit, die Veränderungen im Erscheinungsbild der Stadt gegenüber den Bildern, die sie von Früher noch im Gedächtnis haben, zu vergleichen. „ Weißt du noch“, ist immer wieder die Frage, die die Erinnerung eines waschechten Bruchsalers des Jahrgangs 1933, weckt.

Klemens Schührer 1949
DER NEFFE DAMALS UND HEUTE:
Klemens Schürer erinnert sich gut an seine Großtante

So war es auch an diesem Februartag 2017, als sie vor der von Pieter Sohl geschaffenen und von Frau Rosemarie Ihle als Leihgabe zur Verfügung gestellten Skulptur von Babette Ihle standen. „Das war doch unsere „Tante Geddl“ (Got = mundartlich veraltet für Patentante), die Tante und Patin meiner Mutter Magdalena (Lene) war. Demnach war „Tante Geddl“ meine Großtante, an die ich mich noch gut erinnere.“

Klemens Schürer war erst knapp 10 Jahre alt, als sie starb. Da die Großtante ohne eigene Nachkommenschaft blieb, dürfte er als Großneffe einer der letzten noch lebenden, nächsten Verwandten von ihr sein.

„Tante Geddl wohnte in der Württemberger Str. 106, zwei Häuser neben dem Haus meines Großvaters Anton Ihle und seiner ältesten Tochter, die ebenfalls Babette hieß (von uns „Tante Bawett“ genannt, so dass es eine klare Unterscheidung in unserer  Familie zwischen den beiden Frauen mit Namen Barbara Ihle gab). Meine Eltern und auch wir Kinder gingen damals täglich im großväterlichen Haus ein und aus, wir wohnten ja nicht weit entfernt. So kam ich als kleiner Junge auch ab und zu mit „Tante Geddl“ in Kontakt, denn sie hielt sich manchmal bei ihrem Bruder Anton auf“, erzählt der heute 84-jährige Klemens Schührer aus seinen Erinnerungen.

Klemens Schührer, 2017
Gut erinnere er sich noch an den Korb-wagen von Tante Geddl, „Chaise“ genannt, mit dem sie ihr Gemüse und Obst zum Wochenmarkt schob, wo sie einen Stand hatte. Allerdings nicht an der heutigen Stelle der Skulptur, sondern schräg gegenüber auf der anderen Straßenseite. Er erinnere sich deshalb daran, weil sein Vater ihn manchmal mitgenommen habe, ihr Körbe mit Kirschen zum Verkauf auf den Markt zu bringen. „Wir hatten sie zuvor in aller Herrgottsfrühe auf einem Grundstück meines Großvaters im Gewann Niesmer gepflückt. Tante Geddl pries die Kirschen sofort der potentiellen Kundschaft an mit den Worten: „Leit, kaaft mei Kersche, die henn de ganse Dag Morgesunn ghabt.“

Der Weg zu ihrem eigenen Grundstück im Niesmer, oder einem anderen großväterlichen Grundstück im Gewann Rohracker, führte die Familie von Klemens Schührer am großen Grundstück von Tante Geddl vorbei, wo sie das Gemüse heranzog, das sie auf dem Markt verkaufte. „Gleich, wenn man von ihrem Haus aus über den bei uns nur „Brechte-Bergl“ genannten, nicht befestigten Weg zur Bahnlinie hochging und diese über den damals hier befindlichen beschrankten Bahnübergang mit Bahnwärterhäuschen überquert hatte, gabelten sich die Wege: Ein Weg führte der Bahnlinie entlang ostwärts (auch in Gegenrichtung nach Westen), der andere stieg langsam halbrechts ins Hügelland Richtung Niesmer an. In diesem Dreieck zwischen den beiden Wegen lag, deutlich tiefer als die beiden Wege, das große, fruchtbare Gemüsefeld von Babette Ihle“, erzählt Klemens Schührer haargenau, als ob er gestern erst dort entlang gelaufen wäre. Bei Starkregen sei es vorgekommen, dass vom nahen Hohlweg der dort losgefahrene Lösboden auf den Acker der Marktfrau gespült wurde. Hatten nicht auch schon die Ägypter am Nil damit ihre Äcker fruchtbar gehalten?

 

Anton Ihle und seine Frau Pauline, Württemberger Str. 102, ca. 1923
WÜRTTEMBERGER STR. 102:
Klemens Schührers Großeltern Anton Ihle und seine Frau Pauline wohnten zwei Häuser neben Babette Ihle (Aufnahme ca. 1923)

Auch an das Haus der Großtante in der Württemberger Straße erinnert sich Klemens Schührer gut. Faszinierend war damals für ihn als kleinen Jungen, dass sie ihr Wasser noch aus einem Pumpbrunnen im Hof holen musste. Zwar stand im Hof seines Großvaters auch noch so ein Brunnen mit Schwengel, der war aber nicht mehr funktionsfähig. Da er unmittelbar neben dem Misthaufen stand, hätte er aus hygienischen Gründen auch nicht mehr benutzt werden dürfen. Der Brunnen von Tante Geddl aber funktionierte noch. „Was war das für ein Spaß, den Schwengel der Pumpe mit großem kindlichen Schwung zu bedienen, bis das Wasser in Schüben aus dem Rohr schoss“, berichtet Klemens Schührer.

„Manchmal, wenn auch mein Cousin Konrad Zimmermann bei unserem Großvater zu Besuch war, gingen wir gemeinsam, -nur zum Wasserpumpen-, zu Tante Geddl. Dabei verwirrte sie uns gerne mit einer Art Geheimsprache – wie sie es nannte – die sie uns damals beibrachte. Damit konnten wir Geheimnisse untereinander austauschen. Das klang dann so: „Aaah, do kummt ämol widder de Kle-de-phe me-de-phens (Klemens) un de Ko-de-phon ra-de-phad (Konrad)“. Bis zum heutigen Tag habe er diese Geheimsprache nicht vergessen, auch wenn er sie nie mehr benutzt habe. Für Tante Geddl war das damals ein großer Spaß.

85. Geburtstag von Elisabeth Ihle, Mutter von Heimatdichterin Babette Ihle
FAMILIENFOTO: 85. Geburtstag von Elisabeth Ihle (10.6.1925), Mutter der Heimatdichterin Babette Ihle (Bildmitte vorne), links neben der Jubilarin ihre Tochter Babette Ihle.

 

Text: Andrea Bacher-Schäfer aus den Erinnerungen von Klemens Schührer.

Bilder: Klemens Schührer

 

Wer war Babette Ihle

Babette Ihle war in jeder Hinsicht eine besondere Bruchsalerin. Sie war Marktfrau auf dem Wochenmarkt in Bruchsal und gleichzeitig lokale Heimatdichterin.
Durch ihr besonders aufgeschlossenes Wesen war sie sehr bekannt und beliebt in der Stadt. Faszinierend ist, dass es ihre Gedichte und Texte noch heute in Form eines Heftchens zu kaufen gibt, obwohl die Zeit, in der sie lebte, schon über 70 Jahre her ist. Als Tochter einer armen Familie und als einziges Mädchen unter fünf Brüdern musste sie sich schon in frühen Jahren behaupten und hat gelernt sich durchzusetzen. Sie durfte leider nicht studieren, obwohl sie eine sehr gute Schülerin war, sondern musste in der Landwirtschaft helfen. Und um ihre Familie finanziell unterstützen zu können, hat sie als Marktfrau auf dem Markt gearbeitet und selbst angebaute Erzeugnisse verkauft. Trotz ihrer schwierigen Lebensumstände hat sie nie den Humor verloren und hatte ein erstaunliches Geschick auf Leute einzu-gehen und diese zu begeistern. Sie wurde gerne zu Festen eingeladen, um einen humorvollen Beitrag zu leisten und brachte

es mit ihren vielen neuen Ideen immer wieder fertig die Leute zu begeistern.

 

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