Zeichnung von Marieluise Schneider: Deutlich zu sehen, der riesige Bombenkrater mitten auf der Kaiserstraße, an den sich auch Alfred Beissmann noch erinnert
Bruchsal | Glück im Unglück – Zeitzeugen berichten (Archiv 2017)
Erinnerungen von Elfriede Erb-Ihle
Jahrgang 1929, sie war 16 Jahre alt. Auch sie kann sich noch sehr gut erinnern und schildert ihre Kriegserlebnisse präzise:
„Als ich 1944, mit 14 Jahren, aus der Schule kam, musste ich ein Haushaltsjahr absolvieren bei Frau Barth, die gehbehindert war und in der Friedrichstraße wohnte, neben der ehemaligen Synagoge. Wir wohnten ziemlich am Ende der Württemberger Straße, mein Vater war Soldat und meine Mutter arbeitete direkt nebenan im Schlachthof.
Mein Cousin, der bei der Heimatflak (Fliegerabwehr) war, gab uns den Tipp, im Radio den Flaksender einzuschalten, um immer informiert zu sein wo Feindflugzeuge auftauchen. Das haben wir natürlich gemacht und hörten am Morgen des 1. März, dass Fliegerverbände über Karlsruhe gesichtet wurden. Ich war an diesem Tag noch nicht zur Arbeit gegangen und es war mir gleich klar, dass ich nun so schnell als möglich in einen Luftschutzkeller musste. Soweit bin ich aber nicht mehr gekommen, unterwegs haben die Sirenen angefangen zu heulen und die ersten Bomben sind gefallen. Es blieb mir nichts übrig, als mich am Straßenrand in einen Graben zu retten. Ich habe zum Himmel geschaut und gesehen, wie die Flugzeuge die Bomben über der Stadt ausklinkten. Das war ein Anblick, den man niemals vergisst. So wie ich mich erinnere, hat die Stadt 14 Tage lang gebrannt.
Meine Familie war bekannt mit der Familie Biedermann, den Besitzern der Zeitung der „Bruchsaler Bote“. Deren Wohnhaus befand sich unmittelbar neben dem Rathaus. Dort hat es, wie überall in der Innenstadt, gebrannt und wir wollten den Biedermanns helfen ihre Habseligkeiten zu retten. Wegen des andauernden Feuers und des Rauches mussten wir uns nasse Tücher vor das Gesicht binden, um in das Haus zu kommen. So konnten wir alles raus schleppen, was noch zu retten war: Bücher, Bilder und Teppiche. Irgendwann hat uns dann die Feuerwehr weggeschickt, weil es zu gefährlich in der Stadt wurde. Der Sog des Feuers hat den Sauerstoff entzogen und man wäre erstickt. Als wir ein paar Tage später in die Stadt zurück kamen und die Sachen holen wollten, war nichts mehr da, alles wurde gestohlen!
Anfang April 1945 sind die Franzosen in Bruchsal einmarschiert. Da sie überwiegend aus Lothringen und dem Elsass kamen, sprachen sie Deutsch. Mit den Marokkanern war die Verständigung schwieriger. Sie hatten leider auch keinen Respekt vor den Frauen und es gab schlimme Vorfälle. Wir hatten aber Glück, denn meine Mutter war eine sehr gute Köchin und hat die Franzosen, die nebenan im Schlachthof einquartiert waren bekocht. Im Gegenzug haben die uns beschützt und mit Lebensmitteln versorgt. Das Schieben begann: „Hast du Eier, dann kriegst du Butter, hast du Butter, dann kriegst du Mehl, hast du Mehl, dann bekommst du Zucker. So hat das damals funktioniert.
Auch beim Erhalt der kleinen Autowerkstatt mit Tankstelle meiner Eltern waren die Franzosen hilfreich. Normalerweise wurde von den Besatzern alles geplündert, wir hatten aber den Status „frontnahe Werkstatt“ und so blieb unsere Werkstatteinrichtung ziemlich unberührt. Im Juni 1945 kurz nach Kriegsende ist mein Vater aus polnischer Gefangenschaft zurückgekehrt und konnte relativ schnell wieder die Arbeit in der Werkstatt aufnehmen.“
„Ich werde nie die vielen verbrannten Menschen vergessen, die überall lagen. Wenn ich das so erzähle, ist es, als wäre es gestern passiert“, sagt die 87-jährige. „Die Bilder aus New York am 11. September mit der Staubwelle als die Türme zusammenbrachen hat mich wieder an den 1. März 1945 erinnert. Auch damals kam eine riesige Staubwelle aus der Stadt heraus. „Wir hatten keine Psychologen, die mit uns das alles hätten verarbeiten können. Von frühester Jugend an wurden wir mit der harten Realität des Krieges konfrontiert, das hat meine ganze Generation dauerhaft geprägt.“
Text: Andrea Bacher-Schäfer
Bilder: privat
Erinnerungen von Roswitha Stauder Geboren im September 1940 in Bruchsal, erinnert sie sich an den Schicksalstag:
Meine Eltern hatten in der Kasernenstraße eine Bäckerei. Der 1. März war ein strahlend schöner Tag. Es war der erste Tag an dem man Kniestrümpfe anziehen durfte.
Die Bäckerei war an diesem Tag nachmittags zu. Ich und meine zwei Jahre jüngere Schwester hatten damals eine Kinderschwester und wir durften oft mit zu ihren Eltern. An jenem Tag war die Else schon auf dem Weg in die Schwimmbadstraße.
Ich bin ihr hinterher gerannt, habe sie am Rock festgehalten und gesagt: „Komm zurück, die Jagdbomber kommen!“. Daraufhin sind wir schnell ins Haus und in den Keller. Kaum waren wir dort haben die Erwachsenen uns aufgefordert schnell Handtücher nass zu machen und uns vors Gesicht zu halten. Und schon ist der Schutt durch das Kellerfenster gefallen. Das war so schlimm, dass ich angefangen habe zu beten. Das Beten habe ich von meinem Großvater gelernt. Zwei Stunden lang habe ich dort gebetet, bis die Erwachsenen mir gesagt haben, ich solle aufhören. Aber ich habe erwidert, dass mein Opa gesagt habe, ich solle beten und dass der liebe Gott uns hilft. Zwei Tage lang war ich hinterher heißer.
Als der Bombenangriff vorbei war, sind wir raus und haben uns umgeschaut. Das Justus-Knecht-Gymnasium und die ganze Schwimmbadstraße bis vor zum Saalbach war kaputt. Dann kam meine Mutter und erzählte, dass bei uns in der Kasernenstraße auch alles kaputt ist, aber dass wir zum Glück alle noch lebten. Ich war viereinhalb aber ich weiß das alles noch als ob es gestern gewesen wäre.
Das Hinterhaus in dem die Backstube drin war, ist zum Glück noch gestanden. Mein Opa hat dort nach dem Krieg Brot gebacken für die Bevölkerung. Und meine Mutter hat in dem eiskalten Winter 1945/46 im freien die Backwaren verkauft und sie hat auch viel verschenkt. Als sie gestorben ist, habe ich über 200 Briefe von Leuten bekommen, die nicht vergessen haben, dass meine Mutter ihnen damals Brot geschenkt hat.
Es war schon eine schlechte Zeit damals. Wir hatten allerdings genug zu essen und langsam ging es wieder aufwärts. Ich hatte aber eine Freundin, deren Vater war nicht im Krieg, weil er krank war und die Mutter bekam keine Rente. Mit drei kleinen Kindern musste sie sich dann mit Nähen durchgeschlagen.
1946 bin ich dann eingeschult worden, es war aber ein verkürztes Schuljahr von September bis April. Nach der Schule habe ich gleich in Stuttgart im Hotelfach eine Lehre angefangen, bin durch die Gegend gereist und habe meinen Mann kennengelernt. Und dann haben wir unser Haus hier gekauft. Ich wünsche mir, dass die junge Generation nicht noch einmal dasselbe durchmachen muss.
Text: Lukas Springer, KraichgauTV
Bilder: privat
Aus dem RegioMagazin WILLI 3/17
Zeitzeugen berichten – Sehen sie die Filme
Kraichgau TV, hat im vergangenen Jahr mehrere Zeitzeugen vor der Kamera über ihre Kriegserlebnisse befragt.